„Wortwächter“ von Akram El-Bahay

Auch das neue Kinderbuch von Akram El-Bahay führt auf direk­tem Weg in die Welt der Fantasie. Beziehungsweise in eine Welt wie unse­re, in der aller­dings fan­tas­ti­sche Dinge gesche­hen. Man bekommt schon einen ziem­lich kon­kre­ten Einblick, wenn man sich das schö­ne, sehr anspre­chen­de Buchcover genau­er anschaut: Die Helden sind zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, schät­zungs­wei­se elf, zwölf Jahre alt. Die Aufmachung des Covers ver­rät, dass die­se bei­den ein Abenteuer erle­ben, und dabei spie­len Bücher, eine gol­de­ne Feder und beschrie­be­ne Seiten eine Rolle. Das Abenteuer führt nach London zum Big Ben, nach Ägypten zur Sphinx, nach Paris in den Louvre zur Mona Lisa und nach Amerika zu den Präsidentenköpfen. Vielleicht sind das etwas zu vie­le Informationen? Vielleicht aber auch nicht, denn natür­lich pas­siert auf den 384 Seiten des Buches noch viel, viel mehr und die Frage ist sowie­so, wie das alles zusammenhängt.

Der Held des Buches ist Tom, zwölf Jahre alt, aus Deutschland, der die Sommerferien in England in Stratford-upon-Avon bei sei­nem Onkel David ver­brin­gen soll, den er vor­her noch nie getrof­fen hat. Seine Eltern holen in den sechs Wochen ihre Flitterwochen in Paris nach, sind also nicht vor Ort. Gleich am ers­ten Tag geht es mit Merkwürdigkeiten los, so ist das alte Häuschen in der Shakespeare-Stadt vol­ler Bücher und hat dafür weder Internet noch Computer noch Fernseher. Onkel David kann mit Tom nichts anfan­gen und hat einen selt­sa­men Diener, der Tom mit „gnä­di­ger Herr“ anspricht. Tom befürch­tet das Schlimmste, aber wenig über­ra­schend wer­den die­se Ferien das glat­te Gegenteil von langweilig.

Unter ande­rem, weil Onkel David ver­schwin­det, das Mädchen Joséphine auf­taucht und Tom eine Buchseite fin­det, die sich von selbst voll­schreibt mit Dingen, die gera­de erst pas­sie­ren oder die Tom denkt. Die Seite wird zu Toms stän­di­gem Begleiter bei der Suche nach einem magi­schen Gegenstand, den er für Onkel Davids Rettung benö­tigt. Auf der aben­teu­er­li­chen Reise um die hal­be Welt trifft Tom jede Menge inter­es­san­te bis fan­tas­ti­sche Leute und Wesen, die ihm hel­fen, bekommt es aber auch mit mäch­ti­gen Gegnern zu tun …

Ja, es geht um Bücher und Wörter, wel­che Welten sie eröff­nen und Macht sie (in fan­tas­ti­schen Geschichten) haben kön­nen. Dabei ist Tom kein Leser, er liest höchs­tens mal Sportzeitungen, heißt es am Anfang, ganz anders Joséphine, die Bücher ver­schlingt und all die bekann­ten Autoren (und Autorinnen) kennt. Tom hat es umge­ben von Lesebegeisterten stre­cken­wei­se nicht leicht, trägt das aber mit Fassung, was sym­pa­thisch ist, und auch sonst folgt man ihm gern bei die­sem span­nen­den, dicht geschrie­be­nen Abenteuer, bei dem ins­be­son­de­re Toms fan­tas­ti­sche Buchseite für das ein oder ande­re Grinsen sorgt. Ein schö­nes Buch, das Spaß beim Lesen und Lust aufs Lesen macht.

Akram El-Bahay: Wortwächter
Umschlagillustration: Maximilian Meinzold
Lektorat: Emily Huggins
384 Seiten
ab 11 Jahren
ueber­reu­ter 2018
ISBN: 978-3-7641-5118-8
14,95 Euro

„Henriette und der Traumdieb“ von Akram El-Bahay

Die Zwillinge Henriette und Nick ver­brin­gen ein paar Tage bei ihrer Oma, in deren Haus es unten einen Buchladen gibt, genau­er: ein Antiquariat. Betrieben von zwei älte­ren Herren, Herrn Punktatum und Herrn Anobium. Mit Herrn Anobium ist Henriette schon seit Jahren befreun­det, sie ver­bringt viel Zeit im Laden mit den alten Büchern, aber auch damit, dem Buchhändler von ihren Träumen zu berichten.

Ihre Träume ver­gisst Henriette nie, sie sind beson­ders leben­dig und schei­nen genau­so echt wie ihr Leben am Tag, wenn sie nicht schläft. Umso schlim­mer ist es für Henriette, als sie eines Morgens auf­wacht und nicht mehr weiß, was sie geträumt hat. Der Traum ist weg, spur­los. Als hät­te jemand ihn gestoh­len! Natürlich bespricht sie das mit Herrn Anobium, der ihr mit­hil­fe sei­ner alten dicken Bücher viel­leicht wei­ter­hel­fen kann. Unerwartete Hilfe kommt aber auch von Nick, der eines Nachts, als er träumt, eine Tür öff­net, in Henriettes Traum lan­det – und etwas beob­ach­tet, das Henriette auf die rich­ti­ge Spur brin­gen könnte …

Für Henriette und Nick beginnt ein Abenteuer in der Welt der Träume, in der sie selt­sa­me Orte wie den Nachtschattenwald sehen und tap­fe­re, kurio­se, lie­bens­wer­te, aber auch böse Gestalten tref­fen, wie die klei­nen Riesen, die Hexe, den Beduinenjungen Habib … Und nein, in die­sem Buch gilt nicht, dass Träume Schäume sind. Sie sind äußerst real und manch­mal sehr gefähr­lich – lebensgefährlich!

Sehr anspre­chend ist das Cover von „Henriette und der Traumdieb“, im Mittelpunkt das Mädchen Henriette und drum­her­um Sequenzen aus ihren Träumen. Die Buchseiten sind ziem­lich dick, die Schrift ist rela­tiv groß, also pri­ma für alle, die ger­ne Bücher anfas­sen und Seiten umblät­tern. Die Geschichte ist gut und dicht geschrie­ben, Langeweile kommt gewiss nicht auf. Mit Henriette und Nick gibt es zwei Erzählstimmen, denen man gern folgt. Eine klei­ne Liebesgeschichte ist auch drin, und die hät­te es mei­nes Erachtens nicht unbe­dingt gebraucht, aber das sieht die Zielgruppe – Leserinnen und Leser ab elf Jahren – womög­lich ganz anders.

Akram El-Bahay: Henriette und der Traumdieb
Lektorat: Emily Huggins
400 Seiten
ab 11 Jahren
ueber­reu­ter 2017
ISBN: 978-3-7641-5112-6
14,95 Euro