Soso, das böseste Buch aller Zeiten

Mit Speck fängt man Mäuse, und mit Buchtiteln Leser. So in etwa kann das schon funk­tio­nie­ren, wenn das Cover noch stimmt und der ers­te Leseeindruck nicht völ­lig abschreckt.

Nehmen wir also „Das böses­te Buch aller Zeiten“ von Magnus Myst in die Hand. Der Schutzumschlag ist schwarz und glänzt, man bekommt Lust, mit fet­ti­gen Fingern ordent­lich Abdrücke zu hin­ter­las­sen (wie kin­disch). Rot gibt es auch auf dem Cover, es ist die Farbe des Totenkopfs, der nicht feh­len darf, und von den Buchseiten scheint es blu­tig zu trop­fen. Sehr gruslig.

Das Buch will mit mir reden. „Neugierig? Dann soll­test du umblät­tern!“ – so emp­fängt es mich auf der ers­ten Seite. Schon raf­fi­niert. Wer blät­tert da nicht um? Ich will das Buch ja lesen, also geht es wei­ter. Und ich lan­de mit­ten in einer Schule. Nun, eine Akademie ist es, immer­hin. Die „Schwarze Akademie“. Ist ja auch das böses­te Buch aller Zeiten, da kann es nicht die Hinz-und-Kunz-Akademie sein. Die Lehrer wol­len den Schülern „die ver­bo­te­nen Regeln der Bösartigkeit leh­ren und mit Dämonen, Runen, magi­schen Waffen und schwar­zen Geheimcodes ver­traut machen“.

An die­ser Stelle eine ganz kur­ze (und damit eigent­lich unech­te) Abschweifung Mythenmetzscher Art: Magnus Myst wird man im Telefonbuch oder in der Wikipedia ver­ge­bens suchen, denn das ist ein wasch­ech­tes Pseudonym, wie es in letz­ter Zeit schein­bar mit wach­sen­dem Vergnügen in Büchern für Kinder und Erwachsene ver­wen­det wird. Wer Ulysses Moore bzw. der Autor der Zeitreise-Reihe tat­säch­lich ist und wer hin­ter Pseudonymous Bosch („Der Name die­ses Buches ist ein Geheimnis“) steht, ist mitt­ler­wei­le bekannt. Magnus Myst dage­gen hält sich wei­ter bedeckt, obwohl mit dem „Bösesten Buch aller Zeiten“ schon das drit­te Buch von ihm erschie­nen ist. Auf der Verlagsseite wird das Spiel mun­ter wei­ter betrieben:

Wir wis­sen nicht, um wen es sich han­delt. Seit es ihm auf uner­klär­li­che Weise gelun­gen ist, „Das Böse Buch“ in unser Programm zu schmug­geln, rei­ßen die mys­te­riö­sen Vorfälle im Haus nicht mehr ab. Sollten Sie Informationen über die­sen Autor haben, hel­fen Sie uns bit­te, dem Spuk ein Ende zu berei­ten. Er bezeich­net sich selbst als „Magier“ – und wir alle wis­sen schließ­lich, dass es so etwas nicht gibt. (Ueberreuter)

Nun gut, war­um nicht. Namen sind doch nur Schall und Rauch, also Ende der Abschweifung und zurück zum Buch.

Das Buch hat, wie im Zitat ange­klun­gen, Vorgänger, zwei an der Zahl: „Das böse Buch“ sowie „Das ver­bo­ten gute Buch“. Beide habe ich nicht gele­sen, und das muss auch nicht sein, das „Böseste Buch“ bezieht sich nur an ein-zwei Stellen auf sie.

