„Das kleine Anti-Wut-Buch für Eltern und Kinder“ von Rita Steininger

„Das klei­ne Anti-Wut-Buch für Eltern und Kinder“ ist wirk­lich klein: 12 x 19 Zentimeter, und knapp 120 Seiten. Das find ich schon mal gut, ich mag kei­ne dicken Ratgeber, da lese ich lie­ber einen Roman. Über das Thema hät­te man sicher ein paar Hundert Seiten mehr schrei­ben kön­nen, aber Rita Steininger bringt so eini­ges auf den Punkt. Im ers­ten Teil geht sie dar­auf ein, wie Wut und Aggressionen bei Kindern enste­hen. Im zwei­ten Teil beleuch­tet sie ver­schie­de­ne Alter und Situationen und gibt Tipps, was man kon­kret tun kann, inklu­si­ve Spielen und Übungen gegen die Wut, für mehr Bewegung, zur Entspannung usw. Im drit­ten, letz­ten und sehr kur­zen Teil geht es schließ­lich um die Eltern: die nicht zu viel von sich ver­lan­gen sol­len, aber nie hand­greif­lich wer­den dür­fen. Dazu hat die Autorin wie­der­um Tipps, Übungen und einen „Notfallplan“.

Wie ist das mit der Wut – sol­len Kinder gefäl­ligst kei­ne Wut haben bzw. sie wenigs­tens nicht zei­gen? Falsch, schreibt Rita Steininger, Wut gehört dazu und muss nach außen getra­gen wer­den dür­fen. Der Job der Eltern ist es nicht, Wut zu ver­bie­ten, son­dern dem Kind zu zei­gen, was okay ist und was nicht, wenn man wütend ist. Zum Beispiel: schimp­fen ja, eine ande­re Person beschimp­fen nein.

Und wie war das mit Ausschimpfen und Bestrafen: bringt das was? Nein, so Rita Steininger, denn das erzeugt nur Frust beim Kind, und wenn das Kind mit sei­nem Danebenbenehmen Aufmerksamkeit sucht und erhält, auch wenn es kei­ne ange­neh­me ist, wird es womög­lich bei die­sem Schema blei­ben und Mist bau­en, das gin­ge somit aus Sicht der Eltern direkt nach hin­ten los.

Wie also mit dem Kind umge­hen? Das erzählt Rita Steininger natür­lich auch. Stichworte dazu sind Respekt, Lob, Ermutigung, Gefühle zulas­sen. Ein wich­ti­ger Hinweis ist in mei­nen Augen, dass man, wenn es hoch her­geht, einem etwas nicht passt usw., den ande­ren nicht mit Du-Sätzen bele­gen soll­te (Du machst das falsch, Du bist …). Wie schnell kann das belei­di­gend und ver­let­zend wer­den, egal ob das Gegenüber ein Erwachsener oder ein Kind ist. Und was kann gera­de ein Kind dem entgegensetzen?

„Das klei­ne Anti-Wut-Buch“ lie­fert etli­che Denkanstöße und gute Ideen, gleich ob das Kind ganz frisch oder schon älter ist. Dass es Eltern gibt, die mit dem Buch nichts anfan­gen kön­nen, weil sie schon alles genau­so machen, kann ich mir kaum vor­stel­len, aber selbst für sie (und ihr Kind) blie­ben noch die Spiele und Übungen zum Luftablassen und Entspannen. Kurzum: lesens- und empfehlenswert.

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Rita Steininger: Das klei­ne Anti-Wut-Buch für Eltern und Kinder
1. Auflage 2014
128 Seiten, Paperback
Patmos
ISBN: 978–3‑8436–0556‑4
12,99 Euro

