„Girl in Black“ von Mara Lang

Lias Mutter ist ein „Seelenauge“, sie kann die Gefühle ande­rer Menschen lesen – und mani­pu­lie­ren, zum Guten wie zum Schlechten. Lia hat die­se Gabe geerbt, jedoch nicht gelernt, sie ein­zu­set­zen. Und so wird sie ins eis­kal­te Wasser gewor­fen, als ihre Mutter stirbt und Lia allein zurück­lässt in den Fängen ihres Stiefvaters, eines Mafiosos, der das Seelenauge für sei­ne schmut­zi­gen Geschäfte miss­braucht hat. Lia soll nun in die Fußstapen ihrer Mutter tre­ten und deren „Job“ über­neh­men. Doch Lia will frei sein und flieht aus Mailand, nach Berlin.

In Berlin hat sie die ers­ten drei Jahre ihres Lebens ver­bracht, aber sie kommt sech­zehn Jahre spä­ter als Fremde zurück, die nie­man­den kennt, kein Geld und kein Dach überm Kopf hat. Die Stadt bringt ihr Glück: Sie fin­det Menschen, die ihr hel­fen, einen Job in der Modebranche und einen Jungen, der sich von ihrer Tarnung als „Girl in Black“ nicht irri­tie­ren lässt. Also alles gut? Natürlich nicht, denn die Mafiosi sind hin­ter ihr her und bedro­hen Lias Umfeld, sie machen nicht halt vor Gewalt und sogar Mord. Und zwi­schen all dem muss Lia sich ent­schei­den, wie sie mit ihrer Gabe umgeht – will sie sich vor den Gefühlen ande­rer abkap­seln oder sich öff­nen und als Seelenauge ausleben?

Knapp 400 Seiten hat das Buch, des­sen glän­zen­des Cover sofort ins Auge fällt. Ich brauch­te ein biss­chen, um in die Geschichte rein­zu­fin­den, dafür konn­te ich mich spä­ter schwer davon tren­nen, fes­selnd! Das Buch ist dicht geschrie­ben, klei­ne Schwächen bei Story und Stil mögen die einen mehr, die ande­ren weni­ger stö­ren, mich haben sie nicht aus dem Lesefluss gewor­fen. Fazit: Wer sich auf die Mischung aus Mode, Mafia und Fantasyelement (die Seelenauge-Gabe) ein­lässt, wird gut unterhalten.

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Mara Lang: Girl in Black
Lektorat: Angela Iacenda
400 Seiten
ab 14 Jahren
ueber­reu­ter 2016
ISBN: 978–3‑7641–7063‑9
17,95 Euro

„Verliebt, verlobt, verbockt. Meine türkisch-deutsche Traumhochzeit“ von Meltem Kaptan

Viel rosa Farbe, eine thea­tra­lisch-ver­zwei­fel­te Braut und als Titel „Verliebt, ver­lobt, ver­bockt“ – das Cover ist ja mal wirk­lich ein Hingucker und eine kla­re Ansage – hier wird’s komisch! –, dazu muss man gar nicht wis­sen, dass die Autorin, Meltem Kaptan, auch Schauspielerin und Comedienne ist. War mir vor­her nicht bekannt, ich fand ein­fach Cover und Klappentext span­nend und hab mich über­ra­schen lassen.

Los geht es mit einem Heiratsantrag im strö­men­den Regen in Prag, wei­ter mit einem Trauzeugen-Casting im Café über Brautkleidsuche, Abnehmterror und Familientreffen bis zum Finale, das theo­re­tisch die Traumhochzeit wäre, aber prak­tisch … nun ja. Das Paar, um das sich die Geschichte dreht, sind Leyla Güneş, Schauspielerin und Tochter tür­ki­scher Einwanderer, „gebo­ren in der Pumpernickelhochburg Gütersloh und auf­ge­wach­sen in der Mähdreschermetropole Harsewinkel-Marienfeld“, und Nils Bockheim, Rechtsanwalt, Fußballfan und „furcht­bar deutsch“, wie es im Klappentext heißt. Bei der Hochzeitsplanung läuft so eini­ges schief bzw. anders, als es sich die Braut vor­ge­stellt hat, denn sowohl ihre als auch Nils‘ Eltern mischen bei der Suche nach der Hochzeitsfeier-Location und der pas­sen­den Musik kräf­tig mit. Familie, Freunde und Co. stra­pa­zie­ren die Nerven des Brautpaars über­haupt ganz gewal­tig, kein Wunder, dass Leyla tags­über öfter am Rande des Wahnsinns steht und nachts von Albträumen geplagt wird.

