Adam Rex hat ein Rad ab, nein, was ich eigentlich schreiben wollte: Er hat ein Händchen für Namen. Für ausgefallene Namen. Die Heldin von „Happy Smekday“ heißt Gratuity, englisch für Trinkgeld. Ihr Spitzname ist logischerweise Tip (auch englisch Trinkgeld, aber die Kurzform). Tip darf sie nicht jeder nennen, nur ausgewählte Personen. Könnte Gratuitys Katze sprechen, dürfte sie vermutlich Tip sagen. Die Katze heißt übrigens Sau. Ja, wie Schwein. Und der Außerirdische im Buch nennt sich J.Lo. Wie die Sängerin. Tatsächlich heißt er ganz anders, aber das können die Erdlinge nicht aussprechen, also: J.Lo. Und nun ist es ja nicht schwer, sich mit diesen Namen ein paar Situationen und Gespräche vorzustellen. Die Lage kann noch so furchtbar sein – wenn Gratuity ihre Katze ruft: „Sau!“, muss man grinsen. Und Gratuity macht mit ihrem Namen auch so einiges durch, nimmt das aber recht gelassen. Sie ist überhaupt ziemlich großartig, wenn ich mal bisschen schwärmen darf. Ein richtig tolles elfjähriges Mädchen. In einer leicht verrückten Geschichte. Was einen nicht mehr wundert, wenn man die drei Namen kennt, nicht wahr?
Weihnachten 2012 landen also die außerirdischen Boov auf der Erde und machen sich breit. Sie zerstören etliche weltbekannte Bauten (Big Ben, Schiefer Turm von Pisa, Freiheitsstatue usw.), sind mit ihren Waffen den Erdbewohnern klar überlegen und wollen schließlich, dass die Menschen sich in Reservate verziehen. Die US-Amerikaner zum Beispiel nach Florida. Gratuity lebt in Pennsylvania und am Tag des Umzugs (der Umsiedelung) im Juni 2013 macht sie sich mit dem Auto auf den Weg, ohne Mutter (wurde von den Außerirdischen entführt), ohne Vater (war nie da), dafür mit Katze Sau. Und bald ist noch ein Boov (J.Lo) mit dabei, der seine Gründe dafür hat, sich einem Erdling anzuschließen. Damit nicht genug! Zum Schluss hin kommt noch eine andere außerirdische Spezies ins Spiel, die Gorg. Und die sind nicht besser als die Boov, sondern noch viel schlimmer, erfährt Gratuity, und muss, wie es der Untertitel des Buches schon ankündigt, „die Welt retten“. Aber vor allem sucht sie ihre Mutter.
Das Buch sprüht vor Ideen. Es ist komisch. Es ist ernsthaft. Es ist lustig. Es ist spannend. Alles zusammen, und das über 400 Seiten hinweg. Es ist ein bisschen verrückt (das erwähnte ich schon), aber nicht durchgeknallt, die Geschichte folgt einem roten Faden und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, was unter anderem daran liegt, dass Gratuity sie im Rückblick erzählt, ein paar Jahre später. Das Mädchen und der Boov sind wirklich schräg zusammen, schräg und toll. J.Lo ist nicht der bossige Außerirdische, sondern entpuppt sich als Kumpel mit Charakter, er kann ganz gut Englisch (bzw. Deutsch), aber ein paar Sachen bringt er doch durcheinander und einige irdische Dinge versteht er nicht, her mit den (ulkigen) Missverständnissen! Überhaupt: der Stil. Der ist gepflegt, aber nicht verstaubt, es liest sich schön. Spritzige Gespräche, Wortwitz, eine wohldosiert trockene Erzählweise, dazu passen auch die Zeichnungen. Die stammen von Adam Rex, dem Autor. Zum einen sind es Bilder zum Text, zum anderen Bildgeschichten (Comics) von J.Lo gemalt, der zwar nicht irdisch schreiben, aber zeichnen kann. Beispielsweise „J.Lo’s 8 Dinge, die Sie immer schon über die Gorg wissen wollten, aber nie zu fragen wagten, weil die Gorg Ihnen sonst möglicherweise eine reingehauen hätten“.
Der Verlag empfiehlt „Happy Smekday“ ab elf Jahren, nach oben würde ich keine Grenze setzen. Ein paar gedankliche Ausflüge Gratuitys und diese und jene Pointe werden Kindern eher nichts sagen, bei Erwachsenen aber gut ankommen. Man muss kein Science-Fiction-Fan sein, um das Buch zu mögen, denn neben Außerirdischen hat das Buch alles, was ein gutes Buch braucht – es geht nicht um die Außerirdischen, sondern um die Irdischen und Irdisches. Was es mit dem Smekday auf sich hat, wird übrigens ziemlich am Anfang geklärt. Der Titel passt (okay, der englische Titel ist besser: „The True Meaning of Smekday“, aber egal). Das Cover passt auch. Ich mag das Buch – und empfehle es absolut gern.
Happy Smekday oder Der Tag, an dem ich die Welt retten musste
von Adam Rex (Text und Illustrationen)
aus dem Englischen von Anne Brauner
ab 11 Jahren
Ueberreuter 2014
ISBN: 978–3‑7641–5025‑9
16,95 Euro