Jana Männig: Wie das „Kochbuch Oberes Erzgebirge“ entstand

Ein Kochbuch übers Erzgebirge ist natür­lich span­nend, wenn man im Erzgebirge lebt. Wenn es zudem anspre­chend rüber­kommt, sowohl auf den ers­ten Blick als auch nach eini­gem Blättern, haben der Verlag und die Autorin schon mal etwas rich­tig gemacht.

Das „Kochbuch Oberes Erzgebirge“ habe ich im Schwarzenberg-Blog bespro­chen (lesen) und nun noch der Autorin des Buches, Jana Männig, ein paar Fragen zu des­sen Entstehung gestellt. (Danke fürs Antworten!)

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Seit wann schreibst du Kochbücher?
Das Erzgebirgskochbuch war mein ers­tes Kochbuch über­haupt. Eigentlich
schrei­be ich Firmengeschichten, Fachartikel oder Fachbücher. Die haben aber
auch hin und wie­der mit Essen zu tun, wie mein Schokoladenbuch „Lauter süße
Sachen“ oder mein Filinchen-Büchlein.

Wie kam es zu die­sem Kochbuch?
Das ist eine unge­wöhn­li­che Geschichte. Meine Familie mütterlicherseits
stammt aus dem Erzgebirge und des­we­gen lie­gen auch die Wurzeln meiner
zahl­rei­chen Cousins und Cousinen hier. Meine Tante bekam eines der
Kochbücher aus der Edition Limosa in die Finger und hat­te die Idee, ein
sol­ches Kochbuch, nur eben über das Erzgebirge, an ihren Sohn in der Fremde
zu ver­schen­ken. Doch es gab keins. Sie erzähl­te mir davon und mein­te, ich
kön­ne doch im Verlag fra­gen, ob ich nicht ein Kochbuch zum Oberen Erzgebirge
schrei­ben sol­le. Dort lief ich offe­ne Türen ein. Wenn man so will, habe ich
das Buch nur für mei­nen jüngs­ten Cousin geschrieben. ;)

Warum Oberes Erzgebirge und nicht Erzgebirge?
Das Obere Erzgebirge – also die Gegend um Oberwiesenthal – ist mei­ne Heimat.
Ich woh­ne nun schon 25 Jahre in Leipzig und füh­le mich hier sehr wohl, aber
Heimat bleibt doch Oberwiesenthal!
Vom „Silbernen Erzgebirge“ gab es in der Edition Limosa schon ein Kochbuch,
aber eben kei­nes von „ganz oben“!

Von wem stam­men die Rezepte?
Ich habe das Kochbuch gemein­sam mit mei­ner Mutti, Bärbel Modes, geschrieben.
Sie ist Köchin. Viele Rezepte sind von ihr, eini­ge auch von mir, die
aller­meis­ten aber hat mei­ne Mutti bei Freunden, Nachbarn und Bekannten
eingesammelt.

Hast du alle Rezepte selbst getestet?
Ich sel­ber nicht, da ich mit dem Schreiben der Geschichten, der Rezepte und
der Suche nach den Bildern wirk­lich aus­ge­las­tet war. Aber mei­ne Mutti hat
einen Großteil nach­ge­kocht. Dann lief hier das Telefon heiß, weil Garzeiten,
Mengenangaben und Temperatureinstellungen ange­passt wer­den mussten.

Hast du ein Lieblingsrezept?
Ich lie­be die „Falschen Bratheringe“, wenn sie mei­ne Mutti macht, und auch an
„Buttermilchgetzen“ kom­me ich nicht vor­bei. Ansonsten natür­lich: Sauerkraut.

Wie lan­ge hast du an die­sem Kochbuch gearbeitet?
Da ich ja neben­bei auch noch im Brotberuf Unternehmensgeschichten schreiben
muss­te, zogen sich die Arbeiten am Kochbuch über etwa 9 Monate hin.

Von wem sind die schö­nen Fotos?
Um an die Fotos zu kom­men, habe ich extra eine Facebook-Seite eingerichtet
und mich mit zahl­rei­chen Erzgebirgsfotografen ver­netzt, die mir mit
unend­li­cher Treue und Geduld gehol­fen haben, mehr als 200 Fotos zu sammeln.
Die Philosophie des Verlages besteht näm­lich dar­in, mög­lichst vie­le Menschen
in die Entstehung des Buches ein­zu­bin­den und um die Bereitstellung von
Rezepten, Geschichten und Bildern zu bit­ten. So fin­det man Mitstreiter und
akqui­riert gleich­zei­tig Käufer. Ich muss sagen, das Konzept ging auf. Unsere
Helfer konn­ten das Erscheinen des Buches kaum erwar­ten. Zur Buchvorstellung
kamen jede Menge Leute und wir haben ewig geses­sen und signiert.
Heute tau­schen sich die Leser im Wartezimmer bei der Hausärztin über die
Rezepte aus. Mit so viel Begeisterung hät­ten wir nicht gerechnet.

Arbeitest du schon an einem neu­en Kochbuch?
Nein, ein Kochbuch habe ich gera­de nicht auf mei­nem Tisch, aber vielleicht
ergibt sich noch ein­mal die Gelegenheit.