Die Geschichte ist hem­mungs­los über­zeich­net und treibt das Thema tür­kisch-deut­sche Hochzeitsplanung auf die Spitze, dass es zum Lachen ist, aber es schwingt doch auch ein Quäntchen ech­te Verzweiflung (und ein paar ande­re Gefühle) mit. Wird das Paar es trotz allem bis zur Hochzeit schaf­fen oder las­sen sie es sich ver­bo­cken – vom „Schwiegermonster“, der Frutarier-Esoterik-Schwägerin oder dem tau­ben tür­ki­schen Onkel? Die rund 140 Seiten sind vol­ler komi­scher Situationen, Personen und Gespräche, aber nicht so, dass es einem auf den Geist gehen wür­de. Als Extra gibt’s noch Fußnoten, in denen vor allem tür­ki­sche Wörter und Wendungen über­setzt und kom­men­tiert wer­den, wer Fußnoten an sich nicht lei­den kann, soll­te die­se den­noch lesen, sonst ver­passt er was. Güle güle! (-> Fußnote Nummer 42, Seite 81)

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Meltem Kaptan: Verliebt, ver­lobt, ver­bockt. Meine tür­kisch-deut­sche Traumhochzeit
Lektorat: Nici Heinrichs
144 Seiten
Lappan Verlag 2016
ISBN: 978–3‑830–33440‑8
12,99 Euro

„Holt mich hier raus! T. Rolles unzensiertes Pannenprotokoll“ von Dina El-Nawab

Passt das Coverbild zur Geschichte? Ja, das Coverbild passt zur Geschichte, und zwar sehr gut. Die Geschichte ist ziem­lich durch­ge­knallt: Tobias Rolle, drei­zehn Jahre alt, Quasselstrippe und Sportfreak, hat mit sei­nen Freunden eine Wette lau­fen und stol­pert des­we­gen in ein Chemieexperiment, das für ihn haar­sträu­ben­de Folgen hat. Er tauscht näm­lich – unfrei­wil­lig! – den Körper mit sei­ner unschein­ba­ren, unsi­che­ren Chemielehrerin Frau Lunte.

Neu ist die Idee nicht, es gibt mit Sicherheit schreck­lich vie­le Bücher zum Thema Körpertausch, aber es wach­sen ja auch stän­dig neue Leserinnen und Leser nach, und für die kommt das Buch gera­de rich­tig. Tobias ist nach dem Körpertausch immer noch Tobias, bloß eben in einem frem­den Körper, und das zieht die Autorin des Buches, Dina El-Nawab, kon­se­quent durch. Tobias ist nicht plötz­lich geni­al in Chemie, er fühlt sich unter Lehrerinnen und Lehrern im Lehrerzimmer wie gehabt als Schüler, also fehl am Platz, kann mit einer eige­nen Wohnung (der von Frau Lunte) nicht all­zu viel anfan­gen usw. Weil das so ist, kommt er immer wie­der in brenz­li­ge bis pein­li­che Situationen und hat das Ganze bald ein­fach nur noch satt. Bloß dumm, dass Frau Lunte sich in Tobias‘ Körper ziem­lich wohl­fühlt und kei­ne Lust hat, in ihr eige­nes Leben mit einem auf­dring­li­chen Kollegen, einer unmög­li­chen Klasse und ande­ren Tiefschlägen zurückzukehren.

Was jetzt, Tobias? Er braucht Hilfe und fin­det die viel­leicht bei sei­nen Freunden Hugo (schlau mit Zahlen), Justus (schlau mit Wörtern) und Olli (Handyfreak), und Hannah aus sei­ner Klasse mischt auch noch mit, das ein­zi­ge Mädchen, das Tobias „nor­mal“ fin­det und mit dem er sich vor­stel­len könn­te, ins Kino zu gehen. Da Tobias sozu­sa­gen selbst erzählt und sein Lesepublikum immer mal direkt anspricht, kommt der gute alte Lesesog im Handumdrehen – und bleibt, weil die Geschichte ein­fach rasant, lus­tig, ver­rückt, auch mal nach­denk­lich und nicht völ­lig über­dreht ist, und weil die Autorin mit Wortwitz, Schlagfertigem und Tobias-schlau­en Wendungen nicht spart.

„Holt mich hier raus!“ gilt also nur für Tobias in sei­ner miss­li­chen Situation, aber nicht für die, die das Buch lesen, die dürf­ten die knapp 230 Seiten recht schnell durch­ha­ben. Aufgelockert wird der Text durch eini­ge Illustrationen und prä­gnan­te Kapitelangaben in Stempelform. Das passt, wackelt und hat Luft, wie es so schön heißt, und ist gute Körpertausch-Unterhaltung für alle ab zehn Jahren.

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Dina El-Nawab: Holt mich hier raus! T. Rolles unzen­sier­tes Pannenprotokoll
Illustrationen von Alexander von Knorre
Lektorat: Kathleen Neumann
240 Seiten
ab 10 Jahren
ueber­reu­ter 2016
ISBN: 978–3‑7641–5081‑5
14,95 Euro