Als Leserin spie­le ich im Buch mit, irgend­wie. Die Figuren reden direkt, wer gera­de spricht, ist aus unter­schied­li­chen Schriftarten, die sich in der Farbe, Breite, Höhe usw. unter­schei­den, sowie aus gegen­sei­ti­gen Namensnennungen ersicht­lich. Die Geschichte läuft unmit­tel­bar ab. Der Leser bzw. die Leserin ist als „Meo“ dabei, wird nach der Meinung gefragt, zum Antworten („Hey, Meo! Da bist du ja wie­der! Und, wie war’s? Was habt ihr bespro­chen?“) und Mitmachen auf­ge­for­dert. Würde mich inter­es­sie­ren, ob Kinder ab 10, für die das Buch gedacht ist, das wirk­lich tun, ich olle Spielverderberin konn­te mich jeden­falls beherrschen.

Verschiedene Lehrer hal­ten der Reihe nach ihre Stunden und brin­gen einem klei­nen Kreis von Schülern diver­se Dinge bei, dabei müs­sen die Mädchen und Jungen auch Prüfungen able­gen. Die Hexe Lady Montag führt die Kinder in die Schwarze Magie ein, Master Marcus hält Lektionen zur Astralen Aura und zur Schwarzen Mentalmagie, Hexenmeister Feng Shu lehrt sie eine Geheimsprache, den Chaos-Code, und erklärt ihnen „Runen und Symbole mit magi­scher Wirkung“; die Fee Saaja erzählt ihnen die „Vier Grundregeln der Bösartigkeit“, ja, auch Schwarzmagier soll­ten sich an gewis­se Regeln hal­ten, aber die ver­ra­te ich jetzt nicht. Krull, Professor für Dunkle Mächte, über­wacht eine Prüfung, bei der die Schüler sich gegen­sei­tig ver­ra­ten sol­len und berei­tet sie auf die letz­te vor: Sie müs­sen den „Seelenspruch“ auf­sa­gen, um wei­ter an der Schwarzen Akademie ler­nen zu kön­nen. Natürlich hat die Sache einen Pferdefuß, und wie alles endet, kann man im Buch nachlesen.

Bei den Lektionen und Prüfungen dürf­te so man­cher Leser den­ken, dass er „zau­bern“ kann. Als Schwarzmagier hat man auch net­te Berufsaussichten, so kann man zum Beispiel stein­reich wer­den, indem man die inter­na­tio­na­len Finanzmärkte mani­pu­liert, wie es der Vater eines Schülers tut. Menschen dage­gen, „die nicht der Magie fähig sind und auch nicht das gerings­te Interesse dafür zei­gen“, die auf nichts neu­gie­rig sind und nur jam­mern, nör­geln und meckern, nennt Mister Magnus Myst „Pinks“. Warum? Keine Ahnung.

Das Buch ist schön gemacht, ein wenig auf düs­ter getrimmt, die Erzählform ist unge­wöhn­lich in ihrer Direktheit; man kann ihr gut fol­gen, sie bringt es jedoch mit sich, dass die Figuren rela­tiv ober­fläch­lich blei­ben, was nicht wei­ter stö­ren muss. Es ist ein Buch für Kinder ab 10 Jahren, und dem­entspre­chend muss man den Titel als even­tu­ell besorg­te Mutter oder besorg­ter Vater nicht all­zu ernst neh­men, die meis­ten Kinderbücher mit einer rea­lis­ti­schen Geschichte sind „här­ter“. Wer kei­ne Hemmungen hat, an einem Buch her­um­zu­schnip­peln, kann sich am Schluss noch die Rettungsrune, den Fluchbrecher usw. aus­schnei­den. Für Leute, die Harry Potter nicht mögen, weil dort Magie betrie­ben wird, ist „Das böses­te Buch aller Zeiten“ schon mal nichts, auch wenn hier irgend­wie hand­fes­ter „gezau­bert“ wird. Es liest sich schnell, ist aber auch ein­deu­tig ein Buch für Kinder. Und jetzt fra­ge ich mich, wie ein vier­tes Buch von Magnus Myst wohl hei­ßen könn­te, denn wie will man „das böses­te Buch“ noch steigern?

Das böses­te Buch aller Zeiten
Magnus Myst
Jörg Hartmann (Illustrationen)
ab 10 Jahren
144 Seiten
16,95 EUR
Verlag Ueberreuter
ISBN: 978-3-8000-5615-6