Abenteuer in einer anderen Welt: „Sternenkraut“ von Susanne Mittag

Bei die­sem Buch, „Sternenkraut“ von Susanne Mittag, hat­te mich das Cover ange­spro­chen: grün und schwarz, etwas ver­spielt, und auch der schö­ne Titel. Der Klappentext klang gut, und so war klar, dass ich es lesen muss­te. Es lan­de­te dann nicht als „rich­ti­ges“ Buch, son­dern als E‑Variante bei mir, kein Problem, dafür bin ich gerüs­tet. Aber ich hab beim Lesen ganz ein­deu­tig das Greifbare ver­misst, das Cover, das ich anfas­sen möch­te, die Seiten, die ich umblät­tern und auch mal rück­blät­tern will – es war kein voll­wer­ti­ges Leseerlebnis für mich, dem E‑Book fehlt ein­fach etwas. Oder kann sich jemand „Die unend­li­che Geschichte“ mit einem Kindle vor­stel­len, und „Tintenherz“ mit einem iPad statt des Buches?

Was für Bastian aus der „Unendlichen Geschichte“ Herr Koreanders Buchladen ist, ist für Stella aus Susanne Mittags „Sternenkraut“ der Blumenladen ihres Vaters. Hier fühlt die Dreizehnjährige sich wohl, ganz in ihrem Element. Am liebs­ten wür­de sie nur im Blumenladen ihre Freizeit ver­brin­gen, Freunde hat sie sowie­so nicht, Mädchen ihres Alters mit ihrer Vorliebe für „Glitzersteinchen und Haarbänder“ sind ihr ein Rätsel.

Stella lebt allein mit ihrem Vater, ihre Mutter ist gestor­ben, als das Mädchen zwei Jahre alt war. Sie scheint ein ganz nor­ma­ler Teenager zu sein, sie redet und ver­hält sich nicht anders – etwas unge­wöhn­lich ist nur ihr „grü­ner Daumen“ und die Tatsache, dass sie Walisisch spricht, was die Sprache ihrer Mutter gewe­sen sein soll. Doch als die Geschichte beginnt, erfährt Stella die Wahrheit über „ihr“ Walisisch, und es tritt ein frem­der, selt­sa­mer Mann – und mit ihm eine ande­re Welt – in Stellas Leben. Der Junge Kian ent­führt sie in die­se Parallelwelt, in der noch Pferdekutschen fah­ren, Gaslaternen Licht spen­den und die Menschen selt­sam alt­mo­disch geklei­det sind.

Um wie­der in ihre eige­ne Welt – und zu ihrem Vater – zurück­keh­ren zu kön­nen, muss Stella zuerst Kian zu den Unterirdischen beglei­ten, die etwas haben, das er drin­gend braucht – und das er ohne ihre Hilfe nicht bekom­men kann. Mit dabei sind der undurch­sich­ti­ge, dunk­le Faar und die Tierflüsterin Tasne. Mehr soll von der Geschichte nicht ver­ra­ten wer­den, mein Tipp: sel­ber lesen!

Das Buch ist span­nend und dicht geschrie­ben, es gibt kei­ne Längen. Ich hät­te mir sogar gewünscht, dass Susanne Mittag etwas aus­schwei­fen­der erzählt und ein paar Seiten mehr ver­fasst hät­te, für Fantasy-Verhältnisse ist „Sternenkraut“ sehr kon­zen­triert und fast sach­lich. Wenn ich sagen müss­te, ob das Buch mehr Kopf oder Herz sei, wäre mei­ne Antwort: mehr Kopf. Das fällt gera­de in Situationen auf, die eigent­lich emo­tio­nal abso­lut auf­ge­la­den sein müss­ten, aber tat­säch­lich eher nicht so rüber­kom­men, gleich, ob es um gro­ße Gefahren oder eine ein­schnei­den­de Familienangelegenheit geht.

