„Alles geschieht heute“ von Jesse Browner

Der Titel ist Programm, „Alles geschieht heu­te“ spielt tat­säch­lich an einem Tag. Nicht an irgend­ei­nem Tag im Leben von Wes, der eigent­lich Leslie heißt, die­sen Namen aber erfolg­reich ver­drängt hat, sodass nur noch sei­ne Mutter ihn so nennt. Es ist der Tag nach der Nacht, in der Wes zum ers­ten Mal mit einem Mädchen geschla­fen hat, nicht mit dem Mädchen, das er seit einem Jahr regel­recht anbe­tet, son­dern mit einem Mädchen, das er eigent­lich nicht kennt.

Auf 249 Seiten weicht man Wes nicht einen Moment von der Seite, trifft sei­ne klei­ne Schwester, die er sehr liebt, sei­nen Vater, den er ver­ach­tet, sei­ne Mutter, die bett­läg­rig ist und die er mit pflegt, sei­nen bes­ten Freund und schließ­lich das Mädchen. Vor allem schaut man in sei­nen Kopf, und der Junge (er ist sieb­zehn Jahre alt) macht sich über etli­ches Gedanken, nicht zuletzt über eine Hausarbeit, die er umschrei­ben muss – aber wer das übli­che Teenager- und Schulgeplänkel erwar­tet, wird ent­täuscht, statt­des­sen gibt es phi­lo­so­phi­sches, ver­zwei­fel­tes, pathe­ti­sches, rot­zi­ges, nai­ves, spin­ner­tes Kopfkino.

Muss man mögen, es dau­er­te eine Weile, bis ich ins Buch fand, und stre­cken­wei­se war es mir zu lang­at­mig, zum Ende hin pack­te es mich aber doch. Und das ist ja eigent­lich das Reizvolle, dass man mit man­chen Büchern gera­de nicht die alt­be­kann­ten Wege betritt, son­dern sich auf etwas ein­lässt, das einem ziem­lich fremd ist.

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Jesse Browner: Alles geschieht heute
Aus dem Englischen von Anne Brauner
Hardcover mit Umschlag, 249 Seiten
Verlag Freies Geistesleben
ISBN: 978–3‑7725–2775‑3
1. Auflage Juli 2014
19,90 Euro
Ab 14 Jahren

„Fair Play“ von Tove Jansson

Tove Jansson, das ist die Frau, die die Mumins erfun­den, die über sie geschrie­ben und sie gemalt hat. 2014 ist Tove-Jansson-Jahr, denn wür­de die fin­ni­sche (bzw. finn­land­schwe­di­sche) Autorin und Malerin noch leben, hät­te sie am 9. August ihren 100. Geburtstag gefei­ert. 1914 wur­de sie gebo­ren, 2001 ist sie gestorben.

Die Mumin-Bücher habe ich alle gele­sen, doch Tove Jansson hat viel mehr geschrie­ben, Romane und Erzählungen. Über ihr Leben wuss­te ich auch nichts, das hat sich mit „Fair Play“ nun ein wenig geän­dert. Tove Jansson schreibt dar­in in sieb­zehn Episoden über das Zusammenleben von Mari, einer Autorin, und Jonna, einer Grafikerin. Tove Jansson leb­te von den 1950er Jahren bis zu ihrem Tod mit der Grafikerin Tuulikki Pietilä zusam­men, und gera­de „Fair Play“ ist wohl recht auto­bio­gra­fisch geprägt.

Das Buch wur­de 1989 ver­öf­fent­licht, aber erst jetzt ins Deutsche über­setzt. Auf dem Cover steht, es sei ein Roman – ich fin­de, es ist ein Puzzle, in dem etli­che Teile feh­len, Episoden eben. Über gemein­sa­mes Krimischauen, schrä­ge Bekannte, Filmen mit der Acht-Millimeter-Konica, Fischernetze mit Erinnerungen, Boote, die dem Sturm trot­zen … Zwei Frauen, die sich sehr gut ken­nen, die schon lan­ge zusam­men­le­ben, zum einen in einer Stadt, zum ande­ren auf einer win­zi­gen Insel, auf der sonst nie­mand wohnt. Das Meer spielt also eine Rolle, das künst­le­ri­sche Schaffen, eini­ge weni­ge Freunde, Bekannte, Familienmitglieder und vor allem das Zusammenspiel Jonnas und Maris, das „ehr­li­che Spiel“. Es sind rela­tiv ver­schlos­se­ne klei­ne Texte, ruhig, unauf­ge­regt, und ich ver­mu­te, dass es eines die­ser Bücher ist, die man in ein paar Jahren noch­mals lesen kann und die einem dann ganz anders erscheinen.

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Tove Jansson: Fair Play
1. Auflage 2014, deut­sche Erstausgabe
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer
121 Seiten
Urachhaus
ISBN: 978–3‑8251–7892‑5
17,90 Euro

Eine Buchbank in London

Londoner Buchbänke zeig­te neu­lich Daniela in ihrem Wortakzente-Blog. Da fiel mir ein, dass ich auch ein Bank-Foto habe:

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Das war Ende August, die Bank stand vor dem Globe Theatre (ist im Hintergrund zu erken­nen), dem­entspre­chend das Motiv. Und ja, sie wur­de gera­de bemalt …