Der Anti-Dumbo

Wer kennt ihn nicht – Dumbo, den flie­gen­den Elefanten? Ich weiß nicht, wies Euch geht, aber bei mir ist es eine gan­ze Weile her, dass ich die­sen Film zuletzt gese­hen habe. Aber die Geschichte ist ja nun nicht so kom­pli­ziert. Der Kern, das, was man nicht ver­gisst, ist: Da ist die­ser klei­ne Elefant, ders auch nicht leicht hat, denn er hat rie­si­ge Ohren, wegen derer ihn alle ver­la­chen. Armer Kerl, wirk­lich. Seine Mama will ihn ver­tei­di­gen, als Kinder ihn ver­spot­ten, und wird prompt ein­ge­sperrt, und da sitzt Dumbo dann da. Er heißt eigent­lich Jumbo, aber alle nen­nen ihn Dumbo, und was dahin­ter­steckt, ver­steht man auch im Deutschen ganz gut. (Dumm!) Dumm ist er nicht, aber im Zirkus, wo er mit sei­ner Mutter lebt, muss er als Clown arbei­ten, nach­dem er eine Nummer ver­geigt hat. Wenigstens hat er einen treu­en Freund, eine Maus namens Timothy. Ausgerechnet eine Maus … Aber die­se Maus ist Gold wert, denn sie ver­kli­ckert Dumbo, dass er toll ist und nur an sich glau­ben muss, dann klappt es schon – auch das Fliegen! Denn die gro­ßen Ohren Dumbos sind natür­lich doch zu etwas nüt­ze, er kann sie wie Flügel gebrau­chen! Als flie­gen­der Elefant ist Dumbo dann der Star des Zirkus, alles wird gut.

Hach! Hollywood at its best! Ein Held mit Makel, ein Freund, der an ihn glaubt, eine Mutter, die alles für ihr Kind tun wür­de, eine außer­ge­wöhn­li­che Gabe und – ein Happy End …

Was vie­le viel­leicht nicht wis­sen: Die DDR hat­te auch einen Dumbo! Ja, einen flie­gen­den Elefanten! Oder, bes­ser gesagt, ein Kinderbuch, in dem es um einen sol­chen beson­de­ren Elefanten geht. Es heißt „Kuno, der flie­gen­de Elefant“ und ist von 1976.

Hier die Geschichte: Kuno lebt mit sei­ner Mutter im Zoo. Es ist Winter, Kuno friert. Eine Schwalbe erzählt ihm von Afrika, wo es immer warm ist. Kuno will auch dort­hin. Der schlaue Kerl denkt sich: Ach, ich ler­ne flie­gen, dann kom­me ich wie die Schwalbe nach Afrika. Nun setzt er alles in Bewegung, um Fliegen zu ler­nen. Er springt durchs Gehege, flat­tert mit sei­nen gro­ßen Ohren, steht auf einem Bein … Doch nix da, Kuno fliegt höchs­tens auf die Nase. Eines Tages spa­ziert der „Direktor vom volks­ei­ge­nen Zirkus HATIPA“ auf der Suche nach neu­en Tieren für die Zirkustierschau durch den Zoo und sieht den hüp­fen­den Kuno. Er kauft Kuno für sei­nen Zirkus und hat einen neu­en Star. Noch dazu einen, dem er nichts mehr bei­brin­gen muss. Kuno ist jetzt der Elefant, der so tut, als sei er ein Flugzeug, Start- und Landegeräusche, Ohrenwedeln und so wei­ter inklusive.

Das macht Kuno eine gan­ze Weile, aber irgend­wann kommt das Tief: Er kapiert, dass er immer noch nicht flie­gen kann. Es folgt ein Gespräch mit dem Elefantenopa Robert. Kuno: Jede Mücke kann flie­gen! Opa: Man kann aus einem Elefanten kei­ne Mücke machen! Und der Junge sol­le sich doch bit­te ins Zeug legen und ler­nen, damit er mit dem Zirkus auf Auslandstournee gehen darf. Kuno schmollt erst, dann ent­schul­digt er sich und – lernt: bis 10 zäh­len, an einem Tisch sit­zen und mit dem Löffel essen … Kuno darf mit auf Tournee, er kommt nach Moskau, Budapest, Prag, wird von allen gefeiert.

Und eines Tages geht der Zirkusdirektor mit ihm spa­zie­ren, am Weg ste­hen jede Menge Menschen, Kinder vor allem, und jubeln Kuno zu. Am Flughafen lässt der Direktor die Katze aus dem Sack:

„Lieber Kuno“, sag­te Herr Pannemann, „wir alle wis­sen, daß es von Jugend an dein Wunsch war, flie­gen zu kön­nen. Elefanten kön­nen nicht flie­gen; das weiß jedes Kind. Aber Elefanten kön­nen ler­nen und flei­ßig arbei­ten – das hast du bewie­sen. Deshalb darfst du nach Afrika rei­sen und dich vier Wochen in dem Land tum­meln, das du so gern ein­mal sehen woll­test. Was dich aber beson­ders freu­en wird – du darfst fliegen!“

Und so erhebt sich Kuno in die Lüfte – an Bord einer „Düsentransportmaschine“.

