Rosa Rechtsteiner: „Familie im Gepäck“

Der Titel ist schon mal gut, er spricht mich an: „Familie im Gepäck“. Kurz, kna­ckig, aus­sa­ge­kräf­tig. Den Untertitel „Wie Sie sich aus alten Mustern lösen und zum eige­nen Leben fin­den“ fin­de ich eine Spur zu voll­mun­dig-ver­bind­lich. Die Autorin des Ratgebers, Rosa Rechtsteiner, ist Pädagogin und Kinesiologin („Kinesiologie“ in der Wikipedia: klick), sie berät Menschen zu allen mög­li­chen Problemen. Ihre Methode ist eine Kombination aus Genogrammarbeit und „ener­ge­ti­scher Stresslösung“, im Buch geht sie aus­schließ­lich auf ers­te­re ein.

Ein Genogramm ist ja so etwas wie ein Stammbaum, Personen wer­den durch bestimm­te Zeichen dar­ge­stellt und ihre Beziehung zuein­an­der durch Linien. Der Kreis steht für eine weib­li­che, das Viereck für eine männ­li­che Person usw. Die Genogrammarbeit sieht offen­sicht­lich so aus, dass Beraterin und Klientin zusam­men das Genogramm der Klientin erstel­len und schau­en, inwie­fern es Aufschluss über das Problem oder die Probleme gibt, zu denen sich die Klientin bera­ten lässt.

Im ers­ten Teil des Buches stellt die Autorin ihre These vor: dass wir – unbe­wusst – viel mehr von unse­rer „Sippe“, unse­rer Familie, unse­ren Ahnen beein­flusst wer­den, als wir das oft anneh­men. Im zwei­ten Teil schil­dert sie typi­sche Fälle aus ihrer Praxis, geglie­dert in die zwei Lebensbereiche Beruf und Karriere, Liebe und Beziehungen. In einem Extra-Kapitel geht es um die Auswirkungen von Krieg – Schuld und Traumata – bis in die Enkelgeneration. Rosa Rechtsteiner zeigt bei jedem Fall das Genogramm, skiz­ziert den Beratungsverlauf, nennt „Erkenntnissätze“, die mit den jewei­li­gen Klienten gefun­den wur­den, außer­dem for­mu­liert sie „Faustregeln“ und bie­tet der Leserin bzw. dem Leser des Ratgebers pas­sen­de Übungen.

Die Fälle lesen sich recht plau­si­bel und natür­lich ist nur von Erfolgen die Rede, wie das bei Ratgebern, die eine bestimm­te Methode pro­pa­gie­ren, ja sozu­sa­gen sein muss. Darauf kann man sich ein­las­sen – oder nicht. Auf jeden Fall macht das Buch neu­gie­rig und regt an, das eige­ne Genogramm zu erstel­len und neu über die Familie nach­zu­den­ken, die man selbst „im Gepäck“ hat. Könnte es einen Zusammenhang zwi­schen eige­nen aktu­el­len Problemen und Lebensweisen, Berufen, Süchten, trau­ma­ti­schen Erfahrungen usw. in der Sippe geben?

Rosa Rechtsteiner: Familie im Gepäck. Wie Sie sich aus alten Mustern lösen und zum eige­nen Leben finden
176 Seiten
2015 Patmos Verlag
ISBN: 978–3‑8436–0656‑1
14,99 Euro

Frank Egholm: „Das große Buch vom Schnitzen“

„Das gro­ße Buch vom Schnitzen“ ist eigent­lich recht hand­lich, aber mit sei­nen 200 Seiten und x‑Schnitzideen dann doch wie­der rich­tig groß. Am Anfang gibt es auf knapp drei­ßig Seiten eine klei­ne Einführung in das Schnitzen: die wich­tigs­ten Regeln, Informationen zum Messer, zum Holz und zu den Schnitztechniken. Dieser Teil ist genau­so kom­pakt und reich bebil­dert wie der „Rest“ des Buches, der aus Schnitzideen und ‑vor­schlä­gen besteht. Also nicht zu vie­le Worte und genau die Informationen, die man wirk­lich braucht.

Das Buch rich­tet sich an Kinder wie Erwachsene, an Anfänger und Fortgeschrittene. Die Schnitzanleitungen sind jeweils mit einem, zwei oder drei Sternchen gekenn­zeich­net, je nach Schwierigkeitsgrad. Die Vielfalt der Vorschläge ist groß: Tierfiguren, Spiele, Spielzeug, Schmuck, Deko, Küchenzubehör … Die Anleitung besteht immer aus drei Teilen: ers­tens ein paar all­ge­mei­ne Worte zum Schnitzobjekt, zwei­tens das benö­tig­te Material und drit­tens „So wird’s gemacht“. Die Fotos dazu sind klar, auf­ge­räumt und haben schö­ne, erd­ver­bun­de­ne Farben, wenn es kom­ple­xer wird, wer­den sie durch Skizzen ergänzt.

Es ist fas­zi­nie­rend zu sehen, was in Astgabeln, in Holz über­haupt, steckt. Zum Beispiel ein Küchenrollenständer, für den man einen Ast und eine Stammscheibe braucht, oben wird ein Gesicht mit Hut oder Mütze geschnitzt, der Ast mit der Scheibe ver­schraubt, even­tu­ell noch etwas Farbe drauf und fertig!

