Leopold Morsch ist ein Einsiedler, sein kleines Haus ist das einzige in seinem Tal. Einsam ist er nicht, Bäume und Tiere genügen ihm als Gesellschaft. Ein Baum ist ihm sogar ein richtiger Freund, der wandelnde und sprechende Baum Hainwart. Ab und zu kommt auch sein alter Freund Landrich vorbei, ein Händler, der mit seinem Eselfuhrwerk durch die Weltgeschichte fährt. Als Landrich wieder bei Leopold Morsch vorbeischaut, schenkt er ihm eine weiße Muschel, die wie ein Horn geformt ist. Leopold Morsch hält sie ans Ohr und hört Wellenrauschen, dann den Gesang eines Vogels, wie er ihn noch nie gehört hat. Nach und nach versteht er Worte, Strophen eines Liedes. Es scheint sich an ihn zu richten, ein Hilferuf, den Morsch nicht ignorieren kann. Er macht sich zusammen mit Hainwart auf den Weg, um das Geheimnis der Muschel zu ergründen.
Bald schließen sich ihnen zwei neue Gefährten an: Ritter Griesbert, der kein Ritter mehr ist, aber wieder sein will, und der Junge Tisal, der entführt wurde und zurück in seine ferne Heimat möchte. Morsch, Hainwart und Griesbert begleiten ihn, und natürlich erleben sie auf ihrer Reise etliche Abenteuer, unter anderem bekommen sie es mit Räubern, einem Drachen, skrupellosen Wissenschaftlern und Piraten zu tun.
Den Verlauf der Reise kann man auf einer Landkarte im Inneneinband des Buches nachverfolgen. Ansonsten hat das Buch noch Randillustrationen, der Text ist auf jeder Doppelseite passend zum Ort, an dem die Handlung gerade spielt, eingerahmt mit der Silhouette eines Waldes, einer Stadt usw. Das wirkt hochwertig und passt sehr gut zur fantastischen, märchenhaften Geschichte, genauso wie die schöne Umschlagillustration. Die Seiten fassen sich gut an, sie sind relativ dick, sodass das Buch mit seinen über 300 Seiten und festem Einband auch nicht gerade dünn ist. Die Schrift ist angenehm groß, die Kapitelüberschriften sind klar abgesetzt und leicht verspielt.
Die Gestaltung eines Buches ist zwar wichtig, aber wichtiger ist die Geschichte. Und die ist eine runde Sache. Sie ist wie ihre Hauptfigur Leopold Morsch: in sich ruhend, ernsthaft, feinfühlig. Überstürzt wird hier nichts, obwohl die vier Gefährten durchaus in brenzlige Situationen geraten und Ritter Griesbert im Gegensatz zu Morsch eher spontan und leicht aufbrausend ist. Konflikte werden nicht mit schnellen Kämpfen gelöst, sondern mit Grips angegangen, Klischees im Großen und Ganzen erfolgreich umschifft. Wobei man fragen könnte, warum alle vier zentralen Figuren männlich sein müssen. Ein bisschen mehr Leichtigkeit und Tempo hätte ich nicht schlecht gefunden, aber so ist es auch in Ordnung. Morschs Welt ist überschaubar und gut durchdacht, sie mutet mittelalterlich an mit Drachen, Rittern, und Königen, ist aber zugleich irgendwie zeitlos. Ein Einsiedler, den es in die weite Welt verschlägt, der mit Gefährten Abenteuer erlebt und sich wacker schlägt – das ist keine neue Idee, aber in „Die abenteuerliche Reise des Leopold Morsch“ schön und fesselnd umgesetzt.
Gregor Wolf: Die abenteuerliche Reise des Leopold Morsch
Umschlag- und Innenillustrationen: Cornelia Haas
Lektorat: Angela Iacenda
320 Seiten
ab 10 Jahren
2019 ueberreuter
ISBN: 978–3‑7641–5150‑8
14,95 Euro