„Greta und die magischen Steine“ von Paul Maar und Helga Bansch

Ruhige Farben, ruhi­ge Bilder, Ruhe strah­len auch die Worte aus: In „Greta und die magi­schen Steine“ geht es um ein Mädchen, des­sen Vater auf der Suche nach Gold übers Meer weg­ge­fah­ren und nicht wie­der­ge­kom­men ist, Greta und ihre Mutter kom­men nur gera­de­so über die Runden. Das Buch spielt in einer Zeit ohne Smartphone und Co., als nicht nur die Nächte, son­dern auch die Tage ruhig waren, zumin­dest in den Dörfern, nur die Stimmen der Menschen und die Laute der Tiere waren zu hören, wes­we­gen die „gehei­men Geschöpfe“ sich manch­mal den Menschen zeig­ten: Zwerge und wei­ße Gestalten, die Engel, Elfen oder Feen sein konnten.

Eines Tages kommt eine alte Frau zu Gretas Haus und erbit­tet Milch, die Gretas Mutter jedoch nicht ver­schen­ken, son­dern nur ver­kau­fen will, da sie jeden Pfennig brau­chen. Greta gibt der Frau heim­lich einen Becher Milch, wor­auf­hin die­se sie fragt, ob sie ihren Vater ver­mis­se und war­um sie ihn nicht suche: „Wenn du ihn nicht suchst, wird er nicht kom­men“, sagt die Frau.

Und so geht Greta mit dem Hund Karo zum Meer und war­tet dort. Wird ihr Vater zurück­keh­ren? Und wel­che Rolle spie­len die „magi­schen Steine“? Die ers­te Frage beant­wor­tet das Buch, doch vie­les ande­re bleibt offen, in der Schwebe, nichts wird erklärt, weil nichts erklärt wer­den muss. Wunderschön das Bild am Schluss, auf dem Karo der Hund lächelt, das rührt mich jedes Mal wie­der, die pure Freude, ohne aus dem Tier eine Karikatur zu machen. Helga Bansch schafft das, wenn man die Bilder anschaut, kann man sich kei­ne ande­ren zum Text vor­stel­len, die Illustratorin hat ihre ganz eige­ne Bildsprache, die mit dem Text, der Geschichte eine Einheit bil­det. Einfach, unauf­ge­regt, ruhig, aber vol­ler Tiefe.

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Greta und die magi­schen Steine
Text: Paul Maar, Illustrationen: Helga Bansch
40 Seiten
ab 5 Jahren
annet­te betz 2016
ISBN: 978–3‑219–11695‑3
14,95 Euro

„Jem hört die Haie husten“ von Andreas Hüging

Jem ist elf und ver­bringt drei Wochen sei­ner Sommerferien mal wie­der auf der Nordseeinsel Hummerstrand. Aber nicht in einem Hotel oder Ferienhaus mit sei­nen Eltern, son­dern im Kurheim „Haus Horizont“, zusam­men mit ande­ren Kindern und Jugendlichen, die ent­we­der wie er „Lunge haben“ oder im Rollstuhl sit­zen, Spastiker sind usw. Lieber wäre er mit sei­nen Eltern in Griechenland, doch sein Vater will Extremsport machen und sei­ne Mutter (sagt zumin­dest der Vater) braucht mal ihre Ruhe.

Jems Lunge kommt ziem­lich schnell an ihre Grenzen, wes­we­gen er immer sein Lungenspray dabei­hat. Ausgiebig Sport machen ist für ihn nicht drin, aber ansons­ten ist er ein stink­nor­ma­ler Junge. Einer, der befürch­tet, dass die Ferien im „Hoz“, wie alle das Kurheim nen­nen, ein­fach nur lang­wei­lig wer­den. Das wer­den sie aller­dings so gar nicht: Gleich am Anfang taucht an der Inselküste ein Hai auf und Jem fin­det in sei­nem Tiramisu einen Zettel mit einer Geheimbotschaft. Als er dem Hai nach­spürt und die Botschaft ent­schlüs­selt, steckt er schon mit­ten­drin in einem Abenteuer. Beziehungsweise, sie­he Untertitel des Buches: in der „kri­mi­nells­ten Kur-Geschichte aller Zeiten“ – mit einem Verbrechen, etli­chen Verdächtigen und nicht nur einem, son­dern drei Amateur-Ermittlern.

