Krimis als heile Welt

Krimis sind eigent­lich ein Stück hei­le Welt. Es gibt einen Anfang und ein Ende, ein Opfer und einen Täter, man erfährt die Motive des Mörders, lernt die wich­ti­gen Akteure näher ken­nen, und die Seiten zwi­schen den Buchdeckeln haben ein Ziel: ein Verbrechen auf­zu­de­cken. Das ist doch eine hei­le Welt: in der man sich als Leserin nicht hilf­los fühlt, son­dern meint, einen gewis­sen Durchblick zu haben. In der man Menschen auf dem Tablett ser­viert bekommt, der ist so, die ist so. In der Verbrechen auf­ge­klärt wer­den, und irgend­wo im Hintergrund meist doch der Sinn mit dem Tuch winkt und sich noch nicht ganz ver­krü­melt hat.

Krimis. Ich bekam mei­nen ers­ten als Teenager geschenkt. Er lag ein Jahr lang her­um, die Geschichte reiz­te mich nicht. Dann nahm ich das Buch doch zur Hand – und konn­te es nicht mehr weg­le­gen. Es war eines der Lynley-Bücher von Elizabeth George. Später war da eine Freundin, die nach geta­ner Arbeit abends zur Entspannung Krimis las. Sie lieh mir Bücher von Henning Mankell, Donna Leon und wie sie alle heißen.

Nur von Krimis kann ein Büchermensch nicht leben, behaup­te ich, denn irgen­dann lang­weilt es einen doch: immer das glei­che Gerüst, immer ein Mörder, ein Täter und einer, der ermit­telt. Und so ganz stimmt es mit der hei­len Welt ja nun auch nicht, vie­le Autoren und Autorinnen sind recht krea­tiv, was die Art und Weise angeht, wie das Opfer oder die Opfer zu Tode kom­men. Ganz schön grau­sam, manch­mal, da ist der im Vorteil, der schnell liest und sich die Szenen nicht in aller Farbigkeit aus­malt. Doch es bleibt ein Roman, etwas, das kei­ne Realität ist. Die ist ja schon grau­sam und oft sinn­los genug.

Mühsam nährt sich das Eichhörnchen

Das kennt Ihr bestimmt: den Flyer, bei dem etwas über­schrie­ben oder über­klebt wur­de, die Visitenkarte, bei der die Adresse nicht mehr stimm­te, aber kei­ne neu­en gedruckt, son­dern die alten ver­bes­sert wurden.

Und dann hält man zum Beispiel einen Flyer in der Hand, kei­nen pri­va­ten, son­dern einen öffent­li­chen, auf dem ein Datum über­klebt wur­de, und man ver­sucht sich vor­zu­stel­len, wie jemand an sei­nem Tisch sitzt und Flyer für Flyer nimmt, ein klei­nes Aufkleberlein los­pappt, es appli­ziert und beschreibt …

Kleine, schlaue Kinder: „100 Dinge, die ein Vorschulkind können sollte“ von Birgit Ebbert

Schon ver­rückt, was Kinder alles so hin­be­kom­men, ohne dass sie viel dafür tun müss­ten. Sie wach­sen wie ver­rückt, von um die 50 cm auf 1 m inner­halb von vier Jahren; sie fan­gen mit Brabbeln an, pro­bie­ren sich an Wörtern und kön­nen bald gan­ze Sätze bil­den; sie wer­den genia­le Schauspieler, für die ein Eisverzicht eine Tragödie ist; sie neh­men ein­fach alles mit, was sie mitbekommen.

Und da hät­ten wir jetzt ein Buch von Birgit Ebbert, Diplompädagogin und Autorin, mit dem Titel „100 Dinge, die ein Vorschulkind kön­nen soll­te“. „Können soll­te“ ist ja ein schö­ner Ausdruck – es ist kein „Muss“, aber so ganz ohne Druck kommt das doch nicht daher. Bestimmt ist es ein Buchtitel, der Eltern ein­fängt. Um ihn etwas zu ent­schär­fen und die Dinge zurecht­zu­rü­cken, gibt die Autorin im Buch die­se Erklärung ab:

