Paul Gallico: „Vom mutigen Manxmaus-Mäuserich“

Das Buch ist alt, 1968 wur­de es erst­mals ver­öf­fent­licht, der Autor, Paul Gallico, ist schon 1976 gestor­ben, er war Jahrgang 1897. Die Neuausgabe ist 2015 erschie­nen und der Verlag wirbt damit, dass „Vom muti­gen Manxmaus-Mäuserich“ ein Lieblingsbuch von J. K. Rowling sei. Ich war also auf der einen Seite skep­tisch und rech­ne­te trotz allem mit einer ange­staub­ten, eher lang­at­mi­gen Story. Auf der ande­ren Seite war ich neu­gie­rig, des­we­gen wag­te ich mich dann doch an die­se Geschichte mit einem tie­ri­schen Helden, was sonst auch nicht unbe­dingt mei­ne ers­te Wahl ist.

Ich wur­de ange­nehm über­rascht. Man merkt der Geschichte nicht an, dass sie etli­che Jahrzehnte auf dem Buckel hat, sie ist wun­der­bar wit­zig und kurz­wei­lig erzählt. Man muss sich kei­nes­falls zum Weiterlesen zwin­gen, man will im Gegenteil wis­sen, wie es weitergeht.

Held der Geschichte ist eine Manxmaus, die ein­zi­ge, die es auf der Welt gibt. Ein Keramiker hat sie in einer betrun­ke­nen Nacht erschaf­fen. Der Mann stellt aus­schließ­lich Mäuse her und war der Meinung, in jener Nacht die per­fek­te Maus geschaf­fen zu haben, was sich am Morgen als Irrtum her­aus­stellt: Die „Maus“ ist blau, hat Ohren wie ein Kaninchen, lan­ge Läufe wie ein Känguru – und kei­nen Schwanz. In der nächs­ten Nacht wird die Keramikmaus leben­dig und geht auf eine aben­teu­er­li­che Reise.

Der Manxmaus-Mäuserich begeg­net Tieren und Menschen: unter ande­rem einem Habicht, einem Elefanten, einem ein­sa­men Mädchen, einem raff­gie­ri­gen Tierhändler … Und die meis­ten sind der Meinung, dass der Manxmäuserich frü­her oder spä­ter beim Manxkater lan­den wür­de, dies sei schließ­lich sei­ne Bestimmung. Das pas­siert auch, aber so viel sei schon mal ver­ra­ten: Im Titel heißt es nicht umsonst, dass der Manxmaus-Mäuserich mutig ist.

Einfach ein schö­nes Buch mit bun­ten Illustrationen von Linde Faas, die fabel­haft zur Geschichte passen.

Paul Gallico: Vom muti­gen Manxmaus-Mäuserich
Aus dem Englischen von Adolf Himmel, Originaltitel: The Mouse that knew no Fear
Illustrationen von Linde Faas
205 Seiten
ab 7 Jahren
2015 Urachhaus
ISBN: 978–3‑8251–7938‑0
15,90 Euro

„Kleiner Fuchs, großer Himmel“ von Brigitte Werner und Claudia Burmeister

In „Kleiner Fuchs, gro­ßer Himmel“ trau­ert der klei­ne Fuchs um sei­nen Opa, der gestor­ben ist. Die Bilder sind sehr anspre­chend und freund­lich, abwechs­lungs­reich mit schö­nen Farben. Wenn man nur die Bilder anschaut und nicht den Text liest oder hört, kommt eher kei­ne run­de Geschichte zusam­men, die Bilder bezie­hen sich sehr auf den Text, der wie­der­um rela­tiv kom­plex bzw. abs­trakt ist. Die Bilder, immer eins pro Doppelseite, zei­gen sich als eine Art Zwiegespräch, erst ein Bild vom klei­nen Fuchs, dann eins von sei­nem Opa. Dass der Fuchsopa tot ist, geht aus den Bildern nicht hervor.

Der Text ist für ein Bilderbuch sehr umfang­reich. Der klei­ne Fuchs begeg­net nach­ein­an­der ver­schie­de­nen Tieren, er erzählt ihnen, dass sein Opa tot ist, die Tiere wol­len ihn trös­ten und sagen ihm, sein Opa sei im Himmel und der GroßeLiebeFuchs, das GroßeLiebeEichhörnchen, die GroßeLiebeSchnecke usw. pas­se auf ihn auf. In der Nacht träumt der klei­ne Fuchs dann jeweils von sei­nem Opa im Himmel, um den sich der GroßeLiebeFuchs, das GroßeLiebeEichhörnchen usw. küm­mert. So kommt also oben erwähn­tes „Zwiegespräch“ der Bilder zustan­de, erst der klei­ne Fuchs im Gespräch mit dem jewei­li­gen Tier, dann der Fuchsopa im Traum, im Himmel.

