Trauern 2.0

Kann es sein, dass wir heu­te anders trau­ern als frü­her, dass es uns schwe­rer fällt zu akzep­tie­ren, dass jemand wirk­lich tot und weg ist? Oder war das schon immer so? Ich glau­be nicht. Denn eini­ges ist anders als vor, sagen wir mal, 100 Jahren. Ins Blaue hineingedacht:

  • Wir kön­nen schwe­rer los­las­sen, weil wir nicht an Gott und ein Leben nach dem Tod glau­ben. Ich kann mir vor­stel­len, dass gläu­bi­ge Menschen den Tod als Tatsache eher akzeptieren.
  • Familie und Freunde woh­nen oft sonst­wo, man sieht sich sel­ten. Schwer zu ver­ste­hen, wenn aus ‚weni­ge Male im Jahr‘ ein ’nie wie­der‘ wird.
  • Wir kon­su­mie­ren Filme, Bücher und alles mög­li­che im Web, das uns das Leben schön­re­det und Sinn hin­ein­impft: unsterb­li­che Liebe, Geister, die wiederkommen …
  • Wir sind Ich, nicht Wir. Wir neh­men es ‚per­sön­lich‘, wenn jemand stirbt, den wir lie­ben oder mögen, es kratzt an unse­rer Schale, an der Schutzhülle, mit der wir uns nach außen hin ver­rie­geln und vor den ande­ren abschotten.
  • Weil wir uns so viel mit uns selbst beschäf­ti­gen, stürzt es uns in eine Krise, wenn jemand stirbt, der uns nahe­steht. Wir haben sel­ten bis gar nicht mit dem Tod zu tun, und auf ein­mal kapie­ren wir, dass wir auch irgend­wann dran sind. Wir sind endlich.
  • Im Social Web ist der Tod nicht ein­ge­plant. Die Twitter-Timeline, das Facebook-Profil, E-Mails im Postfach, ein Blog, das Profil in einem Forum – wer außer einem selbst kennt die­se gan­zen Schauplätze, die Passwörter, wer löscht das?
  • Fotos, vie­le Fotos. Wir schau­en sie an und sehen den Toten leben­dig. Er könn­te gleich zur Tür her­ein­kom­men, er kann nicht tot und weg sein.
  • Zwischen Arbeit und Freizeitbeschäftigungen haben wir Zeit zum Luftholen, Nachdenken, Gedanken-Machen. Über Gott und die Welt und den Menschen, der tot ist. Wir las­sen ihn nicht los.

Aber muss man das?