Kate Milford: „Boneshaker“

1913 spielt die Geschichte, in Missouri, genau­er in der Stadt Arcane, die nahe einer Kreuzung liegt, was sich als wich­tig her­aus­stel­len wird. Es ist eine Zeit des Umbruchs – in der noch Pferdewagen auf den Straßen unter­wegs sind, aber auch Automobile, in der Elektrizität selbst­ver­ständ­lich ist, aber die Alten noch Kerzen in den Häusern haben. Es ist die Zeit, in der Maschinen und Automaten noch geheim­nis­voll sind, ertüf­telt und erobert wer­den müssen.

In Arcane lebt die drei­zehn­jäh­ri­ge Natalie Minks mit ihrer Familie, Vater und Bruder arbei­ten als Mechaniker, Natalie ist so oft wie mög­lich bei ihnen in der Werkstatt, baut und repa­riert. Wenn sie Fragen zur Stadt und ihren Leuten hat, geht sie zu ihrer Mutter, die alle Geschichten der Stadt kennt und sie gern erzählt.

Als der Doktor von Arcane in der Nachbarstadt weilt, in der eine Epidemie aus­ge­bro­chen ist, über­schla­gen sich in Natalies Stadt die Ereignisse. Es beginnt damit, dass „Doktor Biegebeins phar­ma­zeu­ti­scher Markt und tech­no­lo­gi­sche Medizinausstellung“ vor Ort die Zelte auf­schlägt und mit Vorführungen und Behandlungen die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt in den Bann zieht. Auch Natalie und ihre Freunde Miranda, Ryan und Albert, die bald mer­ken, dass bei Dr. Biegebein und sei­nen Begleitern – Menschen und Automaten – nicht alles mit rech­ten Dingen zugeht.

Natalie muss Dr. Biegebeins Geheimnis auf die Spur kom­men, denn sie spürt, dass ihre Stadt in Gefahr ist. Zugleich geht es ihrer Mutter nicht gut, sie ist stän­dig müde und auf­fal­lend schwach, doch nie­mand sagt Natalie, was los ist. Natalie ist nicht allein auf ihrer Suche, an ihrer Seite sind ihre Freunde und der alte Tom Guyot, der vor lan­ger Zeit mit sei­ner Gitarre dem Teufel per­sön­lich eins aus­ge­wischt hat.

Und irgend­wie hängt alles mit dem Fahrrad zusam­men, das Natalies Vater für sie gefun­den und repa­riert hat, das schnells­te Fahrrad der Welt, auf dem Natalie jedoch kei­nen Meter weit fah­ren kann, ohne hin­zu­fal­len, das ein „Knochenschüttler“, ein Boneshaker ist, bis sich zum Ende hin die Fäden ent­wir­ren und es sich an einer Kreuzung ent­schei­det, ob Natalie die Stadt und die Menschen dar­in ret­ten kann.

Mit „Boneshaker“ lie­fert Kate Milford span­nen­den Lesestoff, am Schluss wird es noch dazu ziem­lich umheim­lich. Der Spagat zwi­schen der ratio­na­len Welt und einer sagen­haft-geheim­nis­vol­len funk­tio­niert sehr gut, und zur gelun­ge­nen Mischung tra­gen auch die Illustrationen von Andrea Offermann bei.

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Kate Milford: Boneshaker
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst (Originaltitel: The Boneshaker)
Illustrationen von Andrea Offermann
381 Seiten, gebunden
ab 13 Jahren
2015 Verlag Freies Geistesleben
ISBN: 978–3‑7725–2774‑6
19,90 Euro

Claire A. Nivola: „Das blaue Herz des Planeten. Die Geschichte einer Meeresforscherin“

In dem Buch von Claire A. Nivola geht es um eine Meeresforscherin – und das Meer. Erzählt wird die Lebensgeschichte von Sylvia Earle, US-Amerikanerin, Jahrgang 1935, Pionierin der Meeresforschung. Ich kann­te sie vor­her nicht, umso fas­zi­nie­ren­der war es, eini­ges aus ihrem Leben zu erfah­ren, mit dem Meer als Beruf und Berufung. Es ist ein Bilderbuch mit rela­tiv viel Text, wobei es auch eine Doppelseite gibt, auf der nur ein Satz steht. Ab sechs Jahren wird es emp­foh­len, und das passt gut. Interessant ist es aber auch für Erwachsene.

Sylvia Earle ging schon als klei­nes Mädchen in New Jersey auf Erkundungen, am Teich beim Haus, im nahen Wald, sie beob­ach­te­te die Pflanzen und Tiere. Als sie zwölf war, zog ihre Familie nach Florida, ans Meer. Zum Geburtstag bekam sie eine Schwimmbrille und erkun­de­te nun das Leben im Wasser in Strandnähe. Und so ging es wei­ter, mit der ers­ten Tauchausrüstung, als Forscherin in einem Tiefsee-Unterwasserlabor, an Bord eines U‑Bootes …

Die Bilder gehen fast alle über eine Doppelseite, fül­len sie jedoch nicht aus. Die Pflanzen im Buch – vom Gras bis zum Baum – sind Blatt für Blatt gemalt bzw. getupft, bunt und bewegt sieht das aus: zunächst die an Land, dann die im Meer. Denn im Meer ist auch Leben, und wie! Dennoch wir­ken die Bilder eher unauf­ge­regt, ruhig. Sie erin­nern mich an Werke von Grandma Moses.