Etwas anstren­gend fand ich, dass sich die­se Gespräche und die Träume so ähneln, die Sätze sind zum gro­ßen Teil gleich und nur an das jewei­li­ge Tier ange­passt. Ein ein­zi­ges Gespräch und ein Traum wären im Prinzip schon genug Stoff für ein Bilderbuch gewe­sen. Das kann man natür­lich auch so sehen, dass man meh­re­re Geschichten in einem Band hat. Man könn­te zum Beispiel jeden Abend zwei Doppelseiten vor­le­sen, ein Gespräch, ein Traum.

Für den klei­nen Fuchs ist es ein wenig ver­wir­rend, dass sich im Himmel so vie­le GroßeLiebeTiere tum­meln. Am Ende begeg­net er des­we­gen der wei­ßen wei­sen Eule, die über die­ses Problem nach­denkt und sagt, dass der Himmel über­all und das GroßeLiebeWesen alles und in allem sei. Der klei­ne Fuchs träumt danach, dass im Himmel Platz für alle ist und dass das GroßeLiebeWesen alle liebt – sei­nen Opa, ihn und „dich“, also den Leser oder die Leserin.

Die Geschichte dreht sich dar­um, wie der klei­ne Fuchs Trost fin­det. Trost scheint der Himmel und die Existenz eines GroßenLiebenWesens zu bie­ten. Doch tat­säch­lich – so mei­ne Interpretation – fin­det der klei­ne Fuchs doch Trost dar­in, dass er mit den ande­ren Tieren über sei­nen Opa redet, immer wie­der, über des­sen Vorlieben, Eigenheiten usw. Wozu der Himmel und das GroßeLiebeWesen? Mein Fazit: schö­ne Illustrationen, aber mit dem Text wer­de ich nicht so recht warm.

Die Geschichte gibt es auch als Hörbuch, gespro­chen von Nina Petri, mit Musik von Sebastian Hoch.

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Kleiner Fuchs, gro­ßer Himmel
Text: Brigitte Werner, Illustrationen: Claudia Burmeister
ab 5 Jahren
48 Seiten
2015, Verlag Freies Geistesleben
ISBN: 978–3‑7725–2793‑7
16,90 Euro

Hörbuch: Text von Brigitte Werner, Musik von Sebastian Hoch, Sprecherin Nina Petri, 45 Minuten Spielzeit, ab 5 Jahren, ISBN 9–783-7725–2794‑4, 12,90 Euro

Oliver Schlick: „So kalt wie Eis, so klar wie Glas“

Nach die­sem Buch sieht man Schneekugeln ver­mut­lich mit ande­ren Augen bzw. man schaut sie sich über­haupt erst mal rich­tig an. Denn Schneekugeln, also die­se Glaskugeln mit Innenleben, in denen Schnee rie­selt, wenn man sie schüt­telt, sind der Dreh- und Angelpunkt von „So kalt wie Eis, so klar wie Glas“. Die Geschichte um die­se ori­gi­nel­le Idee ist dicht und span­nend geschrie­ben, nach dem Lesen hat­te ich Lust auf mehr Bücher die­ses Autors, Oliver Schlick. Ich hof­fe also, da kommt bald Nachschub. ;)

Zur Geschichte: Cora, acht­zehn Jahre, erfährt erst nach dem Tod ihrer Mutter, dass sie noch Familie hat, im idyl­li­schen Ort Rockenfeld, wo seit Generationen exakt fünf Männer bzw. Frauen Schneekugeln fer­ti­gen dür­fen. Das sind kei­ne simp­len Schneekugeln, son­dern wah­re Kunststücke, ech­te Handarbeit. Cora zieht nach Rockenfeld und muss sich erst mal ein­le­ben: lau­ter neue Menschen, neue Schule – und wegen einer ganz spe­zi­el­len Schneekugel gesche­hen mit Einbruch des Winters selt­sa­me Dinge in Rockenfeld, Dinge, die nicht ratio­nal zu erklä­ren sind.

Das Buch hat eine sym­pa­thi­sche Heldin, mit der man mit­fie­bert, Nebenpersonen mit Macken, Ecken und Kanten, aber vor allem viel Herz, Gegenspieler sowie undurch­sich­ti­ge Charaktere, einen Unbekannten, des­sen Augen Cora nicht ver­ges­sen kann – sie alle sind in einem Beziehungsnetz ver­wo­ben, das die Geschichte trägt, gleich ob es um eine Wirklichkeit geht, wie wir sie ken­nen, oder eine mit fan­tas­ti­schen Elementen, die Spannung und ein wenig Grusel rein­brin­gen – mit blau­en Lichtern, über­ir­di­schen Erscheinungen und viel Kälte. Die fan­tas­ti­sche Ebene hat mini­ma­le Schwächen, aber unterm Strich ist das Buch von der ers­ten bis zur letz­ten Seite wun­der­ba­res Lesefutter.

Oliver Schlick: So kalt wie Eis, so klar wie Glas
384 Seiten
ab 14 Jahren
2015 ueberreuter
ISBN: 978–3‑7641–7043‑1
16,95 Euro