„Da liegt was in der Luft“ von Malin Hörl

Irgendwo in einem klei­nen Ort leben die drei Schwestern Berit, Lotte und Svea, es ist Sommer, ein war­mer, ruhi­ger Tag. Doch Hund Karl merkt es zuerst: Da liegt was in der Luft. Ein Gewitter ist im Anzug, und die Schwestern reagie­ren dar­auf ganz unter­schied­lich: Berit bleibt rela­tiv gelas­sen, Lotte hat Angst, Svea ist vor allem neu­gie­rig, da sie noch nie ein rich­ti­ges Gewitter erlebt hat. Im Verlauf des Gewitters bil­den das Haus und das Draußen Gegenpole: Drinnen ist es ruhig und sicher, außer­halb ist die Natur in Aufruhr, alles scheint in Bewegung, ist ver­dun­kelt und etwas bedroh­lich. Aber nicht so, dass es beängs­ti­gend wir­ken dürf­te, selbst als die dicken, rie­si­gen Gewitterwolken direkt über dem Ort ste­hen, ist da nicht nur Dunkelheit, eher ein nuan­cier­tes Lila mit Blau und auch Helligkeit, und die Blitze sind nicht all­zu zackig, mehr zittrig.

Der ruhi­ge Pol für die drei Schwestern ist ihr Papa, stark und sicher ist er für alle drei da, egal ob sie ängst­lich sind oder nicht. Während des Gewitters geht er mit den Mädchen auf den über­dach­ten Balkon des Hauses und sie beob­ach­ten das Unwetter von dort. Ob so was sinn­voll ist und man nicht bes­ser im Haus blei­ben soll­te, kann ich nicht beur­tei­len, ich wür­de auf jeden Fall das Innere des Hauses vor­zie­hen, wie die Mama der drei Mädchen und Hund Karl …

Das ist viel­leicht eine Botschaft des Buchs: Man muss bei einem Gewitter nicht unbe­dingt Angst haben, aber Respekt ist auf jeden Fall ange­bracht. Schön ein­ge­wo­ben in die Geschichte erfah­ren Kinder, die das Buch vor­ge­le­sen bekom­men, qua­si neben­bei ein paar wich­ti­ge Tipps, wie man sich bei einem Gewitter ver­hal­ten soll­te: falls drau­ßen beim Baden, raus aus dem Wasser; falls im Feld, hin­ho­cken; falls im Haus, Stecker raus­zie­hen usw.

Von Malin Hörl stam­men die Zeichnungen und der Text, sie bil­den eine gelun­ge­ne Einheit. Die Sätze sind ein­fach gehal­ten, aber nicht sim­pel, manch­mal aus­ge­spro­chen poe­tisch: „Svea lauscht. Da ist ein Wind. Ein Flüstern, das an den Zweigen und Blättern zieht und die Bäume dun­kel zum Rauschen bringt.“ Sie fängt die Stimmung vor, wäh­rend und nach einem Gewitter wun­der­bar ein, mit Worten und Bildern. Konturlinien, Schraffuren, sicht­ba­re Zeichenstriche brin­gen Struktur und Bewegung in die Bilder, was hand­ge­macht, leben­dig und „echt“ wirkt.

Das Gewitter ver­zieht sich am Abend, die Mädchen sind müde und wer­den vom Papa ins Bett gebracht, und Svea weiß nun, was sie von Gewittern hält – was, ver­ra­te ich hier natür­lich nicht. Auf dem Buchrücken ganz oben, über dem Titel, ist übri­gens eine klei­ne Wolke mit Blitz. Nur ein Detail, aber eins, das das Buch noch lie­bens­wer­ter macht.