Das Wichtigste an einem sol­chen Schnitzbuch ist ja, dass es Lust aufs Schnitzen macht. Und das ist bei die­sem Schnitzbuch von Frank Egholm ganz klar der Fall. Es juckt einen in den Fingern, wenn man die geschnitz­ten Vögel sieht, die Pfeife aus Weidenrinde, die freund­li­chen Irrlichter (mit Lampionblumenblüten als Hut), den indi­schen Flitzebogen, die Wandhaken mit Pinocchionase … Man möch­te sofort anfan­gen zu schnit­zen. Na dann los!

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Frank Egholm: Das gro­ße Buch vom Schnitzen
Aus dem Dänischen von Patrick Zöller, mit Fotos von Per Rasmussen und Lillian Egholm
199 Seiten, gebunden
2015, Verlag Freies Geistesleben
ISBN: 978–3‑7725–2645‑9
24,90 Euro

„Tove Jansson. Die Biografie“ von Tuula Karjalainen

Manchmal braucht es wenig, damit ein Buch einen fängt, und bei die­ser Tove-Jansson-Biografie reich­te schon das Bild auf dem Cover. Das war also Tove Jansson, sieht sie nicht umwer­fend aus? Dieses Gesicht ist vol­ler Leben und irgend­wie ver­schmitzt, ich fin­de, da steckt viel Pippi Langstrumpf drin. Jedenfalls war ich neu­gie­rig: Wer war die­se Frau?

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Als Kind und spä­ter wie­der las ich die Mumin-Bücher, durch die Geschichten aus dem Mumintal wur­de Tove Jansson welt­be­rühmt. Letztes Jahr, 2014, hät­te sie ihren 100. Geburtstag gefei­ert, logisch, dass aus die­sem Anlass eine Biografie erschien. Geschrieben hat sie die fin­ni­sche Kunsthistorikerin und Autorin Tuula Karjalainen, die mit Leuten sprach, die Tove Jansson kann­ten, und natür­lich ihre Briefe, Notizbücher, Werke her­an­zog. Herausgekommen ist eine 350-Seiten-Biografie, die einen fes­selt, die auf Quellen fußt, sich aber nicht dar­in ver­liert, die ein­fach leben­dig ist.

Es war gar nicht leicht, das Buch aus der Hand zu legen, nach­dem die letz­te Seite umge­blät­tert war, die­ses Leben hat mich fas­zi­niert. Tove Jansson wur­de 1914 gebo­ren, sie leb­te in Finnland, Helsinki, sprach und schrieb jedoch Schwedisch. Ihre Eltern waren Künstler, der finn­land­schwe­di­sche Vater Bildhauer, die schwe­di­sche Mutter Illustratorin. Tove Jansson arbei­te­te zunächst als Malerin, Grafikerin, Karikaturistin. Erst deut­lich spä­ter begann sie zu schrei­ben, ihr ers­tes Mumin-Buch erschien 1945, das letz­te 1980, natür­lich stamm­ten die Illustrationen auch von ihr. Von 1952 bis 1959 zeich­ne­te sie für die Londoner Zeitung The Evening News Mumin-Comics, die für Erwachsene gedacht waren, sechs pro Woche. Ab 1968 schrieb sie Erzählungen und Romane.

Das Buch liest sich gut, weil die Schrift ordent­lich groß ist, nicht zu groß, aber vor allem nicht so klein wie in man­chen Biografien, in denen so viel wie mög­lich auf die ohne­hin schon sehr zahl­rei­chen Seiten gepresst wird. Das Buch liest sich gut, weil es vie­le Bilder ent­hält: Fotos von Tove Jansson und von Menschen, die ihr wich­tig waren, Werke von Tove Jansson – Gemälde, Comics, Karikaturen, Wandbilder, Selbstporträts. Und das Buch liest sich gut, weil die Verfasserin aus­ge­wo­gen auf Tove Janssons Arbeit und Werk, Leben und Zeit ein­geht, als Einheit sieht und zeigt: die Kindheit in der Künstlerfamilie, die Jugend in der Kriegszeit, die Entwicklung als Malerin, die Mumins, die Männer und die Lebensgefährtin Tuulikki Pietilä. Die Biografin hat sich tief mit Tove Jansson und ihrem Leben aus­ein­an­der­ge­setzt und bringt einem den Menschen und die Künstlerin nahe, aber sie geht nicht zu weit, sie lässt Tove Jansson eine Privatsphäre, wird nicht zu intim.

Besonders span­nend fand ich, dass Tove Jansson sich selbst und Menschen, die sie lieb­te, ins Mumintal geschrie­ben hat, teils ist das wohl recht ein­deu­tig: die Mutter, den Vater, die Lebensgefährtin … Das muss man natür­lich nicht wis­sen, wenn man die Muminbücher liest, aber ich emp­fin­de es als Bereicherung, das zu wis­sen. Eine Bereicherung – das gilt über­haupt für die­ses Buch, für die Biografie die­ser fas­zi­nie­ren­den Frau und viel­sei­ti­gen Künstlerin.

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Tuula Karjalainen: Tove Jansson. Die Biografie
Aus dem Finnischen von Anke Michler-Janhunen und Regine Pirschel
1. Auflage 2014
Hardcover
352 Seiten
ISBN: 978–3‑8251–7900‑7
Urachhaus
36 Euro