„Eiskaltes Erzgebirge“ von Danielle Zinn

Den Titel „Eiskaltes Erzgebirge“ kann man ruhig wört­lich neh­men, der Krimi spielt im Dezember, es liegt viel Schnee und schneit immer wei­ter und es ist, genau, eis­kalt in Crottendorf im Erzgebirge. Dort lebt seit einem Jahr Hauptkommissar Alexander Berghaus, nach einem trau­ma­ti­schen Erlebnis hat er das Morddezernat Dresden ver­las­sen. In Crottendorf ist er qua­si Dorfpolizist und somit zustän­dig, als auf der Ortspyramide auf dem Marktplatz eine Leiche gefun­den wird: kau­ernd, mit einem Degen in der Brust.

Das Buch hat zwei Vorgeschichten, die hier kurz erwähnt wer­den sol­len. Zum einen ist es bereits 2017 auf Englisch unter dem Titel „Snow Light“ erschie­nen. Autorin Danielle Zinn stammt aus Annaberg-Buchholz im Erzgebirge, hat jedoch in Großbritannien stu­diert und gear­bei­tet. Zum andern hat das Buch zwei Vorgänger, „Toter Schacht“ (2019) und „Kaltenhaide“ (2021) von René Seidenglanz, in denen Jan Berghaus und sei­ne Tochter Sascha im Erzgebirge in Kriminalfälle ver­wi­ckelt wer­den. Jan Berghaus ist der Halbbruder von Alexander Berghaus, in „Eiskaltes Erzgebirge“ kom­men er und sei­ne Tochter nur ganz am Rande vor.

Die ers­ten Seiten des Krimis fand ich etwas holp­rig, dann war ich aber schnell drin. Dass im Buch-Erzgebirge ein klir­rend kal­ter, schnee­rei­cher Winter herrscht, ist durch­aus fas­zi­nie­rend, im ech­ten Erzgebirge gab es das schon sehr lan­ge nicht mehr. Eine Idylle also durch­aus, ver­stärkt noch durch die weih­nacht­li­chen Schwibbögen in jedem Haus, an jedem Fenster. Alexander Berghaus scheint im Dorf ange­kom­men zu sein, er hat sich ein Haus nach sei­nen Wünschen saniert und gestal­tet, mit dem älte­ren Nachbarsehepaar ist er sehr gut befreun­det, sein bes­ter Freund lebt qua­si eine Straße wei­ter, wenn die­ser län­ger ver­rei­sen muss, wohnt die elf­jäh­ri­ge Tochter Anica bei Alexander Berghaus. Eine Lehrerin Anicas fin­det Berghaus äußerst anziehend …

Man erfährt rela­tiv viel über sein Privat- und Innenleben, so auch, dass er Kommissarin Anne Keller aus Dresden, mit der er im Pyramiden-Mordfall ermit­teln soll, nicht wirk­lich lei­den kann. Berghaus und Keller müs­sen sich natür­lich zusam­men­rau­fen, wenn sie her­aus­fin­den wol­len, wer der Mörder ist. Der Ermordete hat­te mit nie­man­dem im Dorf Kontakt, nie­mand scheint ihn zu ver­mis­sen, sein Name ist in kei­ner Datenbank. Wer ist er und war­um woll­te ihn jemand töten? Die Antwort gibts Schritt für Schritt auf über 300 Seiten, fal­sche Fährten inklu­si­ve. Der Fall zieht durch­aus wei­te Kreise, grenz­über­schrei­tend jeden­falls, betrifft aber auch Menschen, mit denen Alexander Berghaus tag­ein, tag­aus zu tun hat, Dorf eben.

Insgesamt eine soli­de Story, die sich gut liest. Hier und da knirscht es etwas, fehlt mir der letz­te Schliff. Das mögen ande­re aber anders emp­fin­den. Und es ist ver­mut­lich ein Blick auf das Erzgebirge, mit dem Leute aus dem Erzgebirge ein­ver­stan­den sein dürf­ten, zeigt es doch trotz Krimi, Mord, Schuld und Sühne eine Gegend, in der es sich gut leben lässt, und Menschen, mit denen man gut leben kann. Der Winter im Buch-Erzgebirge mag eis­kalt sein, der Mord eben­falls – das Buch-Erzgebirge ist es nicht.

