„Verliebt, verlobt, verbockt. Meine türkisch-deutsche Traumhochzeit“ von Meltem Kaptan

Viel rosa Farbe, eine thea­tra­lisch-ver­zwei­fel­te Braut und als Titel „Verliebt, ver­lobt, ver­bockt“ – das Cover ist ja mal wirk­lich ein Hingucker und eine kla­re Ansage – hier wird’s komisch! –, dazu muss man gar nicht wis­sen, dass die Autorin, Meltem Kaptan, auch Schauspielerin und Comedienne ist. War mir vor­her nicht bekannt, ich fand ein­fach Cover und Klappentext span­nend und hab mich über­ra­schen lassen.

Los geht es mit einem Heiratsantrag im strö­men­den Regen in Prag, wei­ter mit einem Trauzeugen-Casting im Café über Brautkleidsuche, Abnehmterror und Familientreffen bis zum Finale, das theo­re­tisch die Traumhochzeit wäre, aber prak­tisch … nun ja. Das Paar, um das sich die Geschichte dreht, sind Leyla Güneş, Schauspielerin und Tochter tür­ki­scher Einwanderer, „gebo­ren in der Pumpernickelhochburg Gütersloh und auf­ge­wach­sen in der Mähdreschermetropole Harsewinkel-Marienfeld“, und Nils Bockheim, Rechtsanwalt, Fußballfan und „furcht­bar deutsch“, wie es im Klappentext heißt. Bei der Hochzeitsplanung läuft so eini­ges schief bzw. anders, als es sich die Braut vor­ge­stellt hat, denn sowohl ihre als auch Nils‘ Eltern mischen bei der Suche nach der Hochzeitsfeier-Location und der pas­sen­den Musik kräf­tig mit. Familie, Freunde und Co. stra­pa­zie­ren die Nerven des Brautpaars über­haupt ganz gewal­tig, kein Wunder, dass Leyla tags­über öfter am Rande des Wahnsinns steht und nachts von Albträumen geplagt wird.

Die Geschichte ist hem­mungs­los über­zeich­net und treibt das Thema tür­kisch-deut­sche Hochzeitsplanung auf die Spitze, dass es zum Lachen ist, aber es schwingt doch auch ein Quäntchen ech­te Verzweiflung (und ein paar ande­re Gefühle) mit. Wird das Paar es trotz allem bis zur Hochzeit schaf­fen oder las­sen sie es sich ver­bo­cken – vom „Schwiegermonster“, der Frutarier-Esoterik-Schwägerin oder dem tau­ben tür­ki­schen Onkel? Die rund 140 Seiten sind vol­ler komi­scher Situationen, Personen und Gespräche, aber nicht so, dass es einem auf den Geist gehen wür­de. Als Extra gibt’s noch Fußnoten, in denen vor allem tür­ki­sche Wörter und Wendungen über­setzt und kom­men­tiert wer­den, wer Fußnoten an sich nicht lei­den kann, soll­te die­se den­noch lesen, sonst ver­passt er was. Güle güle! (-> Fußnote Nummer 42, Seite 81)

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Meltem Kaptan: Verliebt, ver­lobt, ver­bockt. Meine tür­kisch-deut­sche Traumhochzeit
Lektorat: Nici Heinrichs
144 Seiten
Lappan Verlag 2016
ISBN: 978–3‑830–33440‑8
12,99 Euro

„Holt mich hier raus! T. Rolles unzensiertes Pannenprotokoll“ von Dina El-Nawab

Passt das Coverbild zur Geschichte? Ja, das Coverbild passt zur Geschichte, und zwar sehr gut. Die Geschichte ist ziem­lich durch­ge­knallt: Tobias Rolle, drei­zehn Jahre alt, Quasselstrippe und Sportfreak, hat mit sei­nen Freunden eine Wette lau­fen und stol­pert des­we­gen in ein Chemieexperiment, das für ihn haar­sträu­ben­de Folgen hat. Er tauscht näm­lich – unfrei­wil­lig! – den Körper mit sei­ner unschein­ba­ren, unsi­che­ren Chemielehrerin Frau Lunte.

Neu ist die Idee nicht, es gibt mit Sicherheit schreck­lich vie­le Bücher zum Thema Körpertausch, aber es wach­sen ja auch stän­dig neue Leserinnen und Leser nach, und für die kommt das Buch gera­de rich­tig. Tobias ist nach dem Körpertausch immer noch Tobias, bloß eben in einem frem­den Körper, und das zieht die Autorin des Buches, Dina El-Nawab, kon­se­quent durch. Tobias ist nicht plötz­lich geni­al in Chemie, er fühlt sich unter Lehrerinnen und Lehrern im Lehrerzimmer wie gehabt als Schüler, also fehl am Platz, kann mit einer eige­nen Wohnung (der von Frau Lunte) nicht all­zu viel anfan­gen usw. Weil das so ist, kommt er immer wie­der in brenz­li­ge bis pein­li­che Situationen und hat das Ganze bald ein­fach nur noch satt. Bloß dumm, dass Frau Lunte sich in Tobias‘ Körper ziem­lich wohl­fühlt und kei­ne Lust hat, in ihr eige­nes Leben mit einem auf­dring­li­chen Kollegen, einer unmög­li­chen Klasse und ande­ren Tiefschlägen zurückzukehren.