Zwei flie­gen­de Elefanten! Mal à la Hollywood und mal à la DDR. Was gefällt Euch besser? ;-)

Mit Pferden, ab acht: „Wir sind die Waldens!“ von Heide John

Heldin des Buches ist Rieke Walden, 10 Jahre, die vier Brüder hat und ein Pony namens Balduin. Ihre Familie zieht auf den Hof des Großvaters, denn die Mutter ist schwan­ger mit Zwillingen, und für eine bald neun­köp­fi­ge Familie ist im alten Haus nicht mehr genug Platz. Und sonst?

  1. Es gibt einen Blick in die Zukunft, ohne den geht es ja in den wenigs­ten Büchern, oder? „Doch da soll­te Rieke sich gewal­tig irren: Nach den Sommerferien wür­de sie Tjorven täg­lich sehen …“
  2. Tjorven also, der Einzige, der in die­sem Buch die Harmonie stört. Ansonsten ist alles fried­lich, ange­sichts von fünf Kindern schon erstaun­lich, aber viel­leicht zof­fen sich zwei Geschwister ja mehr? Tjorven ist jeden­falls der Nachbarssohn, und er ist ein Eigenbrötler, der die ande­ren mei­det und nur zu einem Pferd der Waldens einen Kontakt aufbaut.
  3. Mutter Walden näht schrä­ge Sachen, die die Kinder nicht anzie­hen wol­len, der Großvater aber schon. Ob sie auch bei Dawanda ein­stellt, erfährt der Leser nicht.
  4. Bruder eins hört immer Musik und sprayt Graffitis, Bruder zwei ist stän­dig am Lesen, einer hat nur Kochen im Sinn und der Älteste, der 18 wird, führt mehr oder weni­ger schon sein eige­nes Leben.
  5. Rieke hat vor allem eins im Kopf: ihr Pony Balduin. Das ist zunächst nei­disch auf ein Fohlen, das neu auf den Hof kommt, aber …
  6. Eine schö­ne Geschichte: Warum die Hofziege „Frau Doktor“ heißt. Ich wuss­te nicht, dass Pferde und Ziegen ein gutes Gespann sein kön­nen, Aha-Effekt.
  7. Der Großvater ist 66 Jahre alt, was man ihm aber nicht ansieht, er hat eine Künstlerfreundin und möch­te Peter genannt wer­den, nicht Opa.
  8. Am Meer woh­nen wie die Familie Walden wür­de ich auch gern. Wobei, eigent­lich lie­ber an der Ostsee. Ich bräuch­te auch kein Pferd, um am Strand glück­lich zu sein. Bezieht sich die­ses „Blanker Hans“ eigent­lich nur auf die Nordsee?

Also, ein schö­nes Buch, eine net­te Geschichte! Klingt ver­däch­tig nach Auftakt einer Serie, denn in ers­ter Linie wer­den die Menschen und die Pferde ein­ge­führt, und war­um z. B. Tjorven so ist, wie er ist, erfährt man nicht. Die Illustrationen von Elke Broska sind anspre­chend, der Ton ist locker, die Schrift rela­tiv groß. Der Untertitel, „Ponychaos hoch 7“, ist ein wenig dick auf­ge­tra­gen, denn chao­tisch geht es für mei­ne Begriffe auf dem Waldenhof eher nicht zu, und sie­ben Ponys gibt es auch nicht. Aber bald sie­ben Kinder …

Heide John: Wir sind die Waldens! Ponychaos hoch 7
Arena Verlag
ISBN 978-3-401-45393-4
12,95 Euro

Drei ab vier: Schimpfwortpolizei, ABC3D und „verrückte Maschinen“

Drei Bücher ab vier Jahren – und ich schrei­be bewusst nicht „für Kinder“. Noch dabei? Los gehts mit „Tom und die Schimpfwortpolizei!“, geschrie­ben von Philip Militz und mit Bildern von Kai Pannen. Tom ist ein Junge unde­fi­nier­ba­ren Alters mit einem Büschel Haupthaar und einer gro­ßen Nase. Er scheint ein hei­te­res Gemüt zu haben, denn man sieht ihn nur mit fröh­li­chem Gesicht – wenn er nicht gera­de Karl-Bruno Bitterbeck vom Dussel-Dezernat der Schimpfwortpolizei begegnet.


