„Nutze deine Fantasie … aber pass auf, was du dir wünschst!“ von Nicola O’Byrne

Ein klei­ner Hase lang­weilt sich und wünscht sich, das irgend­et­was pas­siert. Da kommt ein Wolf daher und schlägt vor, sich zusam­men eine Geschichte aus­zu­den­ken. Er sei Buchhändler und ken­ne sich mit Geschichten aus. Der Hase müs­se nur sei­ne Fantasie benutzen.

Der Hase hat jede Menge Ideen, der Wolf will jedoch ein Märchen mit einem Bösewicht (= Wolf) und einem Helden (= Hase), das im Wald spielt. Und dann beginnt die Geschichte – damit, dass der Wolf den Hasen jagt. Diese Geschichte gefällt dem Hasen gar nicht, er bleibt ste­hen und nutzt end­lich sei­ne Fantasie, wie er es will, zeigt dem Wolf, wes­sen Geschichte es ist und wer ihr Held ist – er, der Hase!

Hase und Wolf lau­fen auf zwei Beinen und reden, auch von Mimik und Gestik wir­ken sie recht mensch­lich, das nimmt dem Wolf den Schrecken. Er hat zwar spit­ze Zähne, sieht aber nicht all­zu wöl­fisch aus. Der Hase ist extrem nied­lich mit sei­nen lan­gen Ohren, der rosa Nase, den wei­ßen Pfötchen, wie ein klei­nes Kind ist er neu­gie­rig und arg­los. Aber für dumm ver­kau­fen lässt er sich nicht. Gut so!

Die Seiten sind im Grunde weiß, was Ruhe rein­bringt und die Aufmerksamkeit auf Hase und Wolf lenkt. Meist sind nur die zwei zu sehen sowie die Worte, zum Teil in ver­schie­de­nen Schrifttypen und ‑grö­ßen, mal fett, mal kur­siv. Lediglich am Schluss geht die Post bzw. die Rakete ab und auf einem Ausklappposter, das vier Buchseiten groß ist, wird aus dem irdi­schen Weiß ein himm­li­sches Blau.

Also: sehr schö­ne Zeichnungen, eine gute Geschichte und ein Happy End, für den Wolf viel­leicht nicht ganz, aber wer weiß schon, wohin ihn die Fantasie des Hasen bringt? Was mich nicht so rich­tig los­lässt, ist, dass der Wolf sagt, er sei Buchhändler. Im eng­li­schen Original steht „libra­ri­an“, also Bibliothekar. Warum hat die Übersetzerin aus dem eng­li­schen Bibliothekar einen deut­schen Buchhändler gemacht – kön­nen Kinder hier­zu­lan­de damit mehr anfan­gen? Der Hase erwi­dert jeden­falls, der Wolf sehe nicht wie ein Buchhändler aus, und dar­auf folgt ein Dialog wie in „Rotkäppchen“ am Bett der Großmutter bzw. des ver­klei­de­ten Wolfes. Vermutlich brauch­te die Autorin und Illustratorin Nicola O’Byrne einen Experten, der was von Fantasie ver­steht und den Hasen anlei­ten könn­te. Aber aus­ge­rech­net ein Bibliothekar bzw. Buchhändler? Nun ja, las­sen wir das.

Auf der Rückseite hat das Buchcover übri­gens eine vier­ecki­ge Aussparung, durch die der Hase qua­si aus dem Buch schaut. Da muss man das Buch ein­fach in die Hand neh­men und es auf­schla­gen, und liest auf der letz­ten Seite: „Ist Fantasie nicht etwas Wunderbares?“ Ja, das ist sie.

