Achtung, die Muddeldings kommen! Ein Bilderbuch über chaotische Kinderzimmer von Katja Kiefer

Max ist eine Art Pippi Langstrumpf. Das merkt man nicht gleich, denn er sieht aus wie ein stink­nor­ma­ler Junge und lebt auch nicht allein in einer Villa, son­dern mit sei­nen Eltern im Haus. Er hat kein Pferd und kei­nen Affen, aber einen gro­ßen, zot­te­li­gen Hund namens Pepper. Und eines Tages beschließt er, nicht mehr auf­zu­räu­men, sich nicht mehr zu waschen und die Kleidung nicht zu wech­seln. Scheinbar kann Max tun und las­sen was er will , denn sei­ne Mutter sagt ihm zwar, dass er auf­räu­men soll, setzt sei­nem „Aufräumen? … Nö.“ aber nichts ent­ge­gen. Erstaunlich.

Dann kom­men die Muddeldings. Katja Kiefers Muddeldings haben nichts mit Joannne K. Rowlings Muggeln zu tun. Sie erin­nern eher an die drei lus­ti­gen Gesellen von Eno Raud. Sie sind zwar nicht klein­wüch­sig wie Halbschuh, Muff und Moosbart, haben aber auch leicht komi­sche Gesichter und tra­gen unde­fi­nier­ba­re Muffs, ärmel­lo­se, zot­te­li­ge Säcke, die vom Hals bis zu den Knien gehen. An die Feuersteins und deren Steinzeitumhänge könn­te man da eben­falls denken.

Die Muddeldings hal­ten, was ihr Name ver­spricht: Sie sind schmud­de­lig. Das ist auch Max‘ ers­ter Gedanke, als er sie sieht: „drei ver­wanz­te, schmud­de­li­ge, merk­wür­di­ge Irgendwas“. Der klei­ne Dicke mit der rie­si­gen Nase, der Lange und der Grunzer wer­den von Unordnung magisch ange­zo­gen und nis­ten sich in Max‘ Kinderzimmer ein. Sie zei­gen dem Jungen, was wah­re Unordnung ist, ver­wan­deln das Zimmer in einen unde­fi­nier­ba­ren Sachenbrei, in dem bald kei­ne Möbel, kein Oben und Unten mehr aus­zu­ma­chen sind.

Seinen Eltern erzählt Max, die Wesen sei­en „Freunde“, die ein paar Tage bei ihm woh­nen wür­den. Von Mutter und Vater kom­men kei­ne Einwände gegen die unan­ge­kün­dig­ten Gäste. Dass es sich um „Muddeldings“ han­delt, erfährt Max‘ Mutter von einer Nachbarin, die ent­setzt das Weite sucht, als sie den Langen und den Grunzer im Garten bei den Mülltonnen sieht.

Die Muddeldings sind Müllgourmets, sie essen alles, was sie in die Hände bekom­men, lie­ben Unordnung, stin­ken gräss­lich – und sie spre­chen, tun das aber eher sel­ten. Ihr Redensführer ist der Dicke, der Lange fut­tert vor allem und der Grunzer grunzt, spit­ze Zähne hat er auch. Woher sie kom­men und was sie den­ken, erfährt man nicht, sie sind wie eine Heuschreckenplage, die über ein Land her­ein­bricht und dann ein­fach da ist.

Max fühlt sich in dem Chaos ganz wohl – bis er in all dem Müll sei­nen Hund Pepper nicht mehr fin­det. Wie sich das für einen Langstrumpf-Erben gehört, hilft er sich selbst und ver­treibt zu guter Letzt die Muddeldings.

Illustrationen und Text die­ses Bilderbuches stam­men von Katja Kiefer. Die Zeichnungen erstre­cken sich jeweils über eine Doppelseite, sie sind klar und detail­liert, aber nicht über­la­den. Die Zimmerbilder nach Einfall der Muddeldings sind natür­lich chao­tisch, fast schon Wimmelbilder, auf denen man Max, Pepper, den Langen, den Kleinen und den Grunzer inmit­ten des Mülls suchen muss. Die Bilder illus­trie­ren nicht nur das, was im Text steht, sie sind eher eine Art Bühnen- bzw. Szenenbilder: Auftritt Muddeldings, Auftritt Nachbarin, Auftritt Eltern … Wenn man nur den Text hät­te, wür­de der sich teils abge­hackt lesen.