Eine Botschaft hat das Buch, wel­che, sage ich an die­ser Stelle natür­lich nicht, aber sie ist nicht zu über­le­sen, denn sie wird am Schluss ein paar Mal expli­zit genannt. Das Ende ist rela­tiv offen, es feh­len ein paar Szenen, die der Leser doch erwar­tet hät­te, es sieht also sehr nach einer Fortsetzung aus. Die ich lesen wür­de, da ich ers­tens wis­sen möch­te, wie es mit Stella und ihren zwei Welten wei­ter­geht, und zwei­tens Susanne Mittags Schreibe sehr ange­nehm fin­de. Wenn sie ein wenig „epi­scher“ schrei­ben und auch mal rich­tig dick und gefüh­lig auf­tra­gen wür­de, ab und zu, dann wäre es (für mich) per­fekt. Und ein wirk­lich böser Bösewicht (ob nun sub­til oder vor­der­grün­dig) wäre eben­falls nicht verkehrt.

Also: ein emp­feh­lens­wer­tes, fes­seln­des Fantasy-Abenteuer mit einer ganz schön lebens­na­hen Heldin, die eher der boden­stän­di­ge Typ ist, aber eine beson­de­re Gabe hat, die sie in Schwierigkeiten (in eine ande­re Welt!) bringt – und ihr gleich­zei­tig neue Freunde und wich­ti­ge Erkenntnisse über ihre eige­ne Familie beschert.

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Susanne Mittag
Sternenkraut
ab 10 Jahren
Ueberreuter
208 Seiten
12,95 Euro
ISBN: 978–3‑8000–5649‑1

Mumpelmonster

Vor einer Weile bin ich bei Cocoschock auf das Mumpelmonster gesto­ßen. Mumpelmonster klingt natür­lich umwer­fend. Und so muss­te ich ein Mumpelmonsterheftabo abschlie­ßen und das Mumpelmonsterbuch kau­fen. Musste!

Alle zwei Monate gibt es das Mumpelmonsterheft, es ist so ein klei­nes, gänz­lich ohne Werbung und ohne die­sen Plastikschnickeldi aus China. Die Mumpelmonstergeschichten sind von Roland Brückner: die Worte und die Zeichnungen. Das Heft erscheint im Selbstverlag.

Das Jahresabo kos­tet 12 Euro, und dafür lie­gen dann sechs Heftchen im Briefkasten, auf die sich Kinder und Eltern freu­en dür­fen, ja, freu­en. Heft Nummer 24, das ers­te, das ich bekom­men habe, heißt „Drachenkampf“. Mumpelmonster und Flammenlilli spie­len Ritter (= Lilli) und Prinzessin (= Mumpel) und wer­den vom alten König auf die Reise geschickt, um Zaubergaben zu holen, dabei müs­sen sie es unter ande­rem mit einem Drachen auf­neh­men. Der Drache hat Nasenpopel aus Erdöl und gene­tisch mutier­te Hörner, so viel schon mal zum nicht vor­han­de­nen Bierernst der Geschichten.

Das Buch hab ich auch gleich gekauft, es ist qua­si ein Perpetuum mobi­le, eine Geschichte ohne Ende, das „Mumpelmonster Entscheide-dich-Buch“. Eltern und Kinder müs­sen nur ein biss­chen Energie ins Seitenumblättern und Lesen bzw. Vorlesen und Zuhören inves­tie­ren. Und anfan­gen kann man auch, wo man will.

Ich schla­ge also eine Seite auf, zum Beispiel Seite 5. Oben ist ein Bild, dann die Überschrift: „Mumpel wacht auf“. Darunter der Text und ganz unten: „Soll Mumpel jetzt kichernd ins Bad gehen und sei­nen Zahn put­zen (14) oder sich noch­mal ins Bett legen (12)?“ Die Zahlen ste­hen natür­lich für die Seitenzahl, mit der die Geschichte wei­ter­geht, zwei Möglichkeiten … Eine wun­der­ba­re Idee. Texte und Bilder stam­men gleich­falls von Roland Brückner.