Birte Müller: „Willis Welt. Der nicht mehr ganz normale Wahnsinn“

Kann man ein Buch so gut fin­den, dass man beim Bloggen dar­über glatt eine Schreibblockade bekommt? Die Antwort muss ja sein, denn mir ging es mit Birte Müllers „Willis Welt. Der nicht mehr ganz nor­ma­le Wahnsinn“ so, einem gran­dio­sen Buch. Irgendwie hat es doch noch geklappt, zum Glück! Es ist so: Ich lese die dm-Zeitschrift alver­de, wenn ich sie in die Hände bekom­me. In der alver­de bzw. dem Magazin a tem­po dar­in gibt es eine Kolumne, über zwei Jahre lang hat Birte Müller sie ver­fasst, „Willis Welt“ hieß sie. Darin wie auch im Buch geht es um ihre Familie: Birte Müller, ihren Mann Matthias, ihre Tochter Olivia und vor allem um ihren Sohn Willi. Willi hat das Down-Syndrom, was den nor­mal-ver­rück­ten Alltag mit Kindern noch eine Spur extre­mer macht. Birte Müller beschö­nigt da gar nichts, sie schreibt so dar­über, dass man zwar hin und wie­der schlu­cken muss, vor allem aber ein­fach mit­fie­bert, sich manch­mal mitär­gert, oft mitlacht.

Wie bekommt sie das nur hin? Es ist ihr eige­nes Leben, ihr Kind, und da einen gewis­sen Abstand rein­zu­brin­gen, hal­te ich für wirk­lich schwer. Birte Müller gelingt es wun­der­bar. Sie schreibt sehr unmit­tel­bar, inten­siv, doch mit Witz, Überblick, zuwei­len Galgenhumor, auf die­se Weise objek­ti­viert sie das Private, das Erlebte, ohne es belie­big zu machen. Mit den Bildern im Buch ist es auch so. Die Grundlage sind Fotos, die Birte Müller (sie ist übri­gens Illustratorin) etwas ver­frem­det, mal nur mit ein paar Pinselstrichen, mal umfas­sen­der. Willi bekommt zum Beispiel rote Apfelbäckchen und ein Superman-Kostüm, die Schneeflocken sind rie­sig, Essen fliegt durch die Gegend, Willi und Olivia wer­den zu Schneewittchen und den sie­ben Zwergen …

Auf etwas über zwei­hun­dert Seiten erzählt Birte Müller also aus „Willis Welt“. Die Kapitel sind kom­pakt, in sich geschlos­sen, man könn­te sie auch durch­ein­an­der lesen. Aber war­um nicht beim Anfang anfan­gen, mit „Willis Welt – Wie alles begann“, „Gefangen in der Extremnormalität“, „Sondermodell Willi“, „Um uns zu ver­ste­hen: Diagnose-Check“ usw. Wer oder was ist denn eigent­lich „nor­mal“, die­se Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die Kapitel, gleich ob es um Communitys, Inklusion, Spießertum, Autowahn, Modekrankheiten oder ein­fach um Alltag geht, nicht umsonst taucht das Wörtchen „nor­mal“ auch im Untertitel des Buches auf.

Und jetzt bin ich an dem Punkt ange­langt, an dem ich zitie­ren, zitie­ren, zitie­ren möch­te, um zu zei­gen, wie gut das Buch ist, statt­des­sen emp­feh­le ich abschlie­ßend aller­wärms­tens, es unbe­dingt zu lesen!

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Birte Müller: Willis Welt. Der nicht mehr ganz nor­ma­le Wahnsinn
1. Auflage 2014
228 Seiten
Verlag Freies Geistesleben
ISBN: 978–3‑7725–2608‑4
19,90 Euro

Eine Frau, ein Mann, zwei Kleinkinder und ein Esel unterwegs auf Korsika: „Ist das jetzt der Urlaub?“

In man­chen Büchern geht es um Dinge, die man nie tun wür­de. In ande­ren Büchern geht es um Dinge, die man selbst schon getan hat oder durch­aus tun wür­de. In „Ist das jetzt der Urlaub?“ von Christine Hutterer geht es um einen Urlaub, der für mich in die ers­te Kategorie fällt: So was wür­de ich nie tun. Aber es war ein Vergnügen, dar­über zu lesen!

2010 hat Christine Hutterer mit ihrem Mann und den zwei klei­nen Kindern, ein und drei Jahre alt, einen schon ziem­lich außer­ge­wöhn­li­chen Urlaub gemacht: Fast vier Wochen lang sind sie duch Korsika gewan­dert – mit einem Esel. Esel Bronco trug die drei­jäh­ri­ge Tochter der Familie sowie einen Großteil des Gepäcks. Der ein­jäh­ri­ge Sohn saß in der Kindertrage. Einer der Erwachsenen muss­te den Esel füh­ren, der ande­re hin­ter­her­lau­fen und wei­te­res Gepäck schlep­pen. Wenn ich dar­an den­ke, wie viel Gepäck sich bei einer Familie nor­ma­ler­wei­se ansam­melt, wenn sie in den Urlaub fährt, gera­de wenn Kleinkinder dabei sind – Windeln, Wechselsachen, Spielzeug, dies und das … Aber es geht auch mit ganz wenig, das zeigt das Buch recht eindrücklich.

