„Uli Unsichtbar“ von Astrid Frank

Uli und sei­ne Eltern zie­hen in den Sommerferien in eine neue Stadt. Im neu­en Haus woh­nen die Zwillinge Petra und Niki, die so alt sind wie Uli, mit ihnen freun­det er sich schnell an. Nach den Ferien kommt Uli in die drit­te Klasse, und zwar in die, in die auch Petra und Niki gehen. Vor dem ers­ten Tag in der neu­en Schule ist Uli ziem­lich auf­ge­regt, und als er schließ­lich in der Klasse vorn neben der Lehrerin steht, wäre er am liebs­ten unsicht­bar. Er soll sei­nen Namen nen­nen, bekommt jedoch nur „U… U… Uhu“ her­aus. Kein guter Start, und es wird nicht besser.

Ein Junge in der Klasse hat Uli beson­ders auf dem Kieker, nennt ihn „Uhu“ und macht „Schuhu“, die ande­ren Kinder lachen dar­über und gehen nicht auf Uli zu, Petra und Niki las­sen ihn im Stich. Uli kommt aus die­ser Falle nicht raus, er wird in der Schule regel­recht unsicht­bar für die ande­ren, sie igno­rie­ren ihn. Er redet nicht mit Petra und Niki dar­über, auch nicht mit sei­nen Eltern, mit niemandem.

Hilfe kommt von außen: eine neue Mitschülerin, die Ulrike heißt und sich auf den Platz neben Uli setzt. Sie spricht mit ihm, ver­bringt die Pause mit ihm (obwohl die ande­ren in der Klasse sie in Beschlag neh­men wol­len). Und als am nächs­ten Tag Uli etwas im Unterricht sagt, der eine Mitschüler eine Uhu-Bemerkung macht und alle lachen, fragt Ulrike, war­um sie das tun. Sie sagt noch mehr. Sodass die Lehrerin end­lich merkt, dass in der Klasse etwas schief­läuft. Sodass Petra und Niki ver­ste­hen, dass sie sich nicht wie Freunde ver­hal­ten haben. Das ist der zwei­te Start für Uli in der Klasse, jetzt wird es besser …

Das Buch ist klein und hand­lich, hat einen fes­ten Einband, auf fast jeder der 90 Seiten ist ein Bild. Die Geschichte ist ziem­lich gerad­li­nig: Die Leserin, der Leser lernt Uli ken­nen (er ver­misst sein altes Zuhause und sei­ne Freunde, mag Mathe, fin­det schnell neue Freunde), in der neu­en Klasse wird Uli post­wen­dend „unsicht­bar“ und nach eini­gen schlim­men Tagen dank Ulrike wie­der „sicht­bar“. Das ist ein­dring­lich erzählt und nicht so leicht zu ver­dau­en, das Gefühl der Niedergeschlagenheit, des Ausgeliefertseins ist regel­recht mit Händen zu grei­fen. Die Lösung und der Schluss über­zeu­gen mich nicht 100%ig: eine neue Mitschülerin als Deus ex Machina, und sehr schnell ist alles wie­der gut. Das kann natür­lich genau­so pas­sie­ren, aber was ist dann die Botschaft die­ses Buches? Dass ein Kind, das gemobbt wird, nichts tun kann und auf Rettung war­ten muss?

Ein Uhu beglei­tet Uli in der Zeit, in der er gemobbt wird, er ist aber kein unsicht­ba­rer Freund, son­dern äußerst unge­liebt, denn er steht in Wort und Bild für das Mobbing. Eigentlich scha­de für den Uhu, und als unsicht­ba­ren Freund hät­te ich ihn auch plau­si­bler gefun­den. Ein kla­rer Pluspunkt von „Uli Unsichtbar“ ist ein Plakat, das dem Buch bei­liegt. Darauf ste­hen Regeln, die sich am Ende die Kinder aus Ulis Klasse zusam­men mit der Lehrerin über­legt haben – dazu, wie sie mit­ein­ader umge­hen wol­len, unter ande­rem: „Wir lachen nie­man­den aus“, „Wir belei­di­gen und ver­let­zen nie­man­den. Auch nicht mit Worten!“. Und das nimmt der Leser, die Leserin dann letzt­end­lich mit: dass in der Schule über Mobbing gere­det wer­den soll­te und dass alle etwas gegen Mobbing tun können.