Malin Hörl: Da liegt was in der Luft
Lektorat: Kim Laura Franzke
32 Seiten
ab 4 Jahren
2022 annet­te betz
ISBN 978-3-219-11933-6
14,95 Euro

„Huhu, Herr Schuhu“ von Helen Stephens

Eulen sind nacht­ak­tiv, logisch also eigent­lich, dass der Einband von „Huhu, Herr Schuhu“ dun­kel ist wie die Nacht. Umso hel­ler erscheint die Eule, und die gol­de­ne Schrift, der klei­ne Mond und die Sternchen leuch­ten tat­säch­lich, wenn Licht dar­auf fällt. Los geht es im Herbst, als die Bäume lang­sam kahl wer­den. Jeden Abend schaut Ben aus dem Fenster zum alten, schö­nen Baum vor sei­nem Haus, in dem eine Eule wohnt, und ruft ihr „Hu-huh!“ zu. Die Eule ant­wor­tet dann mit „Huh-hu-huh!“. Ben nennt sie Herr Schuhu. Allerdings sieht und hört nur Ben die Eule, weder sein Papa noch sei­ne Mama bekom­men sie zu Gesicht, sodass sie ver­mu­ten, dass es sich um einen unsicht­ba­ren Freund handelt.

Im Frühling soll die alte Buche gefällt wer­den, eine Frau mit Kettensäge steht eines Morgens beim Baum – doch Ben erzählt von Herrn Schuhu und ver­spricht der Frau und den Leuten aus dem Haus, dass sie am Abend die Eule sehen wer­den. Es wird noch mal brenz­lig, aber so viel sei ver­ra­ten: Es gibt ein Happy End.

Mal erstreckt sich ein Bild über eine Doppelseite, mal sind zwei klei­ne­re Bilder oder ein Bild auf einer Seite – das bringt Abwechslung, eben­so dass die Buchseiten mal schwarz, mal weiß sind. Die ange­nehm kur­zen Textstücke ste­hen da, wo sie am bes­ten zum Bild pas­sen, und manch­mal wird die Schrift auch grö­ßer, wenn Ben zum Beispiel Herrn Schuhu ruft. Die Bilder wir­ken auf­ge­räumt und freund­lich, sie sehen nach Pinsel und Aquarellfarben aus, schwar­ze Striche geben Kontur oder set­zen Akzente. Ein Detail: Ben und sein Papa haben dunk­le­re Haut, sei­ne Mama hel­le­re. Das spielt im Buch über­haupt kei­ne Rolle und soll hier nur erwähnt wer­den, weil ich es gut fin­de, dass sich im Bilderbuchbereich bezüg­lich Diversität etwas zu tun scheint.

„Huhu, Herr Schuhu“ ist ein­fach ein schö­nes Buch und bringt viel­leicht das ein oder and­re Kind dazu, bei Bäumen genau­er hin­zu­schau­en – wel­che Tiere woh­nen dar­in? – und sich Gedanken zu machen: Was pas­siert mit den Tieren, wenn der Baum gefällt wird? Autorin und Illustratorin Helen Stephens erzählt in einem Mini-Nachwort, dass sie Eulen schon immer moch­te und sie bereits als Kind gezeich­net hat. In ihrer Straße hät­te es einst eine Eule gege­ben, die ver­schwand, als alte Bäume gefällt und neue, hel­le­re Laternen auf­ge­stellt wur­den. Das Buch sei „die­ser Eule und allen Wildtieren, die in unse­ren Städten leben“, gewid­met. Natürlich wäre es pri­ma, wenn sich auch die erwach­se­nen Vorleserinnen und Vorleser ange­spro­chen füh­len, schließ­lich sind es Erwachsene, die Bäume fäl­len (las­sen) – und Bäume pflan­zen können.

Helen Stephens: Huhu, Herr Schuhu
Aus dem Englischen von Christiane Lawall
Lektorat: Kim Laura Franzke
40 Seiten
ab 4 Jahren
2021 Annette Betz
ISBN 978-3-219-11940-4
14,95 Euro

„Große Erfinderinnen und ihre Erfindungen“ von Aitziber Lopez und Luciano Lozano

Margaret A. Wilcox hat die Autoheizung erfun­den, Elizabeth Magie Phillips das Monopoly-Spiel, Marion O’Brian Donovan die Einwegwindel (und mehr), Josephine Garis Cochrane den Geschirrspüler, Stephanie Kwolek die Kunstfaser Kevlar. Bekannt sind die­se Namen eher nicht, und wenn man aus dem Stegreif ein paar Erfinderinnen und Erfinder nen­nen soll, fal­len den meis­ten sicher Erfinder, also Männer, ein. Von bestimm­ten Erfindungen und Erfindern liest und hört man immer wie­der, von Erfinderinnen dage­gen kaum.

