Das Buch ist schwarz, ganz schwarz, bis auf die Wörter, die auf einem Cover eben stehen müssen. Die beiden Buchdeckel sind ziemlich dick und sie sind an den Kanten nicht abgerundet, so hat das Buch etwas von einer Kladde, einem Notizheft. Das fasst sich gut an.
Wenn man das Buch aufschlägt, sieht man drei Wörter in Schwarz auf weißem Untergrund: „Für Unbefugte verboten“. Ich lese trotzdem. Erna Sassens Buch heißt „Das hier ist kein Tagebuch“. Es ist natürlich doch eins, das Anfang Februar beginnt und Ende April aufhört. Tag für Tag schreibt Bou, fast sechzehn Jahre alt, und zwar nicht freiwillig, sondern auf Anweisung seines Vaters. Jeden Tag soll er schreiben, was er gedacht, gefühlt, gemacht hat, außerdem eine Klassik-CD hören.
Vor fünf Jahren hat seine Mutter sich vor einen Zug geworfen. Fünf Jahre nach ihrem Tod hat Bou eine Art Kurzschluss, der ihn außer Gefecht setzt, er ist immer müde, ihm ist alles egal, er will nichts machen und nichts essen, er verlässt das Haus und größtenteils sein Bett nicht mehr. Bis sein Vater ihn zwingt, Tagebuch zu schreiben.
So schreibt er alles auf, seine Wut, Erinnerungen, über sich, über seine Mutter und ihre Krankheit – bipolare Störung –, über seine Ängste, über seine kleine Schwester Fussel, die er sehr liebt, über seine Mitschülerin Pauline, die er sehr mag, über Dinge, die schiefgelaufen sind.
Das liest sich sehr unmittelbar, das ist berührend, dabei gut auszuhalten, weil Bou durch das Schreiben wieder auftaucht. Es gibt eine positive Entwicklung, was schon wichtig ist, da das Buch ab vierzehn gedacht ist.
Nun hat das Buch kein Jugendlicher geschrieben, sondern eine erwachsene Frau, eine Autorin. Aber mir erscheint es recht authentisch, außerdem weder zu schwer noch zu seicht, und das ist bei diesem Thema – wie ein Kind bzw. Jugendlicher mit der psychischen Krankheit und dem Selbstmord eines Elternteils umgeht – wahrlich nicht leicht.
Erna Sassen: Das hier ist kein Tagebuch
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf, Originaltitel: Dit is geen dagboek
183 Seiten
ab 14 Jahren
2015, Verlag Freies Geistesleben
ISBN: 978–3‑7725–2861‑3
17,90 Euro