Dresden

Im Juni war ich in Dresden. Ich mag die Stadt, wer hät­te das gedacht, als ich vor etli­chen Jahren vor der Entscheidung stand, dort oder in Leipzig zu stu­die­ren, und mich sehr, sehr schnell für Leipzig ent­schied. Leipzig ist eine Stadt vol­ler Erinnerungern für mich, an eine schö­ne Zeit. Der alte Campus mit Dozenten im Weisheitszahn und ohne futu­ris­ti­sche Kirchenaula, die Innenstadt mit mehr Gesicht und weni­ger Shoppingshoppingshopping.

Dresden kommt mir mitt­ler­wei­le span­nen­der vor. Vielleicht, weil ich dort noch nicht gewohnt habe. Oder weil es die­sen geschnie­gel­ten Teil vol­ler Barock und Touristen gibt, die Altstadt, dazu die übli­chen Vororte, die teils ganz schön am Boden sind, und dann die Neustadt, in der so vie­le jun­ge Leute mit Kindern her­um­ren­nen, dass man sich das für die eige­ne Stadt auch wünscht.

Ich hab ein paar Fotos von die­sen Tagen raus­ge­sucht. Wer noch nicht in Dresden war, soll­te das ruhig mal ändern. Und dann ein­fach loslaufen.

Kulturpalast

Blick auf Semperoper und Hofkirche vom Hausmannsturm

Höhenangst? Nö.

Richtung Frauenkirche, rechts der Fürstenzug

Altmarkt am Abend

Waldschlösschenbrücke, vom Dampfer aus

Foto von unten trotz Balkon-fällt-bestimmt-runter-Phobie

Neustadt ver­klärt

Wo kommst du her? „Suna“ von Pia Ziefle

„Suna“ ist eine Familiengeschichte, eine, die den Leser in ihren Sog zieht, ohne lan­gen Anlauf, man ist sofort drin, was an den wun­der­ba­ren ers­ten Sätzen liegt und an der Ich-Erzählerin, die ihrem klei­nen Kind ihre Geschichte, die Geschichte ihrer Familie, erzählt. Es sind star­ke Figuren und ihnen ist ein biss­chen Wunder gegönnt – neu ist das nicht, aber es wür­de feh­len, wenn die Autorin dar­auf ver­zich­tet hät­te: auf Intuition, leben­di­ge Träume und die­ses „Besondere“, wie man es aus man­chen Familiensagas kennt – dass zwei für­ein­an­der bestimmt sind, zum Beispiel, dass sie sich fin­den und erken­nen und zusam­men­blei­ben oder dass einem Paar ein letz­ter rich­ti­ger Abschied ver­gönnt ist, bevor einer für immer geht. Aber „Suna“ ist kein Märchen – selbst wenn die­se Familiengeschichte erfun­den sein soll­te, scheint sie doch wahr, und sie spielt in den ver­gan­ge­nen acht­zig Jahren: So wird die Mondlandung im Fernsehen ver­folgt und man liest, was der Krieg mit Frauen, Männern und Kindern macht, mit denen, die einem in „Suna“ ans Herz wach­sen. Gut und Böse sind nicht ein­deu­tig, wie das im Märchen meist so schön ist, Pia Ziefles Figuren sind viel­schich­tig. Und ob es ein Happy End gibt, ver­ra­te ich hier nicht.

Das Buch ist nicht dick, knapp über 300 Seiten, und die Schrift ist ange­nehm zu lesen, nicht zu klein. Auf die­sen 300 Seiten geschieht viel, das wäre durch­aus Stoff für einen rich­tig dicken Wälzer gewe­sen, doch dass die Erzählerin, Luisa, ihre Geschichte in sie­ben Nächten erzählt, setzt Grenzen – das gibt dem Ganzen Struktur und bringt Ordnung in ein Familienbeziehungsgewirr, in eine Familie, deren Mitglieder aus drei Ländern stam­men, Serbien, Türkei, Deutschland.

Das Kind, wel­ches die Geschichte erzählt bekommt, ist etwa ein Jahr alt, und es schläft nicht, es kommt nicht zur Ruhe. Eine „alte Seele“ habe es, meint der Dorfarzt, der nach der Hausgeburt das Kind unter­sucht und an den sich die jun­ge Mutter spä­ter ver­zwei­felt wen­det. Denn das Kind schläft nicht nur nachts nicht, es wächst auch nur zöger­lich. Ein Kinderarzt stellt eine Diagnose in den Raum und fragt nach der Familie – spe­zi­ell nach der Generation der Großeltern –, nach den Krankheiten, den Genen. Der alte Dorfarzt fragt eben­falls nach der Familie, doch aus ande­rem Antrieb. Die Mutter des Kindes, Luisa, müs­se sich mit ihrer Familie aus­ein­an­der­set­zen, meint er: Sie, die Tochter, „ ‚kann kei­ne Wurzeln schla­gen‘, sag­te er bedäch­tig. ‚Finden Sie Ihre‘ “. Was dadurch erschwert wird, dass Lusia adop­tiert ist und ihre leib­li­chen Eltern nicht kennt

Rund ein Jahr lang recher­chiert Luisa dann im Internet, in Familienpapieren und mehr, um end­lich in besag­ten sie­ben Nächten ihrer klei­nen, schlaf­lo­sen Tochter die Geschichte der Familie zu erzäh­len. Zweiter Weltkrieg, Gastarbeiter in Deutschland, Kalter Krieg, Krieg in Jugoslawien, die Italien-Urlaube der BRD-ler – dies und mehr ist ver­wo­ben mit der Familiengeschichte, von den Großeltern bis zur Ich-Erzählerin Luisa, die im „Jetzt“ lebt. Teils hat man das Gefühl, dass das alles ewig her sein muss, und dann leben die Großeltern doch noch, die alten Tanten, auch wenn sie wirk­lich alt sind. Ganz ver­schie­de­ne Lebensentwürfe und ver­schie­de­ne Menschen sind das, deren Leben sich zu einer Geschichte ver­ei­nen. Und zum Ende hin erfährt man auch, wer Suna ist und war­um das Buch nach ihr heißt.

„Suna“ ist ein schö­nes, ein berüh­ren­des Buch, am Schluss kom­men Tränen, es geht wohl gar nicht anders. Warum Tränen? Weil es viel­leicht eine Erlösung gibt, weil die Ich-Erzählerin viel­leicht zur Ruhe kommt und damit auch ihr schlaf­lo­ses Kind. Ein gutes Buch.

Pia Ziefle: Suna
Ullstein
304 Seiten
18 Euro
ISBN: 978–3‑550–08892‑6

Ampelmädchen

In Dresden gibt es Ampelmädchen. Und eine Straße mit zwei Fußgängerampeln neben­ein­an­der, die eine ist mit Ampelhutmann, die ande­re mit Ampelzopfmädchen. Ist aber nicht so, dass Männlein und Weiblein ent­spre­chend über die Straße gehen, und den meis­ten fällt das Ampelmädchen wahr­schein­lich gar nicht (mehr) auf. Die ers­te Ampel mit Ampelfrau bekam 2004 Zwickau, sagt die Wikipedia.

Bei mir ist die Ampel nach zwei Wochen Urlaub wie­der auf Grün für Arbeit – und fürs Bloggen. In den nächs­ten Tagen kom­men sicher ein paar Fotos. Und bit­te kei­ne Kommentare, dass ihr eure Ferien noch vor euch habt, das will ich jetzt gar nicht lesen. ;)