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Jana Männig und Bärbel Modes: „Das Kochbuch Oberes Erzgebirge. Kulinarische Wanderung zwi­schen Greifensteinen und Fichtelberg“, Edition Limosa, November 2014, 160 Seiten, ISBN 978-3-86037-573-0, 19,90 Euro

„Lauter süße Sachen“

Adventszeit. Nikolaus ist über­stan­den, die Schokoladenvorräte sind auf­ge­stockt, (zu) viel davon ist bereits im Magen gelan­det. Wie gut, dass es zur Abwechslung mal um Schokolade auf Papier gehen soll: Auf mei­nem Schreibtisch liegt, noch ein­ge­schweißt, Jana Männigs „Lauter süße Sachen – Von Brockensplittern, Bambina & Hallorenkugeln. Die Schokoladenseite der DDR“. Das aus­ge­pell­te Buch riecht appe­tit­lich nach Papier und Druck. Mein Eindruck nach einem ers­ten Durchblättern: ange­neh­me, hel­le Farben, die Seiten sind luf­tig und über­sicht­lich gestal­tet, sehr vie­le Bilder, auf jeder Seite min­des­tens eins. Außerdem: gute, fes­te Papierqualität, Hardcover.

Buch auf, los gehts. (Räusper.) Noch ein Schokoladenbuch! Was soll das? Kommt hier wenigs­tens was Neues? Antwort im Buch: „Hier und jetzt geht es um Schokoladenproduktion auf deut­schem Boden – bes­ser noch auf Deutschem Demokratischem Boden! Nehmen Sie sich eine Tüte Knusperflocken mit und las­sen Sie uns weit zurückgehen!“

Knusperflocken. Alles klar? Das sind die­se klei­nen Spritzberge von Zetti, die ein Beweis dafür sind, wie lecker Ausschuss sein kann – denn neben Kakao gehört in die Knusperflocken auch Knäckebrot, das in Form von Knäckebrotbruch von der Burger Knäckebrotfabrik gelie­fert wur­de. Irgendwann reich­te der Bruch nicht mehr aus, so dass man zusätz­lich intak­tes Knäckebrot neh­men musste.

Geschichten wie die­se fin­det man nicht bei Wikipedia und im Web. Sie sind auch ein Grund dafür, war­um sich das Buch bes­tens in einem Rutsch lesen lässt. Wer lie­ber her­um­blät­tert und irgend­wo mit Schmökern anfängt, kann das eben­falls pro­blem­los tun, denn in den Kapiteln wird jeweils in sich geschlos­sen eine Schokofabrik (VEB Rotstern, VEB Halloren, VEB Zetti usw.) vor­ge­stellt oder ein Thema behan­delt, z. B. Werbung, Süßes für Diabetiker und Verpackungsgestaltung.

Was ich nicht wuss­te, nicht wis­sen konn­te, ist, wie breit­ge­fä­chert das Angebot an Süßigkeiten war, die in der DDR pro­du­ziert wur­den: Neben den heu­te noch bzw. wie­der bekann­ten Marken sind da Namen wie „Datschi“ (Vollmilchpralinen), „Honey“ (Schokoriegel), „Mon Plaisir“ (Pralinen) und „Roxe“ (Bonbons). Von Gummitieren über Schokoladenhohlkörpern bis Nougatriegel gab es eigent­lich alles – theo­re­tisch. Praktisch war vie­les nur für den Export bestimmt, lan­de­te nicht in den Kaufhallen, son­dern in Exquisit-Läden oder konn­te auf­grund Rohstoffmangels oder Produktionsvorgaben immer mal nicht pro­du­ziert werden.

Kakao war nicht nur in den Anfangsjahren der Produktion eine Mangelware, die gegen Devisen impor­tiert wer­den muss­te. Aber man war ja erfin­de­risch! So wur­de der Kakaogehalt in Schokoladen nach unten gedrückt und man such­te nach kakao­frei­en Alternativen. Das war die Geburtsstunde von Vitalade und Schlager-Süßtafel, Experimenten aus Erdnüssen, Mehl, Pflanzenfetten usw.

„Legionen von Jugendforscherkollektiven ver­dien­ten sich ihre Sporen bei der Erfindung von Ersatzstoffen, die die Herstellung von preis­wer­ten und den­noch lecke­ren Süßigkeiten ermög­li­chen soll­ten. Gelungen ist ihnen das nicht immer, aber im Falle der legen­dä­ren ‚Fruchtigen 12‘ schon!“

Was es im Buch noch zu erfah­ren gibt: Wie teu­er die Süßigkeiten waren, was es mit der lila Kuh des Ostens auf sich hat, was Nougatstangen mit Zigarrenpackmaschinen zu tun haben, seit wann es in der DDR Kaugummi und wei­ße Schokolade gab, was ein „Stielbonbon“ ist und vie­les mehr.

Fazit: Eine infor­ma­ti­ve und kurz­wei­li­ge Lektüre! Kleinkritelei: Manchmal hät­te es ein wenig aus­führ­li­cher sein kön­nen. Wie war das z. B. mit Zusatzstoffen, also Aromen und Co.? Was bedeu­te­te das Warenzeichen für Diabetikersüßigkeiten? Für mei­ne Begriffe gibt es zu vie­le Ausrufesätze, stel­len­wei­se ist der Stil etwas salopp („Weltkrieg Nummer Zwo“). Die Tabellen im Anhang mit gepunk­te­ten Linien sind auch leicht gewöh­nungs­be­dürf­tig, aber lang­wei­lig wir­ken sie dadurch schon mal nicht!

Wie der VEB Zetti zu sei­nem Namen kam, stand nicht im Buch, des­we­gen wen­de ich mich mal an Euch: Habt Ihr eine Idee? Für die über­zeu­gends­te (lus­tigs­te? krea­tivs­te?) Antwort gibt es eine Tafel Bambina (die auch aus dem Hause Zetti kommt) von mir.

Steckbrief:

„Lauter süße Sachen – Von Brockensplittern, Bambina & Hallorenkugeln. Die Schokoladenseite der DDR“
Jana Männig (Mitarbeit Uwe Hessel)
BuchVerlag für die Frau
November 2009
136 Seiten
14,90 Euro