Herzdamengeschichten – vom Blog zum Buch

Ich fin­de Sammlungen von lus­ti­gen Kurzgeschichten bezie­hungs­wei­se Geschichten mit Pointe anstren­gend. Das liegt dar­an, dass ich Bücher hin­ter­ein­an­der­weg lesen muss, ich kann sie schlecht locker und läs­sig irgend­wo­hin depo­nie­ren und immer, wenn mir gera­de danach ist, ein oder zwei Geschichten lesen. Geht nicht. Funktioniert mit Gedichten, aber nicht mit Geschichten.

So habe ich zum Beispiel frü­her gern die Kolumnen von Axel Hacke in der Süddeutschen gele­sen, mir jedoch nie die ver­buch­te Variante ange­schafft. Einmal die Woche Axel Hacke, eine Geschichte, mal mehr, mal weni­ger amü­sant, die für sich steht und den Raum bekommt, der ihr (meis­tens) gebührt: So fin­de ich das gut. (Die Hackesche Kolumne gibt es immer noch, aber zur Zeit lese ich Martenstein. Für den gilt dasselbe.)

Nun also Maximilian Buddenbohm, in der Welt der Blogger und Blogleser bes­ser bekannt als Merlix. Er schreibt seit eini­gen Jahren sei­ne Herzdamengeschichten, und nun ist ganz frisch ein Buch von ihm her­aus­ge­kom­men, in dem sich alles um ihn, sei­ne Herzdame sowie die zwei Söhne dreht. Titel: Zwei, drei, vier – Wie ich eine Familie wur­de. Titel sind ja irgend­wo auch Geschmackssache, aber: Warum nicht „Herzdamengeschichten“? Hätte ich ja wirk­lich kna­cki­ger gefun­den, scha­de drum.

Im Herzdamenblog lese ich seit viel­leicht einem Jahr mit. Das gibt es aber schon viel län­ger, zuerst war es noch auf blogg.de, da kann man sich jetzt auch noch durchs Archiv lesen. Was ich viel­leicht irgend­wann, irgend­wann ein­mal tun wer­de. Es dürf­te schwer gewe­sen sein, aus die­ser Fülle von Posts mit den aller­schöns­ten Pointen die Geschichten für das Buch aus­zu­wäh­len. Das Leitthema des Buches ist, wie aus M. Buddenbohm „eine Familie wur­de“, und inso­fern ist der Titel doch – passend.

Das Buch, Innenleben. Keine kapi­tel­un­ter­glie­der­te Geschichte, son­dern Geschichten, die zwar chro­no­lo­gisch geord­net sind, aber doch für sich ste­hen. Kostprobe gefäl­lig? Die Herzdame ist mit Kind 1 schwan­ger, und das Paar schaut sich an einem Infoabend im Krankenhaus den Kreißsaal an:

„Die Hebamme zeig­te auf eine Musikanlage: ‚Sie kön­nen sich ger­ne eige­ne Musik mit­brin­gen, das emp­fin­den vie­le Frauen als hilf­reich. Überlegen Sie bit­te recht­zei­tig, was Sie mit­neh­men wol­len.‘ Die Herzdame sah mich streng an und wies sicher­heits­hal­ber schon mal dar­auf hin, daß die Musik für sie hilf­reich sein sol­le, nicht für mich. Kein Sinatra wäh­rend der Geburt also, kein Dean Martin, kein Louis Prima, eher Nirvana: ‚Come as you are.‘
Ein jun­ger Mann knie­te vor der Musikanlage, sah sich suchend um und frag­te dann: ‚Hat man von hier aus viel­leicht auch Internetzugang?‘ Die Hebamme ver­nein­te lachend und guck­te etwas irri­tiert, als dann zwei Männer wie aus einem Munde ’scha­de‘ sagten.
Der Ellbogen der Herzdame war ein­fach nicht schnell genug.“
(Im Buch auf Seite 89, im Herzdamengeschichten-Blog kann man die gan­ze Geschichte hier nachlesen.)

Ich fin­de das Internet auch sehr toll, da kann man zum Beispiel mal eben Louis Prima nach­schla­gen. Internet im Kreißsaal, das ist aller­dings schon – eine Treppe wei­ter, oder? Aber es passt zum geblogg­ten Leben, zu den Herzdamengeschichten. Das sind kei­ne Geschichten, die aus dem Rahmen, in irgend­ein Extrem fal­len, sie kom­men einem tat­säch­lich sehr bekannt vor: Nachtschlaf bei offe­nem oder geschlos­se­nem Fenster, Hilflosigkeit ob des Überangebots in einem Babymarkt, Kinderlieder, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen („Ich hab Hände, sogar zwei.“, „Hei, hei, huss­as­sa!“) und der­glei­chen. Beim Lesen der Geschichten grinst man eher in sich hin­ein bezie­hungs­wei­se lächelt so vor sich hin, das lau­te Lachen, wie es die hacke­schen Pointen oft her­aus­kit­zeln, wird hier nicht pro­vo­ziert. Denn das sind ja die Herzdamengeschichten, es ist nicht „Das Beste aus mei­nem Leben“.