Großer kleiner Abenteurer: „Ferdinands fantastischer Schulweg“ von Annette Boisnard und Nicolas Ancion

Gibt es das heu­te über­haupt noch? Ferdinand, der Held die­ses Buches von Annette Boisnard und Nicolas Ancion, ist zwar nicht viel grö­ßer als sei­ne Schultasche, doch er darf allein zur Schule gehen. Und sein Schulweg ist lang genug, um zahl­rei­che fan­tas­ti­sche Abenteuer zu erle­ben. Aber der Reihe nach …

Am Morgen packt Ferdinand – Dreikäsehoch mit Schiebermütze, blon­den Haaren und Knopfaugen – Essen, Trinken und sein Kuscheltier in sei­ne Schultasche. Das Kuscheltier sieht aus wie ein Zipfeltaschentuch, Knoten oben, Augen, Nase, Mund und Arme – mal kein Teddy, Tier oder eine Puppe, auch schön!

Und los! Jedes Abenteuer ist auf einer Doppelseite dar­ge­stellt, und zwi­schen den bei­den Seiten ist noch mal eine Dreiviertelseite ein­ge­fügt. Erst sieht man eine ganz all­täg­li­che Situation, wenn Ferdinand  zum Beispiel die Oma mit dem klei­nen Hund trifft. Dann schlägt man die Dreiviertelseite um – und Ferdinand kämpft als muti­ger Ritter gegen einen grau­si­gen Drachen (der das Halsband des Hundes trägt, aber sonst nichts mehr mit ihm gemein hat). Und so geht es wei­ter: Mit sei­ner Fantasie schlit­tert Ferdinand in die präch­tigs­ten Abenteuer!

Die Bilder sind bunt und pep­pig, gut gefüllt mit Gegenständen und Leuten, aber doch auf­ge­räumt genug, um nicht den Überblick zu ver­lie­ren. Die Worte sind nicht so wich­tig: Jedes Abenteuer hat höchs­tens fünf Zeilen Text, meist sind sie sehr kurz. Es ist also ein Buch, das man natür­lich vor­le­sen kann, das aber auch per­fekt zum Allein-Anschauen für die Kinder geeig­net ist, denn die Geschichten erzäh­len sich qua­si von selbst. Was ja bei Bilderbuchgeschichten auch nicht immer so ist.

Schön sind die Details: das Taschentuchknuddeltier, das sich mal ängst­lich ver­steckt, und mal Ferdinand bei­steht; und auch der Hintergrund ver­än­dert sich, je nach­dem, ob Ferdinand Pirat ist oder gegen ein Ungeheuer kämpft …

Auf dem letz­ten Bild ist Ferdinand in der Schule ange­kom­men und erzählt sei­nen stau­nen­den Schulfreunden von sei­nen fabel­haf­ten Reisen. Ach, so ein Schulweg ist doch tau­send­mal bes­ser als im Auto oder im Bus zur Schule zu fahren!

„Ferdinands fan­tas­ti­scher Schulweg“ ist ein Bilderbuch ab fünf Jahren, das nicht nur Eltern gut fin­den (das hat man ja auch manch­mal, wenn es gar zu künst­le­risch-ambi­tio­niert wird bei­spiels­wei­se). Ein Testleserkind hat das Buch für sehr gut befun­den und zieht sich, wie man hört, des Öfteren damit zurück, um mit Ferdinand auf Abenteuerreise zu gehen …

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Ferdinands fan­tas­ti­scher Schulweg
Verfasser: Nicolas Ancion
Illustratorin: Annette Boisnard
ab 5 Jahren
22 Seiten
12,95 Euro
Verlag Annette Betz
ISBN: 978–3‑219–11493‑5