Was jetzt, Tobias? Er braucht Hilfe und fin­det die viel­leicht bei sei­nen Freunden Hugo (schlau mit Zahlen), Justus (schlau mit Wörtern) und Olli (Handyfreak), und Hannah aus sei­ner Klasse mischt auch noch mit, das ein­zi­ge Mädchen, das Tobias „nor­mal“ fin­det und mit dem er sich vor­stel­len könn­te, ins Kino zu gehen. Da Tobias sozu­sa­gen selbst erzählt und sein Lesepublikum immer mal direkt anspricht, kommt der gute alte Lesesog im Handumdrehen – und bleibt, weil die Geschichte ein­fach rasant, lus­tig, ver­rückt, auch mal nach­denk­lich und nicht völ­lig über­dreht ist, und weil die Autorin mit Wortwitz, Schlagfertigem und Tobias-schlau­en Wendungen nicht spart.

„Holt mich hier raus!“ gilt also nur für Tobias in sei­ner miss­li­chen Situation, aber nicht für die, die das Buch lesen, die dürf­ten die knapp 230 Seiten recht schnell durch­ha­ben. Aufgelockert wird der Text durch eini­ge Illustrationen und prä­gnan­te Kapitelangaben in Stempelform. Das passt, wackelt und hat Luft, wie es so schön heißt, und ist gute Körpertausch-Unterhaltung für alle ab zehn Jahren.

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Dina El-Nawab: Holt mich hier raus! T. Rolles unzen­sier­tes Pannenprotokoll
Illustrationen von Alexander von Knorre
Lektorat: Kathleen Neumann
240 Seiten
ab 10 Jahren
ueber­reu­ter 2016
ISBN: 978–3‑7641–5081‑5
14,95 Euro

„Greta und die magischen Steine“ von Paul Maar und Helga Bansch

Ruhige Farben, ruhi­ge Bilder, Ruhe strah­len auch die Worte aus: In „Greta und die magi­schen Steine“ geht es um ein Mädchen, des­sen Vater auf der Suche nach Gold übers Meer weg­ge­fah­ren und nicht wie­der­ge­kom­men ist, Greta und ihre Mutter kom­men nur gera­de­so über die Runden. Das Buch spielt in einer Zeit ohne Smartphone und Co., als nicht nur die Nächte, son­dern auch die Tage ruhig waren, zumin­dest in den Dörfern, nur die Stimmen der Menschen und die Laute der Tiere waren zu hören, wes­we­gen die „gehei­men Geschöpfe“ sich manch­mal den Menschen zeig­ten: Zwerge und wei­ße Gestalten, die Engel, Elfen oder Feen sein konnten.

Eines Tages kommt eine alte Frau zu Gretas Haus und erbit­tet Milch, die Gretas Mutter jedoch nicht ver­schen­ken, son­dern nur ver­kau­fen will, da sie jeden Pfennig brau­chen. Greta gibt der Frau heim­lich einen Becher Milch, wor­auf­hin die­se sie fragt, ob sie ihren Vater ver­mis­se und war­um sie ihn nicht suche: „Wenn du ihn nicht suchst, wird er nicht kom­men“, sagt die Frau.

Und so geht Greta mit dem Hund Karo zum Meer und war­tet dort. Wird ihr Vater zurück­keh­ren? Und wel­che Rolle spie­len die „magi­schen Steine“? Die ers­te Frage beant­wor­tet das Buch, doch vie­les ande­re bleibt offen, in der Schwebe, nichts wird erklärt, weil nichts erklärt wer­den muss. Wunderschön das Bild am Schluss, auf dem Karo der Hund lächelt, das rührt mich jedes Mal wie­der, die pure Freude, ohne aus dem Tier eine Karikatur zu machen. Helga Bansch schafft das, wenn man die Bilder anschaut, kann man sich kei­ne ande­ren zum Text vor­stel­len, die Illustratorin hat ihre ganz eige­ne Bildsprache, die mit dem Text, der Geschichte eine Einheit bil­det. Einfach, unauf­ge­regt, ruhig, aber vol­ler Tiefe.

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Greta und die magi­schen Steine
Text: Paul Maar, Illustrationen: Helga Bansch
40 Seiten
ab 5 Jahren
annet­te betz 2016
ISBN: 978–3‑219–11695‑3
14,95 Euro