Wie alt Max ist, wird nicht ver­ra­ten. Er ist einen Kopf grö­ßer als sein Hund, aber ob er in den Kindergarten oder in die Schule geht, weiß man am Ende immer noch nicht. Das hät­te ruhig erwähnt wer­den kön­nen, auch, um das Ganze ein wenig zu erden und Max in einen Alltag außer­halb des Hauses ein­zu­bin­den. Dem Überspitzten in der Geschichte – Max‘ Auftreten und dem Nicht-Reagieren sei­ner Eltern – fehlt in mei­nen Augen etwas das ’nor­ma­le‘ , bra­ve Gegenüber, also die Rolle, die bei Pippi Langstrumpf Thomas und Annika aus­fül­len. In die­sem Buch hät­te das ein Freund von Max sein kön­nen, der das Kinderzimmerchaos ent­spre­chend kom­men­tiert oder eine klei­ne Schwester, die Max zum Beispiel sagt, dass er und sein Zimmer stin­ken und eklig sind …

In einem wei­te­ren Buch könn­ten die Muddeldings gern rich­tig Charakter bekom­men und ihre Muddelreise durch die Welt antre­ten – sie hät­ten das Zeug zu wah­ren (Anti-)Helden, wür­den womög­lich gar den Olchis das Wasser rei­chen, die ja auch nicht gera­de die sau­bers­ten und wohl­erzo­gens­ten Wesen der Kinderbuchwelt sind. Also, auf ein Neues?

Katja Kiefer
„Die Muddeldings – Chaos im Kinderzimmer“
32 Seiten
Lappan Verlag
Erschienen: 28.07.2011
ISBN: 978-3-8303-1182-9

Mit Kindern durch die Jahrhunderte: „So lebten wir gestern, so leben wir heute“

Ich schla­ge Ellen Jacksons Buch „So leb­ten wir ges­tern, so leben wir heu­te. Kinder in den Jahrhunderten“ auf – elf Kinder sind auf der Umschlaginnen- und der ers­ten Seite zu sehen, fünf Mädchen und sechs Jungen, die auf einer Wiese vor Bäumen ste­hen; teils schau­en sie den Betrachter an, teils ein­an­der. Um die­se elf Kinder geht es in dem Buch, jedes hat zwei Seiten für sich. Auf einer erzählt das Kind von sich, auf der ande­ren sind ein paar his­to­ri­sche Fakten zu lesen.


Das Buch setzt ein mit Stephan, einem Bauernsohn, der im Jahr 1000 in einem Dorf bei Münster lebt. Hier erfährt der Leser u. a., dass zu die­ser Zeit das Jahr nicht am 1. Januar, son­dern am 25. März begann. Weiter geht es mit Viviane, einer Klosterschülerin, Geoffrey, der Page bei sei­nem Onkel, einem Ritter, ist – durch die Jahrhunderte blät­te­re ich, bis ich zum letz­ten Kind kom­me, Lukas Köhler aus München im Jahr 2000.

Die Kinder sind sie­ben bis zehn Jahre alt, stam­men u. a. aus England, Holland, Schweden, der Schweiz. Am Neujahrstag 1000, 1100, 1200 und so wei­ter berich­ten sie von ihrem Tag und aus ihrem Leben. Geert aus Holland im Jahr 1300 ärgert sich z. B. über Maden in sei­nem Essen, die eigent­lich der Küchenjunge hät­te her­aus­su­chen müs­sen. Unter den Fakten ist in die­sem Jahr zu lesen, dass nicht nur die Erwachsenen, son­dern auch die Kinder zu der Zeit Bier tran­ken, da das Wasser unge­nieß­bar war.

Man erfährt eine Menge inter­es­san­ter Sachen, die man nicht unbe­dingt wis­sen muss, die einem aber die Zeit näher­brin­gen und durch­aus auch ein „Aha“ oder „Soso“ ent­lo­cken. So muss­te eine Schlukamerad von Henrik aus Kopenhagen im Jahr 1700 eine „Eselsmütze“ tra­gen, weil er eine Rechenaufgabe nicht lösen konn­te. Und 1800 gab es schon fal­sche Zähne, das berich­tet Anna, ein Mädchen aus der Schweiz.