„Große Erfinderinnen und ihre Erfindungen“ ist ein Bilder-Sachbuch für Kinder ab vier Jahren, in dem vier­zehn Erfinderinnen – dar­un­ter die fünf oben – vor­ge­stellt wer­den. Zwölf von ihnen sind US-Amerikanerinnen, dazu noch eine Österreicherin und eine Spanierin. Etwas ein­sei­tig, aber doch ein Anfang. Die Autorin des Buchs, Aitziber Lopez, stammt aus Spanien und ist Chemikerin. Die Erfinderinnen, die sie aus­ge­wählt hat, wur­den im 19. Jahrhundert oder Anfang des 20. Jahrhunderts gebo­ren, jede hat eine Doppelseite für sich, auf der neben einer gro­ßen Illustration bis zu vier kur­ze Textblöcke ste­hen. Die Autorin geht jeweils kurz auf die Erfindung und ihre Bedeutung ein, außer­dem auf das Leben der Erfinderin und ihre Zeit – und das infor­ma­tiv, abwechs­lungs­reich und nah­bar. Zum einen wer­den die Erfinderinnen am Anfang mit dem vol­len Namen genannt, im Folgenden jedoch nur mit dem Vornamen, zum andern wer­den die Kinder, die das Buch lesen, öfter direkt ange­spro­chen: „Stell dir vor …“, „Denkt euch …“, „Du kannst dir nicht vorstellen …“

Die Illustrationen pas­sen zur Zeit, in der die jewei­li­ge Erfinderin leb­te, Äußeres, Kleidung und Umgebungsdetails sind ent­spre­chend gestal­tet. Wenn Fotos von der Erfinderin exis­tie­ren, hat sich Illustrator Luciano Lozano offen­sicht­lich grob dar­an ori­en­tiert. Nicht jede Erfinderin ist jedoch dar­ge­stellt, so ist von einer, auf die das Unterwasserteleskop zurück­geht, nur der Name Sarah Mather bekannt, sonst nichts. Die Illustrationen sind in Farbe und Formen anspre­chend und ein­la­dend und dazu qua­si aus dem Leben gegrif­fen, wenn zum Beispiel Marion O’Brian Donovan, die die Einwegwindel erfun­den hat, durch das gro­ße Fenster eines Hauses beim Windelnwechseln zu sehen ist. Oder Josephine Garis Cochrane, wie sie bei einem gro­ßen Fest ihren Geschirrspüler benutzt. Eine Prise Schalk oder Humor, ein Augenzwinkern fin­det sich auf jeder Illustration, sowohl in der Situation als auch in den Gesichtsausdrücken von Menschen und Tieren.

Kindern macht die­ses Buch bewusst, was vier­zehn Erfinderinnen erfun­den und geleis­tet haben, erwach­se­ne Vorleserinnen und Vorleser ler­nen auch noch was dazu und dürf­ten neu­gie­rig wer­den, zum Leben der Frauen und ihren Erfindungen zumin­dest mal in der Wikipedia nach­zu­le­sen. Dann erfährt man zum Beispiel, dass Stephanie Kwolek, aus deren Kunstfaser Kevlar Seile, Feuerwehrhelme, Reifen usw. her­ge­stellt wer­den, mit ihrer Erfindung nichts ver­dient hat, da sie das Patent ihrem Arbeitgeber über­schrie­ben hat­te. Solche Bücher sind wich­tig, es soll­te mehr davon geben.

Große Erfinderinnen und ihre Erfindungen
Texte: Aitziber Lopez, Illustrationen: Luciano Lozano
aus dem Spanischen von Svenja Becker
Lektorat: Kim Laura Franzke
36 Seiten
ab 4 Jahren
2020 annet­te betz
ISBN: 978-3-219-11872-8
14,95 Euro