Was ich wirk­lich bewun­de­re: das gute Gedächtnis von Maximilian Buddenbohm. Ich geste­he, dass ich dar­auf fast etwas nei­disch bin. Gerade mit Kindern erlebt man ja vie­les, das man ver­sucht, im Hinterkopf zu spei­chern, nur, um sich irgend­wann zu fra­gen: Da war doch was? Was war da noch? Und wie­der hat man etwas – ver­ges­sen. Vielleicht ist es ja Übungssache? Zum bes­tens funk­tio­nie­ren­den Gedächtnis kommt bei M. B. noch ein sehr gutes Auge für Details und eine schö­ne Schreibe. Das muss man erst mal nachmachen …

Trotz mei­ner anfangs erwähn­ten Abneigung gegen­über Kurzgeschichtenbänden habe ich also das Buch gele­sen. Ja! Die Neugier war zu stark … Und wer soll das sonst noch lesen? Die Blogleser, damit sie end­lich ein Herzdamengeschichtenbuch im Regal ste­hen haben. Und die Nichtblogleser, damit sie wis­sen, worums geht. Und wenn sie Feuer gefan­gen haben, kön­nen sie im Blog wei­ter­le­sen. (Denn 196 Seiten sind wenig, wenns um den Herzdamenkosmos geht.) Viel Spaß dabei …

Maximilian Buddenbohm: Zwei, drei, vier – Wie ich eine Familie wurde
Sankt Ulrich Verlag
Januar 2010
196 Seiten
ISBN: 978-3-86744-138-4
16,90 Euro

Kunde!

Am Samstagabend pil­ger­te ich, da ich drin­gend etwas brauch­te, in den nächs­ten Supermarkt, der zu einer Kette gehört, des­sen Filialen an sechs Tagen in der Woche bis 22 Uhr geöff­net sind. Es war nicht viel Betrieb, aber auch nicht men­schen­leer. Der Typ „Ich hab neu­lich was ver­ges­sen und muss das jetzt noch holen“ (ich), der Typ „Wir hams ja nich so mit Kultur, gehn ma mal ein­kau­fen“, der Typ „Samstagabend ein­kau­fen ist doch pri­ma, da hab ich den Laden fast für mich“, der Typ „Samstagabend ist per­fekt, ich nehm jetzt alle Angebote an der Fleischtheke mit“ usw.

Natürlich kauf­te ich nicht nur die eine Sache, deret­we­gen ich da war, son­dern nahm noch die­ses und jenes mit, so dass ich mit einem klei­nen Karton vol­ler Essereien an einer Kasse ohne Schlange ankam. Die Kassenfrau sah sehr müde und fer­tig aus – sie hat­te noch min­des­tens drei Stunden Arbeit vor sich, wenn ich ihre Kollegin, die hin­ter mir stand und drauf­los­plau­der­te, rich­tig ver­stan­den habe. Samstagabend, vier Kassen besetzt, aus­schließ­lich Frauen. Frühestens 22.30 Uhr zu Hause. Was für ein Samstag …

Und wie pas­send, dass zu Hause ein Buch mit dem Titel „Die Leiden einer jun­gen Kassiererin“ auf mich war­te­te. Bibliotheksfund, Bücherwagen. Das Original ist 2008 erschie­nen, „Les tri­bu­la­ti­ons d’u­ne cais­siè­re“, die Autorin, Anna Sam, hat selbst acht Jahre an der Supermarktkasse geses­sen, wäh­rend ihres Studiums und danach, da sie mit dem Abschluss zunächst kei­ne Arbeit fand. Es geht um: die Arbeit an der Kasse und die Kunden, die am Fließband auf­lau­fen. Alles ist schön ver­packt in Ironie und Humor, und zwar so gut, dass teil­wei­se die Zündkraft ver­lo­ren­geht. Ich hab ja jetzt kein Wallraff-Buch erwar­tet, aber etwas weni­ger Kurzweiligkeit hät­te sicher nicht gescha­det. Was bleibt hän­gen? Dass man­che Kunden ihre Popel an die Waren schmie­ren und die Kassenfrau sie dann an der Hand kle­ben hat (igitt­igitt). Dass die Pausenzeiten lächer­lich sind. Dass Kunden Kassiererinnen „Nutte“ und „Schlampe“ nen­nen dür­fen, ohne dass was pas­siert. Und so weiter.

Die Bösen in dem Buch sind die Kunden, zum Arbeitgeber wird kaum was gesagt. Nette Kunden kom­men auch vor, aber die sind nicht so – kurz­wei­lig. Das Buch lesen sicher mal wie­der nur die Falschen, die, die sowie­so wis­sen und nicht nur ahnen, dass an der Kasse eine Frau wie du und ich sitzt, die man bit­te­s­ehr nicht anders behan­delt als den Filialdirektor der ört­li­chen Bank.