Unaufgeregt, detail­liert und sehr per­sön­lich berich­tet Christine Hutterer von der Reise. Von den Unsicherheiten am Anfang, da sie kei­ner­lei Erfahrung mit Eseln hat­ten und nicht wuss­ten, was genau sie erwar­te­te. Von Improvisation, wenn es galt, Unterkünfte, Lebensmittel und Geld zu orga­ni­sie­ren auf einer zwar tou­ris­tisch erschlos­se­nen, jedoch eher ein­sa­men Route. Von vie­len guten Begegnungen und weni­gen nicht so guten. Von grö­ße­ren und klei­ne­ren Schreck-Erlebnissen auf unweg­sa­mem Gelände und mit Tieren. Auch von Momenten, in denen die Anspannung und die Verzweiflung groß war – wenn etwas schief­ging zum Beispiel und die Nerven doch mal schlapp­mach­ten und man ein­fach nur sau­er oder wütend war …

Dass sol­che Momente auch vor­kom­men in dem Buch, die gan­ze Palette von Freude über Dankbarkeit bis Ärger, macht das Ganze erst rund. So liest man eine span­nen­de Reiseschilderung und zugleich ein Familienporträt, nicht zu ver­ges­sen Esel Bronco, der sich nicht in die Karten schau­en ließ, was er nun von allem hielt, aber doch zu einem Familienmitglied wur­de, von dem am Ende der Abschied schwer­fiel. Unbedingt erwähnt wer­den müs­sen auch die tol­len Fotos: von der Landschaft sowie von den vier Hutterers – und Esel Bronco natür­lich. Es sind vie­le Fotos, die das „Mitreisen“ per­fekt unterstüzen.

Ich blei­be dabei: Für mich wäre so was nichts. Aber gele­sen habe ich das Buch sehr gern. Und Lust auf Urlaub hät­te ich jetzt auch …

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Christine Hutterer ist wie ich Mitglied im Texttreff, wir sind uns schon mal „in echt“ begeg­net, von ihrem Urlaub mit Esel auf Korsika erfuhr ich aller­dings erst viel spä­ter. Ihr Buch „Ist das jetzt der Urlaub?“ habe ich mir in mei­ner Stadtbibliothek aus­ge­lie­hen, und nach dem Lesen muss­te ich die­se Rezension ein­fach schrei­ben. Ein paar Fragen zur Entstehung des Buches hat­te ich auch noch, fürs Antworten geht ein gro­ßes Dankeschön nach München, an Christine. :)

Bist du schon mit einem Verlagsvertrag los­ge­reist oder hast du nach dem Urlaub einen Verlag gesucht?
Die Idee zu dem Buch kam erst unter­wegs. Daher hat­te ich auch noch kei­nen Verlag und schon gar kei­nen Vertrag. Das war aber viel­leicht auch ganz gut so, denn sonst hät­te ich mich unter Druck gesetzt gefühlt, etwas Besonderes erle­ben zu MÜSSEN. So war es zual­ler­erst eine Familienreise mit Abenteuercharakter.

Wie hast du die Reise fest­ge­hal­ten: Hast du wäh­rend­des­sen Notizen gemacht oder erst danach geschrieben?
Teils teils. Nach dem ers­ten Tag, der so chao­tisch war, dach­te ich, dass ich dar­über eigent­lich ein Buch schrei­ben soll­te. Dann habe ich ange­fan­gen, mir ver­ein­zelt Notizen zu machen und als wir dann mal in einem Geschäft ein Heft gefun­den haben, habe ich nach­ge­tra­gen und ergänzt.

