„Früher war ich ein flottes Huhn, heute bin ich eine lahme Ente“ von Sigrid Tschöpe-Scheffler

Der Titel ist gut: tref­fend, ein­la­dend, macht neu­gie­rig. Die Autorin, Sigrid Tschöpe-Scheffler, erzählt gleich am Anfang, dass es ein Ausspruch ihrer Mutter war, ergänzt um „… und brau­che Hilfe“. Die Mutter wur­de 98 Jahre alt und benö­tig­te in den letz­ten 15 Jahren Pflege. Sie woll­te ihr Haus, in dem sie einen Großteil ihres Lebens ver­bracht hat­te, auch im hohen Alter nicht ver­las­sen. So kamen sie und ihre Tochter dar­auf, es mit 24-Stunden-Pflege zu ver­su­chen. Da die Mutter aus einer deutsch­stäm­mi­gen Familie in der Ukraine stamm­te, die ihre Heimat im Krieg ver­las­sen muss­te, woll­te sie ger­ne Pflegekräfte aus Osteuropa. Etliche Frauen und zwei Männer aus Polen, Rumänien, Russland, Moldawien, Bosnien, Armenien, Bulgarien und Ungarn leb­ten mit ihr im klei­nen Haus zusam­men und blie­ben unter­schied­lich lang, zwi­schen drei Monaten und vier Jahren.

Nun ist das Thema nicht unbe­dingt ein leich­tes, aber die Autorin bringt es fer­tig, unter­halt­sam, zugäng­lich, respekt­voll und infor­ma­tiv über die 15 Jahre mit 24-Stunden-Pflegekräften zu schrei­ben. Die Frauen aus Osteuropa blei­ben im Buch nicht bloß Namen, sind nicht nur Statistinnen, son­dern Menschen mit ihren eige­nen Biografien und Geschichten, für die sowohl die Mutter als auch die Autorin offen sind. Die Autorin ist das ein­zi­ge Kind und lebt wei­ter ent­fernt in einer ande­ren Stadt. Sie orga­ni­siert die Pflege, ist Ansprechpartnerin für die Pflegekräfte, muss oft kurz­fris­tig neue Lösungen fin­den. Als „bequem“ erscheint die­ser Weg nicht, aber als ein mensch­li­cher und für bei­de Seiten – Pflegende und Gepflegte – mehr als nur akzep­ta­bler. Die Autorin weist dar­auf hin, dass sie vor allem posi­ti­ve Erfahrungen gemacht hät­ten, nur eine Pflegerin hat­ten sie nach kur­zer Zeit wie­der weg­ge­schickt. Sie erwähnt auch, dass man­che Pflegekräfte in vori­gen Anstellungen Negatives erlebt hät­ten, von Ausbeutung bis Unterstellungen.

Ich neh­me aus dem Buch mit, dass es bei die­ser Pflegeform mensch­lich stim­men muss, da eben kei­ne Einrichtung für Kontinuität und gege­be­nen­falls Abstand sorgt. Dass viel Vertrauen da sein, aber eine drit­te Person von außen regel­mä­ßig schau­en soll­te, ob Pflegende und Gepflegte zu ihrem Recht kom­men. Die 200 Seiten lesen sich schnell, ver­mut­lich hät­te die Autorin locker dop­pelt so viel schrei­ben kön­nen. Es wird aber auch in die­sem Rahmen deut­lich, wie kom­plex das Thema ist, so greift die Autorin unter ande­rem auf: die Geschichte und die Erwartungen und Ansprüche der Gepflegten, die kör­per­lich gebrech­lich und zuneh­mend von Demenz beein­träch­tigt ist. Die Geschichte und Erwartungen und Ansprüche der Pflegenden, die sich teils zu Beginn kaum oder nur schlecht auf Deutsch ver­stän­di­gen kön­nen. Die Geschichte und Erwartungen und Ansprüche der Tochter und ihre Beziehung zur Mutter, ihre Rolle als Verantwortliche gegen­über der Mutter und den Pflegekräften.

Die Verbindung aus per­sön­li­cher Geschichte und Reflexion die­ser Pflegeform fin­de ich gelun­gen, am Schluss des Buches fasst die Autorin auch noch mal zusam­men, wor­auf man ach­ten soll­te, wenn man eine 24-Stunden-Pflegekraft sucht und ein­stellt, was man tun kann, damit die Pflegenden zufrie­den sind, und wie die­se Pflegeform zu einem Gewinn für alle Seiten wer­den kann. Nicht zuletzt hält sie fest, dass es für die 24-Stunden-Betreuung nach wie vor „kei­ne offi­zi­el­len Qualitätsstandards oder Kontroll- und Beschwerdeinstanzen“ gebe, „weder für die Betreuenden noch für die zu Pflegenden, was drin­gend nötig wäre“. Da die Zahl der Personen, die Pflege benö­ti­gen, wei­ter stei­gen wird, soll­te das dem­nach end­lich ange­gan­gen werden.