Nur fünf Prozent der Ozeane sind bis­her erforscht, ist im Buch zu lesen – über die Planeten im Weltall wüss­ten wir mehr als über das Meer auf der Erde. Und Sylvia Earle ist der Überzeugung, „dass wir uns kaum ernst­haft dar­um küm­mern, es schüt­zen und in unse­re Obhut neh­men wer­den, solan­ge wir nicht mehr über die Wasserwelten wis­sen und in Erfahrung bringen“.

Und so ist es ja auch: Wir mül­len unse­re Meere zu, wir essen Fische, bis es kei­ne mehr gibt, wir sind umge­ben von Wasser, aber es ist uns fremd. Faszinierend, aber fremd. Das Buch gibt ein paar Einblicke in die­se frem­de Welt, stellt ihre Bewohner vor, unter ande­rem Wale und Kaiserfische, die nicht iden­tisch sind, son­dern ver­schie­den, wie jeder Mensch und jedes Tier an Land auch. Das Buch ist kei­ne gar so leich­te Kost wie vie­le Kinder- bzw. Bilderbücher, es will nicht nied­lich, lus­tig, ori­gi­nell usw. sein, son­dern Kindern wie Erwachsenen das Meer näher­brin­gen, ganz im Sinne von Sylvia Earle, die mehr als 7000 Stunden ihres Lebens unter Wasser ver­bracht hat, um „das blaue Herz des Planeten“ zu erforschen.

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Claire A. Nivola: Das blaue Herz des Planeten. Die Geschichte einer Meeresforscherin
Aus dem Englischen von Brigitte Elbe (Originaltitel: Life in the Ocean – The Story of Oceanographer Sylvia Earle)
32 Seiten, gebunden
2015, Verlag Freies Geistesleben
ab 6 Jahren
ISBN: 978–3‑7725–2635‑0
15,90 Euro

„Ben Fletchers total geniale Maschen“ von T. S. Easton

Schönes Cover hat das Buch, drei Dinge sind dar­auf zu sehen, die in „Ben Fletchers total genia­le Maschen“ eine wich­ti­ge Rolle spie­len: eine Flasche, ein Fahrrad und Wolle. Ben Fletcher ist sieb­zehn und hat Mist gebaut bzw. eher Pech gehabt, als sei­ne Freunde unbe­dingt Mist bau­en woll­ten, dafür bekommt er eine zwölf­mo­na­ti­ge Bewährungsstrafe. Als Bewährungsauflagen muss er Tagebuch füh­ren, einen Abendkurs bele­gen und am Opferhilfsprogramm „Mach es wie­der gut“ teilnehmen.

Tagebuch hat er schon vor­her geschrie­ben, also macht er ein­fach wei­ter, am Anfang beant­wor­tet er ein paar Fragen, die die Bewährungshelferin als Starthilfe stellt: Wer er ist, war­um er Tagebuch führt, war­um er eine Bewährungsstrafe bekom­men hat, wer sei­ne Familie und Freunde sind. Dann hält er fest, was ihm so Tag für Tag passiert.

Für den Abendkurs bekommt er vier Vorschläge: Autoreparatur, Stricken, Töpfern und Microsoft Office für Einsteiger. Er ent­schei­det sich für das Stricken: unter ande­rem, weil den Kurs eine Lehrerin lei­tet, in die er ver­knallt ist. Dumm nur, dass die Namen ver­wech­selt wur­den und die­se Lehrerin tat­säch­lich den Töpferkurs gibt. Aber Ben bleibt trotz­dem, pro­biert das Stricken aus und merkt ziem­lich schnell, dass das abso­lut etwas für ihn ist. Er kann abschal­ten, wenn er strickt, es bringt Ruhe in sein gefühlt chao­ti­sches Teenager-Leben. Ben ist qua­si ein Naturtalent, er lernt schnell und wagt sich schon nach kur­zer Zeit an grö­ße­re Strickprojekte, denkt sich selbst wel­che aus, nimmt sogar an einem Wettbewerb teil.

Allerdings will er nicht, dass außer­halb des Strickkurses jemand von sei­nem neu­en Hobby erfährt, spe­zi­ell sein Vater, doch mit der Zeit wird es immer schwie­ri­ger, die­ses „Geheimnis“ zu bewah­ren, und das spitzt sich natür­lich ordent­lich zu. Es geht nicht nur ums Stricken, auch um die Familie, um die Freunde, Schule, um ein Mädchen, das Ben mag, um Schlägertypen und mehr.

Das Buch ist nicht gera­de ein Problembuch, der Grundton ist locker und opti­mis­tisch, Ben (bezie­hungs­wei­se der Autor des Buches, T. S. Easton) hat eine net­te, stel­len­wei­se leicht iro­nisch-tro­cke­ne Art zu erzäh­len und ist gera­de­zu unheim­lich sym­pa­thisch. Gibt es sol­che tol­len Jungen über­haupt? Na ja, viel­leicht schon. Aber das ist auch nicht so wich­tig, auf jeden Fall ist die Geschichte an kei­ner Stelle lang­wei­lig, alles ist sau­ber mit­ein­an­der ver­wo­ben und löst sich am Ende in einem präch­ti­gen Showdown auf. Hat Spaß gemacht, das zu lesen!

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T. S. Easton: Ben Fletchers total genia­le Maschen
Aus dem Englischen von Wieland Freund und Andrea Wandel (Originaltitel: Boys don’t knit)
1. Auflage 2015
317 Seiten
ab 12 Jahren
ueberreuter
ISBN: 978–3‑7641–7031‑8
14,95 Euro