Es ist lange her, dass ich etwas Mysterymäßiges gelesen habe. So war ich gespannt, was der Ueberreuter-Verlag zu bieten hat, wenn er einen „Mystery-Thriller“ verspricht. Josh Ericsons „Ghost Street“ ist für Jugendliche ab 14 Jahren, und das finde ich nach dem Lesen auch okay. Man kann sich durchaus gruseln, es gibt einige Morde im Buch, aber das ist alles noch gut verdaulich und (zum Glück!) nicht mit dem zu vergleichen, was Erwachsene sich so an Thriller-Kost zu Gemüte führen können. Ich bin kein Fan dieser Thriller, die sich ein Wettrennen um den grausamsten und ekelhaftesten Mord liefern …
„Ghost Street“ habe ich gern gelesen. Das Buch hat eine ordentliche Handlung und ist solide geschrieben. Die Figuren sind plastisch, sie haben Charakter, man würde sie gern wiedertreffen (den Mörder natürlich nicht). Im Mittelpunkt steht Alessa Fontana, eine junge Staatsanwältin, sie lebt und arbeitet in Savannah, Georgia. Sie ist noch nicht abgebrüht, manche Fälle gehen ihr an die Nieren. So der einer Frau, die von ihrem Mann misshandelt, verprügelt wird, ihm aber nach wie vor glaubt, dass er sie liebe und dass das nicht mehr geschehen werde. Alessa besucht diese Frau immer wieder im Krankenhaus, um sie davon zu überzeugen, Anklage gegen ihren Mann zu erheben.
Gleich zu Beginn wird Alessa aus der Ferne Zeugin davon, wie ein Mann einen Sack von einer Brücke wirft, in dem Sack bewegt sich etwas. Alessa ahnt Schlimmes und springt in den Fluss, erwischt den Sack, zieht ihn ans Ufer. In dem Sack ist eine Frau, und die Frau ist nun tot. Alessa ruft die Polizei, viel kann sie ihnen nicht erzählen, denn der Mörder hatte eine Kapuze auf, die des Ku-Klux-Klans.
Ja, wir befinden uns in den Südstaaten, hier trieb und treibt der Ku-Klux-Klan sein Unwesen. So auch der Mörder in „Ghost Street“, der den Klan wiederaufleben lassen will und eine Mordserie, die vierzig Jahre zurückliegt, kopiert. Verhindern wollen das neben Alessa noch die Polizisten Jenn und Harmon, eine sensationshungrige Reporterin – und ein Geist.
Man hat ja schon anderswo gelesen, dass die Südstaatler eine ganz spezielle Beziehung zu Geistern haben sollen, sie gehören quasi dazu. So gibt es in Savannah eine Ghost Street, die Touristen anziehen soll, und Alessa lebt in einem Haus, das einst einem Sklavenjäger gehörte und in dem es deswegen spuken soll. Als Alessa am Ende eines langen Tages David beinahe über den Haufen fährt, fühlt sie sich sofort zu ihm hingezogen. Sie begegnet dem jungen Mann wiederholt, er spielt ihr Hinweise zu den Klan-Morden zu, weiß über Vergangenes Bescheid, als wäre er dabeigewesen …
Ein sehr irdisches Gegengewicht zum Geisterhaften ist Polizistin Jenn, die zwar eher zierlich ist, sich jedoch mit Wort und Tat (und ihrer Waffe) gut durchsetzen kann. Sie wurde von Chicago nach Savannah versetzt und scheint ein großes Päckchen mit sich herumzutragen, sie ist 100 % Cop und macht auch mal die Nacht durch, wenn sie einen Dealer beschatten soll und sich am Morgen neue Spuren in der Mordserie ergeben. Bei dem ersten Opfer, dessen Ermordung Alessa beobachtet hat, bleibt es nicht. Der Leser wird Zeuge weiterer Morde. Zwischen Leben und Tod liegt nur ein Wimpernschlag, und ich bin mir nicht sicher, ob die Schilderung der Morde nun enorm realistisch (also nicht dramatisch, theatralisch, sondern simpel und trist) oder zu sehr „im Vorbeigehen“ und oberflächlich ist …
„Ghost Street“ ist ein gutes Jugendbuch, denn es weckt die Geister der Vergangenheit und bringt damit den Lesern ein unrühmliches Kapitel der US-amerikanischen Geschichte nahe. Das geschieht auf eine unterhaltsame und gar nicht moralisiernde Art, da der Kriminalfall und eine Art Liebesgeschichte im Vordergrund stehen.
Autor des Buches ist Thomas Jeier, der neben dem Pseudonym Josh Ericson auch noch unter dem Namen Christopher Ross veröffentlicht. Seine Publikationsliste ist beachtlich, über 100 Romane und Sachbücher hat er geschrieben, die zum Großteil in Nordamerika spielen.
Josh Ericson: Ghost Street
ab 14 Jahren, 304 Seiten
14,95 Euro
Ueberreuter
ISBN: 978–3‑8000–5642‑2