Dass Tom so ein (unnor­mal) aus­ge­gli­che­nes Kind ist, muss dar­an lie­gen, dass er Schimpfwörter sam­melt und bei pas­sen­den Gelegenheiten vor einer stau­nen­den bis flüch­ten­den Zuhörerschaft zum Besten gibt. Ein Buch also, in dem sich alles um Schimpfwörter dreht. In dem aber kein ein­zi­ges Schimpfwort geschrie­ben steht. Kai Pannen hat sie gemalt, die Schimpfwörter, und die Leser, Zuhörer und Betrachter des Buches kön­nen bit­te­s­ehr her­aus­be­kom­men, um was es sich han­delt. Ganz schön kniff­lig, ehr­lich. „Blindes Huhn“ (ent­zü­cken­des Bild!), Arsch mit Ohren, Schweinepriester – das geht ja noch, da grü­belt man nicht lang. Aber, aber …

Eine Geschichte gibt es natür­lich auch, und ihr Höhepunkt ist die Begegnung des „größ­ten Schimpfwortvirtuosen aller Zeiten“ (= Tom) mit dem Schimpfwortpolizisten Bitterbeck. Der hat zwar Schimpf-und-Schande-Hörrohre, einen Fluchschrubber und Anti-Schimpf-Seife, aber gegen Tom kommt er doch nicht an. Dessen Schimpfwortsinfonie bringt den Kommissar fast zum Platzen, und plötz­lich strömt sei­ne Schimpfwortsammlung aus 40 Dienstjahren auf Tom ein – der flei­ßig in sei­nem Notizbuch mit­schreibt. Fröhliches Raten wün­sche ich!

Und kom­me zu Buch Nummer zwei …

„ABC3D von Marion Bataille. 26 Buchstaben drei­di­men­sio­nal und so gestal­tet, dass man das Buch immer wie­der durch­blät­tern möch­te. Am bes­ten kam bis­her beim kind­li­chen Publikum die Seite mit dem V bezie­hungs­wei­se W an, das V spie­gelt sich und wird zum W. Mit der Spiegelfolie lässt es sich herr­lich her­um­al­bern … Das S kommt auf den zwei­ten Platz: Wenn man vom R aufs S umblät­tert, dre­hen sich die Spiralen im S. Sehr hübsch!

Wenn Kinder das Buch in der Hand haben, ist der schreck­li­che Erwachsene ver­sucht, stän­dig zu sagen: Pass auf! Mach vor­sich­tig! Denn die Buchstabenbauwerke sind zwar nicht fili­gran, aber doch nicht schwer kaputt­zu­krie­gen. Und Marmeladen- und ande­re Flecken haben Große auch nicht gern in sol­che schö­nen Büchern… Aber – ich kann mir kaum eine bes­se­re Art und Weise vor­stel­len, um Kindern das ABC näher­zu­brin­gen. Wirklich.

Das drit­te Buch kommt aus Finnland: „Tatu und Patu und ihre ver­rück­ten Maschinen“. Die Brüder aus Seltsamhausen erfin­den Maschinen, die die Welt (nicht) braucht, das ist Technik, die Kinder (und Größere) garan­tiert begeis­tert. Da wäre zum Beispiel die Guten-Morgen-Maschine. Hat das Kind Probleme mit dem Aufstehen, kommt es nicht aus dem Bett und wenn, dann nur mit schlech­ter Laune und Gemaule? Ab in die Guten-Morgen-Maschine! Mit Federn wird es wach­ge­kit­zelt, dann auf dem Schüttelsitz wach­ge­rüt­telt, eine Ladung Wasser ins Gesicht, Essen in der Frühstückskapsel, Waschen, Schminken, Zeitunglesen, Anziehen, Abschminken – und fer­tig. Ab in den Kiga, ab in die Schule! Patent!

Was es noch gibt? Den Pfützenautomat (wider die Schlaglochlosigkeit der Straßen!), den Ekelzutaten-Entferner (Ich has­se Oliven!), die Vielzweck-Brille (Regenschirm, Airbag, Drahtseil, Becherhalter, Karten, Lampe – das alles und mehr in einer Brille!) und so wei­ter und so fort. Ich muss mir mal eben den Mini-Mach genau­er anschau­en, tschüss!

Tom und die Schimpfwortpolizei!
Philip Militz und Kai Pannen
Lappan Verlag, 2009
ISBN 978-3-8303-1143-0
12,95 Euro

ABC3D
Marion Bataille
Macmillan USA, 2008
ISBN 978-1-59643-425-7
13,95 Euro

Tatu und Patu und ihre ver­rück­ten Maschinen
Aino Havukainen und Sami Toivonen
Thienemann Verlag, 2010
ISBN 978-3-522-43648-9
12,90 Euro