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Nicola O’Byrne: Nutze dei­ne Fantasie … aber pass auf, was du dir wünschst!
Aus dem Englischen von Constanze Steindamm (Originaltitel: Use your ima­gi­na­ti­on but be careful what you wish for!)
36 far­bi­ge Seiten, 23,8 cm x 29,9 cm
2015 Lappan Verlag
ISBN: 978–3‑8303–1225‑3
12,95 Euro

„Tove Jansson. Die Biografie“ von Tuula Karjalainen

Manchmal braucht es wenig, damit ein Buch einen fängt, und bei die­ser Tove-Jansson-Biografie reich­te schon das Bild auf dem Cover. Das war also Tove Jansson, sieht sie nicht umwer­fend aus? Dieses Gesicht ist vol­ler Leben und irgend­wie ver­schmitzt, ich fin­de, da steckt viel Pippi Langstrumpf drin. Jedenfalls war ich neu­gie­rig: Wer war die­se Frau?

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Als Kind und spä­ter wie­der las ich die Mumin-Bücher, durch die Geschichten aus dem Mumintal wur­de Tove Jansson welt­be­rühmt. Letztes Jahr, 2014, hät­te sie ihren 100. Geburtstag gefei­ert, logisch, dass aus die­sem Anlass eine Biografie erschien. Geschrieben hat sie die fin­ni­sche Kunsthistorikerin und Autorin Tuula Karjalainen, die mit Leuten sprach, die Tove Jansson kann­ten, und natür­lich ihre Briefe, Notizbücher, Werke her­an­zog. Herausgekommen ist eine 350-Seiten-Biografie, die einen fes­selt, die auf Quellen fußt, sich aber nicht dar­in ver­liert, die ein­fach leben­dig ist.

Es war gar nicht leicht, das Buch aus der Hand zu legen, nach­dem die letz­te Seite umge­blät­tert war, die­ses Leben hat mich fas­zi­niert. Tove Jansson wur­de 1914 gebo­ren, sie leb­te in Finnland, Helsinki, sprach und schrieb jedoch Schwedisch. Ihre Eltern waren Künstler, der finn­land­schwe­di­sche Vater Bildhauer, die schwe­di­sche Mutter Illustratorin. Tove Jansson arbei­te­te zunächst als Malerin, Grafikerin, Karikaturistin. Erst deut­lich spä­ter begann sie zu schrei­ben, ihr ers­tes Mumin-Buch erschien 1945, das letz­te 1980, natür­lich stamm­ten die Illustrationen auch von ihr. Von 1952 bis 1959 zeich­ne­te sie für die Londoner Zeitung The Evening News Mumin-Comics, die für Erwachsene gedacht waren, sechs pro Woche. Ab 1968 schrieb sie Erzählungen und Romane.

Das Buch liest sich gut, weil die Schrift ordent­lich groß ist, nicht zu groß, aber vor allem nicht so klein wie in man­chen Biografien, in denen so viel wie mög­lich auf die ohne­hin schon sehr zahl­rei­chen Seiten gepresst wird. Das Buch liest sich gut, weil es vie­le Bilder ent­hält: Fotos von Tove Jansson und von Menschen, die ihr wich­tig waren, Werke von Tove Jansson – Gemälde, Comics, Karikaturen, Wandbilder, Selbstporträts. Und das Buch liest sich gut, weil die Verfasserin aus­ge­wo­gen auf Tove Janssons Arbeit und Werk, Leben und Zeit ein­geht, als Einheit sieht und zeigt: die Kindheit in der Künstlerfamilie, die Jugend in der Kriegszeit, die Entwicklung als Malerin, die Mumins, die Männer und die Lebensgefährtin Tuulikki Pietilä. Die Biografin hat sich tief mit Tove Jansson und ihrem Leben aus­ein­an­der­ge­setzt und bringt einem den Menschen und die Künstlerin nahe, aber sie geht nicht zu weit, sie lässt Tove Jansson eine Privatsphäre, wird nicht zu intim.

Besonders span­nend fand ich, dass Tove Jansson sich selbst und Menschen, die sie lieb­te, ins Mumintal geschrie­ben hat, teils ist das wohl recht ein­deu­tig: die Mutter, den Vater, die Lebensgefährtin … Das muss man natür­lich nicht wis­sen, wenn man die Muminbücher liest, aber ich emp­fin­de es als Bereicherung, das zu wis­sen. Eine Bereicherung – das gilt über­haupt für die­ses Buch, für die Biografie die­ser fas­zi­nie­ren­den Frau und viel­sei­ti­gen Künstlerin.