Danielle Zinn: Eiskaltes Erzgebirge. Kriminalroman
Lektorat: Lothar Strüh
352 Seiten
2023 Emons Verlag
ISBN 978-3-7408-1845-6
14 Euro

„Bretonisch mit Aussicht“ von Gabriela Kasperski

Vermutlich gibt es nicht all­zu vie­le Krimis, in denen eine Buchhändlerin ermit­telt, die­se Idee hat Gabriela Kasperski umge­setzt und lässt nun auf „Bretonisch mit Meerblick“ den zwei­ten Fall für Tereza Berger fol­gen: „Bretonisch mit Aussicht“. Wobei „ermit­teln“ und „Fall für“ es nicht so ganz trifft, denn die Schweizer Buchhändlerin fin­det es zwar span­nend, dem ech­ten Vor-Ort-Kommissar Gabriel Mahon qua­si Konkurrenz zu machen, aber dass sie weder sei­ne Mittel noch sei­ne Expertise hat, ist ihr selbst klar. Was sie jedoch nicht davon abhält, auf eige­ne Faust Antworten zu suchen, als sie am Strand einen berühm­ten Toten ent­deckt und kurz dar­auf eine befreun­de­te, etwas geheim­nis­vol­le Nonne verschwindet.

Tereza Berger aus Zürich lebt mitt­ler­wei­le über ein Jahr in der Bretagne, auf der Halbinsel Crozon. Ursprünglich woll­te sie ein geerb­tes Haus schnell ver­kau­fen, statt­des­sen ist sie ein­ge­zo­gen, hat das Haus reno­viert und dar­in einen deutsch-eng­li­schen Buchladen eröff­net. Land und Leute las­sen sie nicht los – sie ver­tieft in Begleitung der Leserin, des Lesers Bekanntschaften und Freundschaften, lernt die Umgebung und ihre Geschichte und Geschichten bes­ser ken­nen, dies­mal ist ein klei­ner Einblick in die nicht all­zu fer­ne Vergangenheit rund um den Zweiten Weltkrieg inklusive.

Tereza – in den Vierzigern, lan­ge geschie­den und Single, mit zwei erwach­se­nen Kindern – weiß nicht so rich­tig, ob sie besag­ten Kommissar Mahon span­nend oder blöd fin­det. Kann man durch­aus nach­voll­zie­hen, denn der Kommissar ist rup­pig und ziem­lich maul­faul, viel­leicht kommt ja noch was Besseres? Terezas erwach­se­ner Sohn ist auch im Lande und hat in Liebesdingen offen­sicht­lich mehr Glück als sie. Allerdings ist Tereza der­ma­ßen beschäf­tigt mit dem Teilzeit-Ermitteln, dem Buchladen und tau­send ande­ren Dingen, dass sie eine Liebelei nicht wirk­lich zu ver­mis­sen scheint. Sie kommt gut allei­ne klar, hat kein Problem damit, Hilfe von and­ren anzu­neh­men, und ist sowie­so eher der bur­schi­kos-iro­ni­sche als der schwär­me­ri­sche Typ, was sich in einem sehr ange­neh­men Erzähl- und gera­de Gesprächsstil nie­der­schlägt. Hier sind also kei­ne ver­klär­ten, aus­schwei­fen­den Lobgesänge auf das lecke­re fran­zö­si­sche Essen und die schö­ne Landschaft zu befürch­ten. Das wird alles auch erwähnt und geschätzt, aber nicht übertrieben.

Terezas Rastlosigkeit zieht sich durch das Buch, es erschien mir etwas atem­los. Ist aber span­nend und kurz­wei­lig zu lesen und hält wei­ter­hin Frauen-Solidarität hoch, was ich abso­lut löb­lich fin­de. Der kri­mi­nel­le Part ist gut durch­dacht und etwas über­ra­schend gelöst, da blei­ben kei­ne Fragen offen. Andere dafür schon, womit klar ist, dass Tereza Berger wei­ter­macht und im nächs­ten Jahr wohl mit Band 3 zu rech­nen ist.

Gabriela Kasperski: Bretonisch mit Aussicht. Kriminalroman
Lektorat: Susann Säuberlich
288 Seiten
2021 Emons Verlag
ISBN 978-3-7408-1158-7
13 Euro

„Böse Wetter“ von Gesa Knolle

Ein guter Titel ist viel­leicht nicht die hal­be Miete, aber auf jeden Fall wich­tig. Was hat es mit „Böse Wetter“ auf sich? Im Bergbau steht „Wetter“ für die Luft im Bergwerk und „böse Wetter“ für Luft, die gif­ti­ge Gase ent­hält. Im Buch kom­men erz­ge­bir­gi­sche Stollen (nicht die zum Essen) vor, und es liegt auch etwas Böses (Giftiges?) in der Luft. Passt somit!