Wie ein­gangs bereits gesagt, sol­len die 100 Dinge auf kei­nen Fall eine Liste zum „Abhaken“ dar­stel­len, die Sie und Ihr Kind noch zusätz­lich unter Leistungsdruck setzt. Vielmehr will die­ses Buch Ihnen Mut machen, Ihr Kind zu för­dern. Dafür brau­chen Sie gar nicht viel: Schon wenn Sie Ihre Tochter oder Ihren Sohn im Alltag bei mög­lichst vie­len Dingen ein­be­zie­hen, för­dern Sie ganz neben­bei zahl­rei­che wich­ti­ge Fähigkeiten … (S. 129)

Es ist also alles gar nicht so schlimm, aber das fällt dem Neugierigen sowie­so auf, sobald er das Buch auf­ge­schla­gen und ein wenig dar­in her­um­ge­blät­tert hat. Warum? Ich grei­fe mal fünf von hun­dert Dingen, die ein Vorschulkind kön­nen soll­te, will­kür­lich heraus:

  1. Ein Bild beschreiben
  2. Die vier Jahreszeiten unterscheiden
  3. Eine Figur kneten
  4. Regeln ein­hal­ten
  5. Sich allei­ne beschäftigen

Das ist im grü­nen Bereich, oder?

Zum Buch: 144 Seiten, fünf Kapitel. Übersichtlich, hell und freund­lich gestal­tet, jedes Kapitel hat sei­ne Farbe. Im 1. Kapitel geht es all­ge­mein um die Entwicklung vom Kleinkind zum Vorschulkind, in den fol­gen­den vier Kapiteln sind die 100 Dinge auf­ge­lis­tet, the­ma­tisch  geord­net nach „Familie/Freunde“, „Körper“, „selbst­stän­dig wer­den“ und „in der Erwachsenenwelt zurecht­kom­men“. Es gibt vie­le Beispiele („die vier­jäh­ri­ge Lena …“, „der fünf­jäh­ri­ge Dennis …“) und ab und zu Kästen mit Informationen „Aus der Forschung“.

Ich spie­le jetzt Lostrommel und zie­he ein paar Tipps und Empfehlungen heraus:

  • Im Anhang ste­hen die Adressen von Nikolaus und Christkind. (Ich mer­ke gera­de, dass ich abso­lut noch nicht in Stimmung bin für so was. Weihnachten. Nee.)
  • Das muss ich bei nächs­ter Gelegenheit mal einer bestimm­ten Person zei­gen: Toben, wenn man ver­liert, ist nicht okay. Aber prot­zen, wenn man gewinnt, auch nicht. ;-)
  • Man soll­te sich von den Kindern ja hel­fen las­sen. Auch, wenns Arbeit macht … Aber wenn man sie um Hilfe bit­tet, was Birgit Ebbert emp­fiehlt – und sie kei­ne Lust haben? Nein sagen? Was dann? Dafür gibts lei­der kei­nen Tipp …
  • Erwachsenenbesteck schon ab 3 Jahren? Ehrlich? Ist schon noch biss­chen groß …

An dem Buch gefällt mir, dass es vie­le gute Anregungen gibt, Ideen zum Basteln, Spielen, auch zum Einbeziehen des Kindes in klei­ne­re Arbeiten im Haushalt. Was alles sinn­voll ist: Kerzen aus­pus­ten, Geschirr spü­len, Knöpfe sor­tie­ren, drei­ecki­ge Stifte benut­zen, Muster nach­zeich­nen …  Im Anhang sind die 100 Dinge (ich will immer 1000 tip­pen …) in einer Tabelle auf­ge­lis­tet und die jeweils zutref­fen­den „Entwicklungsziele“ mar­kiert (Riechen, Feinmotorik, Sprache usw.). Apropos Sprache: Manchmal setzt sich beim Lesen eines Buches ja ein Wort oder eine Wendung fest, man lau­ert mit der Zeit regel­recht dar­auf, ob es wie­der­kommt – hier ging es mir mit „je … umso“ so. Naturgemäß kommt das in einem Buch über die kind­li­che Entwicklung recht häu­fig vor. Je älter, umso schlau­er. Und jedes­mal bin ich drü­ber­ge­stol­pert, weil ich „je … des­to“ erwar­tet hätte…

Birgirt Ebbert: 100 Dinge, die ein Vorschulkind kön­nen sollte
Gräfe und Unzer
ISBN 978–3‑833–816819
August 2010
144 Seiten
14,99 Euro