Ich schlage Ellen Jacksons Buch „So lebten wir gestern, so leben wir heute. Kinder in den Jahrhunderten“ auf – elf Kinder sind auf der Umschlaginnen- und der ersten Seite zu sehen, fünf Mädchen und sechs Jungen, die auf einer Wiese vor Bäumen stehen; teils schauen sie den Betrachter an, teils einander. Um diese elf Kinder geht es in dem Buch, jedes hat zwei Seiten für sich. Auf einer erzählt das Kind von sich, auf der anderen sind ein paar historische Fakten zu lesen.
Das Buch setzt ein mit Stephan, einem Bauernsohn, der im Jahr 1000 in einem Dorf bei Münster lebt. Hier erfährt der Leser u. a., dass zu dieser Zeit das Jahr nicht am 1. Januar, sondern am 25. März begann. Weiter geht es mit Viviane, einer Klosterschülerin, Geoffrey, der Page bei seinem Onkel, einem Ritter, ist – durch die Jahrhunderte blättere ich, bis ich zum letzten Kind komme, Lukas Köhler aus München im Jahr 2000.
Die Kinder sind sieben bis zehn Jahre alt, stammen u. a. aus England, Holland, Schweden, der Schweiz. Am Neujahrstag 1000, 1100, 1200 und so weiter berichten sie von ihrem Tag und aus ihrem Leben. Geert aus Holland im Jahr 1300 ärgert sich z. B. über Maden in seinem Essen, die eigentlich der Küchenjunge hätte heraussuchen müssen. Unter den Fakten ist in diesem Jahr zu lesen, dass nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder zu der Zeit Bier tranken, da das Wasser ungenießbar war.
Man erfährt eine Menge interessanter Sachen, die man nicht unbedingt wissen muss, die einem aber die Zeit näherbringen und durchaus auch ein „Aha“ oder „Soso“ entlocken. So musste eine Schlukamerad von Henrik aus Kopenhagen im Jahr 1700 eine „Eselsmütze“ tragen, weil er eine Rechenaufgabe nicht lösen konnte. Und 1800 gab es schon falsche Zähne, das berichtet Anna, ein Mädchen aus der Schweiz.
1900 kommt der Leser langsam auf vertraute Pfade. In Charlotte Millers Leben gibt es Züge, Autos und Eiscreme, wobei die letzteren beiden Dinge noch recht neu sind. Lukas‘ Familie schließlich hat im Jahr 2000 eine Mikrowelle, telefoniert mit Lukas‘ Schwester in Australien, sieht fern usw. Dass Lukas am 1. Januar des Jahres Skateboard fährt, mit seinem Freund Kekse im Baumhaus nascht (Winter?) und mit seiner Mutter einkaufen geht (Feiertag?), ist schon etwas seltsam – vielleicht liegt es daran, dass das Buch ursprünglich 1998 in den USA erschien?
2011 hat der Annette Betz Verlag „So lebten wir gestern, so leben wir heute“ auf Deutsch herausgegeben. Empfohlen wird es ab fünf Jahren, ich denke aber, dass es eher etwas für Kinder ab sechs bis sieben Jahren ist. Zum einen sind die elf Kinder im Buch älter, und zum andern ist die Erzählweise für Vorschulkinder noch nicht so spannend, die historische Perspektive und die Fakten dürften sie teils nicht allzu sehr fesseln. Der Inhalt ist eher sachbuchmäßig, die Zeichnungen dagegen üppig und auf jeden Fall schon für Kleinere geeignet.
Jan Davey Ellis hat jedem Kind und seiner Zeit eine in sich geschlossene Zwei-Seiten-Bildgeschichte gezeichnet. Er greift auf, was das Mädchen oder der Junge erzählt, und nimmt den Leser mit in ein Klostergebäude, auf ein Schiff, in ein Bauernhaus usw., in die Lebenswelt der Kinder. Passend dazu, dass es elf in sich geschlossene ‚Kapitel‘ sind, hat er die jeweils zwei Seiten mit einem Rahmen versehen. Der ist bei jedem Kind anders, anderes Muster, andere Farben, einfach schön. Eine wunderbare Idee!
Am Schluss wird in einer „Notiz des Autors“ (eigentlich: Autorin) erklärt, warum das Jahr bis ins 16. Jahrhundert am 25. März begann – was eine „Käsewähe“ ist, muss der Leser dagegen selbst in Erfahrung bringen. ;) Fazit: Ein angenehm unaufgeregtes und informatives Kinderbuch mit schönen Zeichnungen, das Kindern einen ersten Eindruck vermitteln kann, wie ihre Altersgenossen in den verschiedenen Jahrhunderten gelebt haben.
So lebten wir gestern, so leben wir heute. Kinder in den Jahrhunderten
Ellen Jackson, Jan Davey Ellis
Annette Betz Verlag 2011
32 Seiten
12,95 Euro
ISBN: 978–3‑219–11473‑7