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Tuula Karjalainen: Tove Jansson. Die Biografie
Aus dem Finnischen von Anke Michler-Janhunen und Regine Pirschel
1. Auflage 2014
Hardcover
352 Seiten
ISBN: 978–3‑8251–7900‑7
Urachhaus
36 Euro

„Das kleine Anti-Wut-Buch für Eltern und Kinder“ von Rita Steininger

„Das klei­ne Anti-Wut-Buch für Eltern und Kinder“ ist wirk­lich klein: 12 x 19 Zentimeter, und knapp 120 Seiten. Das find ich schon mal gut, ich mag kei­ne dicken Ratgeber, da lese ich lie­ber einen Roman. Über das Thema hät­te man sicher ein paar Hundert Seiten mehr schrei­ben kön­nen, aber Rita Steininger bringt so eini­ges auf den Punkt. Im ers­ten Teil geht sie dar­auf ein, wie Wut und Aggressionen bei Kindern enste­hen. Im zwei­ten Teil beleuch­tet sie ver­schie­de­ne Alter und Situationen und gibt Tipps, was man kon­kret tun kann, inklu­si­ve Spielen und Übungen gegen die Wut, für mehr Bewegung, zur Entspannung usw. Im drit­ten, letz­ten und sehr kur­zen Teil geht es schließ­lich um die Eltern: die nicht zu viel von sich ver­lan­gen sol­len, aber nie hand­greif­lich wer­den dür­fen. Dazu hat die Autorin wie­der­um Tipps, Übungen und einen „Notfallplan“.

Wie ist das mit der Wut – sol­len Kinder gefäl­ligst kei­ne Wut haben bzw. sie wenigs­tens nicht zei­gen? Falsch, schreibt Rita Steininger, Wut gehört dazu und muss nach außen getra­gen wer­den dür­fen. Der Job der Eltern ist es nicht, Wut zu ver­bie­ten, son­dern dem Kind zu zei­gen, was okay ist und was nicht, wenn man wütend ist. Zum Beispiel: schimp­fen ja, eine ande­re Person beschimp­fen nein.

Und wie war das mit Ausschimpfen und Bestrafen: bringt das was? Nein, so Rita Steininger, denn das erzeugt nur Frust beim Kind, und wenn das Kind mit sei­nem Danebenbenehmen Aufmerksamkeit sucht und erhält, auch wenn es kei­ne ange­neh­me ist, wird es womög­lich bei die­sem Schema blei­ben und Mist bau­en, das gin­ge somit aus Sicht der Eltern direkt nach hin­ten los.

Wie also mit dem Kind umge­hen? Das erzählt Rita Steininger natür­lich auch. Stichworte dazu sind Respekt, Lob, Ermutigung, Gefühle zulas­sen. Ein wich­ti­ger Hinweis ist in mei­nen Augen, dass man, wenn es hoch her­geht, einem etwas nicht passt usw., den ande­ren nicht mit Du-Sätzen bele­gen soll­te (Du machst das falsch, Du bist …). Wie schnell kann das belei­di­gend und ver­let­zend wer­den, egal ob das Gegenüber ein Erwachsener oder ein Kind ist. Und was kann gera­de ein Kind dem entgegensetzen?

„Das klei­ne Anti-Wut-Buch“ lie­fert etli­che Denkanstöße und gute Ideen, gleich ob das Kind ganz frisch oder schon älter ist. Dass es Eltern gibt, die mit dem Buch nichts anfan­gen kön­nen, weil sie schon alles genau­so machen, kann ich mir kaum vor­stel­len, aber selbst für sie (und ihr Kind) blie­ben noch die Spiele und Übungen zum Luftablassen und Entspannen. Kurzum: lesens- und empfehlenswert.

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Rita Steininger: Das klei­ne Anti-Wut-Buch für Eltern und Kinder
1. Auflage 2014
128 Seiten, Paperback
Patmos
ISBN: 978–3‑8436–0556‑4
12,99 Euro