Sigrid Tschöpe-Scheffler: Früher war ich ein flot­tes Huhn, heu­te bin ich eine lah­me Ente. Meine alte Mutter, ihre Pflegekräfte aus Osteuropa und ich
Lektorat: Marlene Fritsch
200 Seiten
2020 Patmos Verlag
ISBN 978–3‑8436–1233‑3
18 Euro

„Im Garten von Monet“ von Kaatje Vermeire

Sicher gibt es ziem­lich vie­le Biografien von Claude Monet, dies ist nun eine in Bilderbuchform, mit  wenig Text und gro­ßen Doppelseitenbildern. Das ers­te Bild: Monet als Kind am Meer. Das zwei­te Bild: als jun­ger Mann in der Malschule. Ab dem drit­ten Bild: älter wer­dend inmit­ten meist üppi­ger Natur, umge­ben von Bäumen, Blumen, am Fluss, im Garten. Monet ist auf jedem Bild zu sehen, sonst nur weni­ge ande­re: sei­ne Frau Camille, sei­ne zwei­te Frau Alice, die Kinder, ein Malerkollege. Der Stil der Bilder erscheint ver­traut, Kaatje Vermeire hat sich ver­mut­lich lang und län­ger mit Monets Werk aus­ein­an­der­ge­setzt, dann Abstand genom­men und schließ­lich etwas Eigenes geschaf­fen, das jedoch Monet „atmet“ und auch ver­schie­de­ne Stadien sei­nes Schaffens aufgreift.

Die Bilder sind alle fas­zi­nie­rend und laden zum Verweilen ein. Ob der vor Farben und Formen schier explo­die­ren­de Park im Frühling, die herbst­li­che Landschaft am Fluss in leuch­ten­dem Rot und Gelb oder der Seerosenteich mit Schilf, Bäumen und Brücke mit zer­lau­fen­den Farben, so wie der Maler, des­sen Augen schwä­cher wer­den, sie nun sieht. Bilder und Texte machen neu­gie­rig auf das Leben und Werk des Künstlers, sie rei­ßen nur an, ver­su­chen gar nicht erst, mehr als einen Bruchteil abzu­bil­den. Und genau das kann eine Biografie leis­ten, nicht mehr und nicht weniger.

Kaatje Vermeire: Im Garten von Monet
Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart
32 Seiten
ab 5 Jahren
2020 Verlag Freies Geistesleben
ISBN 978–3‑7725–2925‑2
18 Euro

„Mala und das flüsternde Haus“ von Usch Luhn

Dass das Buch ein biss­chen magisch ist, zeigt schon das Cover mit zwei Kindern in einem alt­mo­di­schen Raum vol­ler Bücher und ein wenig Zauberstaub. Schlägt man „Mala und das flüs­tern­de Haus“ auf, sieht man einen Stadtplan von Silberstadt. In der Ecke links oben ist das Sonnenschloss. Ziemlich schnell erfährt die Leserin, der Leser, dass das Sonnenschloss ein Kinderheim ist, in dem die Heldin des Buches, Mala, lebt und die schreck­li­che Frau Grunzei das Sagen hat. Zu Malas Glück wohnt auch Viktor im Heim, ihr bes­ter und ein­zi­ger Freund. Auf etwas mehr als 200 Seiten erle­ben die bei­den ein Abenteuer, das ihr Leben gründ­lich ändert – und zwar ganz klar zum Besseren hin.

Malas Welt ist rela­tiv rea­lis­tisch, dabei sind vor allem die Erwachsenen über­spitzt gezeich­net und es pas­sie­ren magi­sche Dinge. So wird aus einem Marzipanschwein ein ech­tes Ferkel, das noch dazu Glück bringt. Im Haus von Ophelia Mirakel, die Mala über die Sommerferien zu sich holt, kön­nen Gegenstände spre­chen, wie im ver­zau­ber­ten Schloss von „Die Schöne und das Biest“, und sie tra­gen eben­falls Namen und haben ihre Eigenarten und Marotten. Vor allem geht es im Buch aber um die Freundschaft zwi­schen Mala und Viktor. Sie hal­ten zusam­men, egal wie brenz­lig es wird, und kom­men einem alten Geheimnis von Frau Grunzei und Ophelia Mirakel auf die Spur.

Was gleich auf­fällt: Die Schrift ist groß und damit per­fekt für Leserinnen und Leser ab acht Jahren. Jedes Kapitel star­tet mit einer kur­zen Überschrift und einer Vignette pas­send zum Inhalt. Die Geschichte ist gut durch­dacht und schön erzählt, auch wenn ich fin­de, dass die Kinder sich zum Teil etwas „erwach­sen“ aus­drü­cken. „Mala und das flüs­tern­de Haus“ ist viel­leicht nicht der tref­fends­te Titel, da das Haus nicht im Mittelpunkt steht (und auch nicht selbst flüs­tert, son­dern man­che Gegenstände dar­in). Aber der Titel macht natür­lich neu­gie­rig auf das Buch und erfüllt damit sei­nen Zweck.

Usch Luhn: Mala und das flüs­tern­de Haus
Umschlagillustration und Vignetten: Monika Parciak
Lektorat: Emily Huggins
220 Seiten
ab 8 Jahren
2020 ueberreuter
ISBN: 978–3‑7641–5158‑4
14,95 Euro