Denn Jem ist nicht allein unter­wegs, son­dern mit der quir­li­gen Flo (sitzt im Rollstuhl) und dem super­schlau­en Bernd (ist Spastiker). Und er merkt bald: Freunde sind wirk­lich das Beste, was einem pas­sie­ren kann, wenn selt­sa­me Dinge gesche­hen, nie­mand einem glaubt, alle Erwachsenen vor Ort irgend­wie ver­däch­tig erschei­nen und die Eltern am Rad drehen …

Das Buch ist rich­tig gut geschrie­ben, es bleibt bis zum Schluss span­nend und ist zwar wit­zig, aber nicht flach, man wird in Nullkommanichts mit Jem und Co. warm und bleibt bei den lei­se­ren Szenen auch mal län­ger hän­gen. Ein abso­lu­ter Hingucker ist das Cover, das Nina Dulleck gestal­tet hat, und als Extra gibt’s auf den Buchseiten unten ein Hai-Daumenkino.

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Andreas Hüging: Jem hört die Haie hus­ten. Die kri­mi­nells­te Kur-Geschichte aller Zeiten
Lektorat: Kathleen Neumann
Umschlagillustration: Nina Dulleck
184 Seiten
ab 10 Jahren
ueber­reu­ter 2016
ISBN: 978–3‑7641–5097‑6
12,95 Euro

Christiane Kutik: „Herzensbildung. Von der Kraft der Werte im Alltag mit Kindern“

Einerseits kann man sich unter dem Titel etwas vor­stel­len. Andererseits fin­de ich ihn nicht so rich­tig über­zeu­gend. Viel bes­ser ist dage­gen das Coverbild: mit dem Kind, das in sich hin­ein­lä­chelnd vor einer satt­gel­ben Wand sitzt.

Das Buch hat mich posi­tiv über­rascht. Ich hat­te den übli­chen Erziehungsratgeber erwar­tet, mit viel Text, mehr oder weni­ger gut ver­pack­ter Theorie und Regeln, die garan­tiert, viel­leicht oder auch nicht hilf­reich sind. Stattdessen: ver­hält­nis­mä­ßig wenig Text. Am Anfang jedes Kapitels gibt es auf einer Doppelseite ein Bild, schö­ne, star­ke Bilder sind das, die zum jewei­li­gen Kapitel pas­sen. Dann der Text, sozu­sa­gen in Häppchen, mit Zwischenüberschriften. Liest sich sehr schnell. Und lässt bald den Gedanken auf­kom­men, dass man das Buch nach dem Durchlesen noch­mals zur Hand neh­men wird. Womöglich öfter.

Und was steht nun drin? Nichts Neues im Prinzip. Dinge, die auf der Hand lie­gen. Die man aber als Eltern immer mal wie­der lesen und/oder hören muss, weil der Alltag sei­nen Sog hat und es viel zu leicht ist, sich trei­ben zu las­sen. Weil Eltern und Kind sein jetzt anders ist als noch vor zehn Jahren. Weil jede Eltern-Kind-Beziehung etwas Besonderes, Einzigartiges ist, es aber Anhaltspunkte gibt. Das Buch ist eine Einladung an Eltern, ihre Beziehung zum Kind zu reflek­tie­ren, das eige­ne Verhalten infra­ge zu stel­len. Und die­se Einladung ist nicht ver­kopft, man kann sich im Gegenteil gut vor­stel­len, dass die Autorin das so auch erzählt, wenn sie Eltern coacht, nicht dog­ma­tisch, son­dern auf Augenhöhe und mit vie­len Beispielen, kon­kre­ten Situationen, was den Text abwechs­lungs­reich und leben­dig macht.

Wie ist das mit dem Lügen, dem Helfen im Haushalt, dem Smartphone, dem Bestrafen, dem Belohnen, dem Selbstwertgefühl, dem Mitgefühl und und und? Ich fin­de es erstaun­lich, wie viel in die­sem Buch auf gera­de mal 156 Seiten steckt, jede Menge Anregungen zum Nachdenken und gute, ein­fa­che Tipps. Und zwar nicht nur für Eltern von Kleinkindern, son­dern auch von Jugendlichen.

Wenn man Elternblogs oder Elternzeitschriften liest, hat man oft genug den Eindruck, dass die ande­ren in der Erziehung „alles rich­tig machen“, denn wer posaunt schon Fehler und Negatives in die Welt hin­aus? Da ist so ein Buch ganz hilf­reich, weil hier ange­spro­chen wird, was schief­lau­fen kann – aber auf eine auf­bau­en­de Art und Weise eben auch, wie es anders ginge.

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Christiane Kutik: Herzensbildung. Von der Kraft der Werte im Alltag mit Kindern
158 Seiten
Verlag Freies Geistesleben 2016
ISBN: 978–3‑7725–2744‑9
18,90 Euro