Wie ging es mit der Buchidee bzw. dem Buch wei­ter, als ihr wie­der zu Hause wart?
Zurück zu Hause war ich begeis­tert von der Idee, über unse­re Erlebnisse ein Buch zu schrei­ben. Doch ich muss­te wie­der arbei­ten – damals war ich noch ange­stellt – und fand ein­fach die Zeit neben den bei­den klei­nen Kindern nicht, um damit anzu­fan­gen. Außerdem woll­te ich mich beruf­lich ver­än­dern und war daher im Kopf nicht frei für das Schreiben. Im Laufe des rest­li­chen Jahres ent­schied ich, mich selb­stän­dig zu machen. Und nach­dem ich bei mei­nem Arbeitgeber gekün­digt hat­te, begann ich mit dem Schreiben des Buches!

Da ich noch kei­ner­lei Erfahrung und kei­nen Kontakt zu ande­ren Autoren hat­te (das Netzwerk Texttreff kann­te ich noch nicht), trat ich dann mit dem fer­ti­gen Manuskript an Verlage her­an – so, wie man es nicht machen soll. Meinen favo­ri­sier­ten Verlag habe ich zuerst nicht ange­schrie­ben, denn ich woll­te erst das Feedback von ande­ren haben, um das Manuskript even­tu­ell noch ein biss­chen ver­bes­sern zu kön­nen. Doch irgend­wann war ich etwas frus­triert, weil ich ein­fach mona­te­lang nichts von den Verlagen hör­te, so dass ich mir ein Herz fass­te und ein Exposé und ein Probekapitel an ter­ra magi­ca schick­te. Nur weni­ge Tage spä­ter bat man mich, doch das gan­ze Manuskript nach­zu­rei­chen, und eini­ge Wochen spä­ter unter­zeich­ne­te ich den Verlagsvertrag.

Dann muss­te es schnell gehen, denn das Buch soll­te im Frühjahr erschei­nen – es war schon Ende Oktober und es muss­ten doch noch eini­ge Überarbeitungen gemacht wer­den. Aber es hat alles geklappt! Die Lektorin war sehr nett, hat­te ein offe­nes Ohr für mei­ne Fragen und hat mir erklärt, wor­auf es ankäme.

Im Frühjahr 2013 erschien das Buch dann und ich war sehr stolz, es in den Buchhandlungen zu ent­de­cken. Allerdings läuft das Marketing etwas schlep­pend. Von Verlagsseite wird lei­der – für mein Empfinden – zu wenig unter­nom­men, aber das ist schein­bar auch immer so, wenn man nicht schon eine bekann­te Autorin ist. Daher mache ich viel Marketing selbst – über mei­nen Blog und über die Webseite, ich schrei­be Outdoor- und Familienmagazine an und bie­te das Thema Eselwandern an, kon­tak­tie­re Anbieter von Eselwanderungen in Europa und ver­net­ze mich mit ihnen … Es ist müh­sam, macht aber auch Spaß.

Eure Kinder waren bei die­ser Reise ein bzw. drei Jahre alt. Erinnern sie sich noch dar­an, und an Esel Bronco?
Der Kleine erin­nert sich wohl nicht mehr dar­an, aber natür­lich weiß er aus Erzählungen und Bildern und aus dem Buch, dass er dabei war und wie der Esel hieß. Valentina hin­ge­gen kann sich noch gut erin­nern und hat auch noch lan­ge von Ereignissen erzählt, die mir gar nicht in Erinnerung geblie­ben waren. Und an den Esel Bronco erin­nert sie sich auch noch.

Euer Urlaub mit Bronco auf Korsika war 2010. Waren eure Urlaube seit­her immer so abenteuerlich?
Nein, um Himmels wil­len. Wir sind zwar nicht die Hotel- und Pauschalurlauber, son­dern fah­ren eher auf Berghütten, Campingplätze oder in Ferienwohnungen, aber das ist ja doch alles sehr gemäßigt.

Planst du schon wei­te­re Bücher?
Das ist eine gute Frage. Ich habe Ideen für meh­re­re Bücher – aller­dings nicht zuerst für Reiseerzählungen. Zwar wür­de ich ger­ne wie­der eine tol­le Reise machen und dar­über schrei­ben, aber im Moment las­sen das die äuße­ren Umstände nicht zu. Aber ich habe noch ande­re Ideen: für einen Roman und ein Kinderbuch. Mal sehen, wann ich die Ideen anpacke!

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-> Website und Blog zum Buch: ist-das-jetzt-der-urlaub.de
-> Website Christine Hutterer: lebens-werke.de