Astrid Frank: Uli Unsichtbar
Mit Illustrationen von Regina Kehn
90 Seiten
ab 7 Jahren
2018 Verlag Urachhaus
ISBN: 978-3-8251-5164-5
14 Euro

Astrid Frank: „Unsichtbare Wunden“

Leichte Kost ist die­ses Buch nicht, aber wie auch, schließ­lich geht es um Mobbing. Um Mobbing, das einen Menschen kaputt­macht, in die­sem Fall Anna. Anna bekommt zu ihrem 13. Geburtstag von ihrem Vater ein Tagebuch, und kei­ne zwei Jahre spä­ter ist sie tot. Das Buch setzt unmit­tel­bar nach Annas Tod ein, wie ihr Umfeld reagiert, wird an ihrem Vater und ihrem bes­ten Freund Anton und durch deren Augen gezeigt. Während Anton Annas Tod erst nicht fas­sen kann, aber hin­nimmt, wird Annas Vater völ­lig aus der Bahn gewor­fen und kann das Geschehene nicht akzep­tie­ren, vor allem will er um jeden Preis wis­sen, wie es dazu kom­men konnte.

Der Schlüssel dazu ist Annas Tagebuch. Nach und nach, im Wechsel von Tagebucheinträgen und Handlung im Jetzt, also in den Tagen und Wochen nach Annas Tod, erfährt man, wie Anna zum Mobbingopfer wur­de. Wie ein Mädchen mit Prinzipien, kei­ne Außenseiterin, in bzw. von ihrer Schulklasse an den Rand gedrängt und fer­tig­ge­macht wird. Wie Mobbing in der Schule aus­se­hen kann, wird deut­lich, aber nicht pla­ka­tiv geschil­dert, eins ergibt das ande­re: eine neue Mitschülerin, die Anna die bes­te Freundin strei­tig macht. Eine neue Klassenlehrerin, die Mobbing nicht erkennt, viel­leicht nicht erken­nen will, die nicht hilft, son­dern alles noch schlim­mer macht. Annas Hilflosigkeit wächst – als sie von außen kei­ne Hilfe bekommt, wird Hoffnungslosigkeit daraus.

Das Buch ist nicht ein­di­men­sio­nal, es gibt nicht den oder die Schuldigen und die ande­ren sind „nicht schul­dig“, wobei die Klassenlehrerin sehr nega­tiv rüber­kommt, eben­so die neue Mitschülerin. Aber das Mobbing-Netz, in dem Anna sich immer tie­fer ver­fängt, wird von vie­len Personen gewebt und gestärkt, und dass nie­mand ver­steht, was da abläuft, dass nie­mand Anna hilft, ist beim Lesen schon har­ter Tobak.

Die Autorin, Astrid Frank, redet nichts schön. Sie schil­dert fes­selnd und emo­tio­nal, wie ein Mädchen zum Mobbingopfer wird. Die Story hat in mei­nen Augen klei­ne Schwächen, aber die fal­len nicht wei­ter ins Gewicht. Wichtig ist, dass die Komplexität von Mobbing gezeigt wird und dass Mobbing kein Spaß ist, nie. Die Autorin sen­si­bi­li­siert mit die­sem Buch, rüt­telt auf. Deswegen ist es nicht nur eine gute Lektüre für Jugendliche, son­dern auch für Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer und natür­lich für Eltern. Gut, dass es das Buch gibt, über Mobbing darf nicht geschwie­gen werden.

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Astrid Frank: Unsichtbare Wunden
288 Seiten
ab 13 Jahren
Urachhaus 2016
ISBN: 978-3-8251-7966-3
15,90 Euro