„Bis ans Meer“ von Peggy Patzschke

„Bis ans Meer“ ist eine Familiengeschichte, die von 1916 bis „heu­te“ spielt, aller­dings nicht chro­no­lo­gisch erzählt. Solche Bücher lese ich sel­ten, in dem Fall lag es vor allem am Coverbild, und der Titel ist ja auch schön. Im Mittelpunkt steht Frieda, Ende der 1920er-Jahre ver­liebt sie sich in Brieg in Schlesien in Karl. Ihre Enkeltochter ist die Ich-Erzählerin im Heute, sie reka­pi­tu­liert und rekon­stru­iert das Leben ihrer Großmutter und ihrer Mutter Erika und ergrün­det so, wie sich ein­schnei­den­de Erlebnisse und Erfahrungen inner­halb einer Familie aus­wir­ken und Traumata sich regel­recht ver­er­ben können.

Der Roman hat bei mir rela­tiv schnell eine Sogwirkung ent­wi­ckelt, zum einen ist die Geschichte inter­es­sant, zum andern ist sie gut erzählt. Die Kapitel sind im Schnitt eher kurz, meist ist die Leserin, der Leser bei Frieda, ab und zu bei der Ich-Erzählerin, sel­ten bei Erika, vor allem aber springt man mit ihnen in der Zeit, vom Heute nach 1945 nach 1916 nach 1945 nach 1917 und immer so wei­ter. Fragen, auf die man Antworten erle­sen will, sind etwa: Was wird aus der gro­ßen Liebe zwi­schen Frieda und Karl? Was macht der Zweite Weltkrieg, was die Flucht und Vertreibung aus Schlesien mit der Familie? Wie äußert sich das Kriegserleben von Großmutter und Mutter bei der Ich-Erzählerin? Schafft es Frieda je bis ans Meer?

Autorin Peggy Patzschke ist Moderatorin und Redakteurin und ver­mut­lich vie­len Leuten bekannt. „Bis ans Meer“ ist ihr ers­ter Roman, laut ihrer Website beruht er „auf wah­ren Begebenheiten“. Im Nachwort bezeich­net sie sich selbst als „Kriegsenkelin“, ein Begriff, der spä­tes­tens seit dem Buch „Kriegsenkel“ von Sabine Bode weit­hin bekannt ist. Ihre Geschichte hand­le „über wei­te Strecken zur Zeit des Zweiten Weltkriegs“ und sei den­noch hoch­ak­tu­ell, schreibt Peggy Patzschke, da kein Krieg allein auf dem Schlachtfeld blei­be, son­dern irgend­wann in jedem Haus tobe. Auch bei den heu­ti­gen Kriegen wer­de es „wie­der min­des­tens drei bis vier Generationen oder län­ger dau­ern, bis die Wunden, die sie schla­gen, hei­len können“.

Das Buch bie­tet einen leben­di­gen Blick auf einen prä­gen­den Abschnitt deut­scher Geschichte mit Fokus auf eine Familie in bzw. aus Schlesien, es schlägt eine Brücke zum Jetzt und balan­ciert Schlimmes und Schönes, Schweres und Leichtes aus, gera­de auch weil die Heldin, Frieda, eine star­ke Frau mit fast uner­schüt­ter­li­chem Glauben an das Positive und die Liebe ist. Eine gelun­ge­ne Mischung!

Peggy Patzschke: Bis ans Meer
Lektorat: Tamara Rapp
445 Seiten
2025 Rütten & Loening
ISBN 978–3‑352–01009‑5
22 Euro

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