BKA-Sonderermittlerin Hannah Stein aus Wiesbaden macht sich auf den Weg ins Erzgebirge, da Geocacher in einem Wald an der tsche­chi­schen Grenze eine abge­trenn­te Hand gefun­den haben. Der Mensch zur Hand ist ver­schwun­den, aber es steht bereits fest, dass sie einem jun­gen Polizeimeister aus Aue gehört hat: Was ist pas­siert und wo ist der Mann? Das Polizeirevier Aue über­nimmt den Fall, die Leserin, der Leser folgt jedoch die gan­ze Zeit Kriminalhauptkommissarin Stein, die zwar im Ermittlerteam ist, aber haupt­säch­lich ihr eige­nes Ding durch­zieht. Sie scheint immer ziem­lich schnell zu wis­sen, mit wem sie kann und mit wem nicht, und die Auer Ermittler (es sind aus­schließ­lich Männer) schnei­den eher schlecht ab, der Ermittler von tsche­chi­scher Seite, Leutnant Jakub Novák aus Prag, umso besser.

Aue also. In Aue wohnt Hannah Stein wäh­rend der Ermittlung, hier hat der ver­miss­te Polizeimeister ein Haus und es fin­den sich etli­che Spuren. Wer sich in Aue gut aus­kennt, kann ver­glei­chen, wer nicht so gut, erkennt zumin­dest eini­ge Örtlichkeiten – Autorin Gesa Knolle hat sich in der Stadt offen­sicht­lich gründ­lich umge­schaut und auch umge­hört, Stichwort FC Erzgebirge Aue, Lokale, Joggingrunde. Sie ist Berlinerin und kennt nach Verlagsangaben die Erzgebirgsregion schon lan­ge. Ein Blick von außen dem­nach, mit Interesse, aber zugleich einer gewis­sen Distanz, so wie Hannah Stein auf­tritt und zunächst rüberkommt.

Sie ist zum ers­ten Mal in der Region und wegen des Falls stän­dig auf Achse, es ver­schlägt sie unter ande­rem nach Johanngeorgenstadt, Bad Schlema und Potůčky – und wie­der­holt in den erz­ge­bir­gi­schen Wald und in Stollen. Die Autorin gibt das ein oder ande­re zur Vergangenheit und Familie von Hannah Stein preis, doch im Zentrum des Krimis steht ganz klar der Fall. Er streift Themen wie Crystal-Meth-Handel, Neonazis, Stasi, Wismut und wirkt dabei weder künst­lich noch über­la­den, alles fügt sich recht plau­si­bel, authen­tisch und packend zusam­men. Quasi als posi­ti­ves Gegengewicht zu den pene­tran­ten Nazis von neben­an fun­giert die Schwarze Försterin Mechthild Roth, die mit ihrer Partnerin im Forsthaus mit­ten im Wald lebt und Hannah Stein auch beim etwas über­zo­ge­nen Showdown zur Seite steht.

Die Försterin weiß zu berich­ten, dass man­che Tiere im Wald sich in letz­ter Zeit merk­wür­dig ver­hal­ten, eine ande­re Person kennt eine Geschichte von einem Mann, der ver­schwand und von dem nur ein Ohr gefun­den wur­de. Neben einem „nor­ma­len“ Fall gibt es also noch etwas, das schwer greif­bar und leicht unheim­lich ist, und die­se Stimmung trans­por­tiert ganz gut das Buchcover mit den düs­te­ren Bäumen und dem grel­len Licht.

Wer Aue und Umgebung kennt, kann ver­trau­te Orte ent­de­cken und wird sich ver­mut­lich ab und zu fra­gen, wie rea­lis­tisch die Geschichte wohl ist. Keine Frage scheint dage­gen, ob Hannah Stein nach die­sem Fall wei­ter im Erzgebirge ermit­teln wird. Das Buchende sagt: ja.

Gesa Knolle: Böse Wetter. Erzgebirge-Krimi
Lektorat: Lothar Strüh
224 Seiten
2021 emons Verlag
ISBN 978-3-7408-1131-0
12 Euro