Anna Sam hat auch ein Blog. Wer des Französischen mäch­tig ist, kann sich da also ordent­lich bele­sen. In der Süddeutschen Zeitung erschien Anfang 2009 ein Artikel über Anna Sam und ihr Buch, „Die Storno-Queen“. Ähem, was für ein Titel. Ein zwei­tes Buch ist wohl in Arbeit, Ort der Handlung wie­der­um: der Supermarkt. In Frankreich war Buch 1 ein Bestseller, ich hab 2009 in D. nichts davon mit­ge­kriegt, aber damit ste­he ich ja viel­leicht allein da …

Entlieben

Rechtschreibduden, 25. Auflage, Seite 399: ent­lie­ben, sich (scherzh. für auf­hö­ren zu lie­ben). Was am Entlieben scherz­haft sein soll, weiß ich nicht, aber die­se eigent­lich unpas­sen­de Kombination fin­det sich auch in Conni Lubeks bis­her zwei Entlieben-Büchern. Vor den Büchern war das Blog, das den schö­nen, zeit­lo­sen Namen „Anleitung zum Entlieben“ trägt. Der ers­te Eintrag ist vom 12.6.2005, und ich zitie­re mal auszugsweise:

„Für vie­le Menschen wäre es ein völ­lig aus­rei­chen­der Grund, einen ande­ren nicht zu lie­ben, weil der einen nicht liebt. Nicht für mich. Obwohl 119 mich nicht liebt, habe ich lan­ge Zeit kei­ne wirk­li­chen Anstrengungen unter­nom­men, mich von ihm zu lösen. Im Gegenteil. Ich habe gekämpft. Ich habe mir den Arsch abge­ar­bei­tet. Ich habe mich gewei­gert zu akzep­tie­ren, dass sein Nichtverliebtsein end­gül­tig ist, fast zwei Jahre lang. Aber seit ein paar Wochen ist es damit vor­bei, ich bin zu erschöpft, alles tut weh, und ich füh­le, dass es Zeit ist, mich zu entlieben.
Wahrscheinlich hat er das gespürt. Wahrscheinlich hat 119 des­halb vor­ge­schla­gen, gemein­sam Urlaub zu machen und ich gebe zu, als ich zuge­stimmt habe, fünf Tage mit ihm nach Sylt zu fah­ren, hat­te ich nicht das Gefühl, dass das mei­nen Entliebungsvorsätzen beson­ders zuträg­lich sein wür­de. Aber da habe ich mich getäuscht. Diese fünf Tage Sylt waren das Beste, was mir pas­sie­ren konn­te: zum Abgewöhnen. Diesen Weblog soll dazu die­nen, dass ich das nicht ver­ges­se.“ (Quelle: Link)

Schon in die­sem Eintrag kommt Lchens bzw. Lapareds bzw. Conni Lubeks Stil per­fekt rüber, fin­de ich, und ich bewun­de­re das wirk­lich: kurz, knapp, direkt, unver­blümt, Galgenhumor. Das Blog war ja erst anonym, und anonym lässt man (frau) die Hosen eher mal run­ter, aber auch das Buch ist so - pein­li­che Szenen, Szenen zum Heulen, bit­te, lesen Sie mal. Und das ist dann so geschrie­ben, dass man eher lacht als mit­heult, sie­he oben, Duden, ent­lie­ben, scherz­haft für usw.

Das ers­te Buch las ich in einem Rutsch, das zwei­te auch, aber das hat­te anfangs so sei­ne Längen und Schwachstellen, irgend­wann war ich aber doch wie­der drin, in Lchens Schilderungen ihres Liebeslebens. Ein drit­tes ist jetzt nicht in Planung, oder? Auf bei­den Buchcovern ist Curd Rock zu sehen, der 119 noch weni­ger los­las­sen kann als Lchen, und das will was hei­ßen. Curd Rock ist eine Plüschpuppe, die gern als Fotomodell zur Verfügung steht und eine n-m-Schwäche hat. Sehr sym­pa­thisch. Curd hat ja seit die­sem Jahr Kimder, die kann man im Paket mit dem neu­en Buch kau­fen. Was ich getan habe. Fotos?

Kaum war ich ange­kom­mem, hat sie mich ims Wasser gewor­fem und mich durch­ge­walkt. Sie mein­te, ich wür­de komisch rie­chem. Dann im Klammerkorb und am der Leime, trau­ma­tisch, wirk­lich! Ich woll­te zurück zu Papa und Lchem!!! Aber als ich wie­der tro­ckem war, hat sie mich auf die Couch zu Mausi gesetzt, und das ist doch mal eime sehr sympha­ti­sche Begleitumg. Oder?