1900 kommt der Leser lang­sam auf ver­trau­te Pfade. In Charlotte Millers Leben gibt es Züge, Autos und Eiscreme, wobei die letz­te­ren bei­den Dinge noch recht neu sind. Lukas‘ Familie schließ­lich hat im Jahr 2000 eine Mikrowelle, tele­fo­niert mit Lukas‘ Schwester in Australien, sieht fern usw. Dass Lukas am 1. Januar des Jahres Skateboard fährt, mit sei­nem Freund Kekse im Baumhaus nascht (Winter?) und mit sei­ner Mutter ein­kau­fen geht (Feiertag?), ist schon etwas selt­sam – viel­leicht liegt es dar­an, dass das Buch ursprüng­lich 1998 in den USA erschien?

2011 hat der Annette Betz Verlag „So leb­ten wir ges­tern, so leben wir heu­te“ auf Deutsch her­aus­ge­ge­ben. Empfohlen wird es ab fünf Jahren, ich den­ke aber, dass es eher etwas für Kinder ab sechs bis sie­ben Jahren ist. Zum einen sind die elf Kinder im Buch älter, und zum andern ist die Erzählweise für Vorschulkinder noch nicht so span­nend, die his­to­ri­sche Perspektive und die Fakten dürf­ten sie teils nicht all­zu sehr fes­seln. Der Inhalt ist eher sach­buch­mä­ßig, die Zeichnungen dage­gen üppig und auf jeden Fall schon für Kleinere geeignet.

Jan Davey Ellis hat jedem Kind und sei­ner Zeit eine in sich geschlos­se­ne Zwei-Seiten-Bildgeschichte gezeich­net. Er greift auf, was das Mädchen oder der Junge erzählt, und nimmt den Leser mit in ein Klostergebäude, auf ein Schiff, in ein Bauernhaus usw., in die Lebenswelt der Kinder. Passend dazu, dass es elf in sich geschlos­se­ne ‚Kapitel‘ sind, hat er die jeweils zwei Seiten mit einem Rahmen ver­se­hen. Der ist bei jedem Kind anders, ande­res Muster, ande­re Farben, ein­fach schön. Eine wun­der­ba­re Idee!

Am Schluss wird in einer „Notiz des Autors“ (eigent­lich: Autorin) erklärt, war­um das Jahr bis ins 16. Jahrhundert am 25. März begann – was eine „Käsewähe“ ist, muss der Leser dage­gen selbst in Erfahrung brin­gen. ;) Fazit: Ein ange­nehm unauf­ge­reg­tes und infor­ma­ti­ves Kinderbuch mit schö­nen Zeichnungen, das Kindern einen ers­ten Eindruck ver­mit­teln kann, wie ihre Altersgenossen in den ver­schie­de­nen Jahrhunderten gelebt haben.

So leb­ten wir ges­tern, so leben wir heu­te. Kinder in den Jahrhunderten
Ellen Jackson, Jan Davey Ellis
Annette Betz Verlag 2011
32 Seiten
12,95 Euro
ISBN: 978-3-219-11473-7

Der kleine Cowboy und das pupsende Pony

Das Buch hält, was der Titel ver­spricht: In „Cowboy Klaus und das pup­sen­de Pony“ gibt es einen Cowboy namens Klaus und ein Pony, das aus­gie­big pupst. Das hört sich dann so an: „PFRÖÖÖT!“, „PFRUUUHT!“, „Phuuuuuuhps!“ und so weiter.

Klaus ist nicht gera­de das, was man einen typi­schen Cowboy nennt, er hat eine klei­ne Farm, eine Tasse aus Porzellan mit Blumenmuster sowie ein Schwein und eine Kuh. Kein Pferd. Doch in die­sem Buch kann er viel­leicht end­lich mal rei­ten, denn in sei­nem Maisbeet fut­tert ein pup­sen­des Pony.

Das Pupspony gehört dem Indianer Bitte-Recht-Freundlich, der aufs Fotografieren umge­stie­gen ist, weil er sich mit sei­nem her­um­pup­sen­den Pferd nir­gend­wo mehr anschlei­chen kann. Wie es mit dem Cowboy und dem Indianer wei­ter­geht, und ob das Pony Klaus eine Runde durch die Prärie trägt, tja, das wer­de ich hier nicht erzählen.

Das Buch ist für Leseanfänger ab 6 Jahren gedacht, und den Kleineren kann mans natür­lich auch vor­le­sen. Die Sprache ist ein­fach, aber nicht sim­pel, die Bilder sind wun­der­bar. Kaufen, kann ich da nur empfehlen!

„Cowboy Klaus und das pup­sen­de Pony“
Text: Eva Muszynski und Karsten Teich
Bilder: Karsten Teich
Tulipan Verlag
7,95 Euro