Astrid Frank: „Unsichtbare Wunden“

Leichte Kost ist die­ses Buch nicht, aber wie auch, schließ­lich geht es um Mobbing. Um Mobbing, das einen Menschen kaputt­macht, in die­sem Fall Anna. Anna bekommt zu ihrem 13. Geburtstag von ihrem Vater ein Tagebuch, und kei­ne zwei Jahre spä­ter ist sie tot. Das Buch setzt unmit­tel­bar nach Annas Tod ein, wie ihr Umfeld reagiert, wird an ihrem Vater und ihrem bes­ten Freund Anton und durch deren Augen gezeigt. Während Anton Annas Tod erst nicht fas­sen kann, aber hin­nimmt, wird Annas Vater völ­lig aus der Bahn gewor­fen und kann das Geschehene nicht akzep­tie­ren, vor allem will er um jeden Preis wis­sen, wie es dazu kom­men konnte.

Der Schlüssel dazu ist Annas Tagebuch. Nach und nach, im Wechsel von Tagebucheinträgen und Handlung im Jetzt, also in den Tagen und Wochen nach Annas Tod, erfährt man, wie Anna zum Mobbingopfer wur­de. Wie ein Mädchen mit Prinzipien, kei­ne Außenseiterin, in bzw. von ihrer Schulklasse an den Rand gedrängt und fer­tig­ge­macht wird. Wie Mobbing in der Schule aus­se­hen kann, wird deut­lich, aber nicht pla­ka­tiv geschil­dert, eins ergibt das ande­re: eine neue Mitschülerin, die Anna die bes­te Freundin strei­tig macht. Eine neue Klassenlehrerin, die Mobbing nicht erkennt, viel­leicht nicht erken­nen will, die nicht hilft, son­dern alles noch schlim­mer macht. Annas Hilflosigkeit wächst – als sie von außen kei­ne Hilfe bekommt, wird Hoffnungslosigkeit daraus.

Das Buch ist nicht ein­di­men­sio­nal, es gibt nicht den oder die Schuldigen und die ande­ren sind „nicht schul­dig“, wobei die Klassenlehrerin sehr nega­tiv rüber­kommt, eben­so die neue Mitschülerin. Aber das Mobbing-Netz, in dem Anna sich immer tie­fer ver­fängt, wird von vie­len Personen gewebt und gestärkt, und dass nie­mand ver­steht, was da abläuft, dass nie­mand Anna hilft, ist beim Lesen schon har­ter Tobak.

Die Autorin, Astrid Frank, redet nichts schön. Sie schil­dert fes­selnd und emo­tio­nal, wie ein Mädchen zum Mobbingopfer wird. Die Story hat in mei­nen Augen klei­ne Schwächen, aber die fal­len nicht wei­ter ins Gewicht. Wichtig ist, dass die Komplexität von Mobbing gezeigt wird und dass Mobbing kein Spaß ist, nie. Die Autorin sen­si­bi­li­siert mit die­sem Buch, rüt­telt auf. Deswegen ist es nicht nur eine gute Lektüre für Jugendliche, son­dern auch für Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer und natür­lich für Eltern. Gut, dass es das Buch gibt, über Mobbing darf nicht geschwie­gen werden.

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Astrid Frank: Unsichtbare Wunden
288 Seiten
ab 13 Jahren
Urachhaus 2016
ISBN: 978–3‑8251–7966‑3
15,90 Euro

„Krabbentaucherkacke! Oder: Ein Sommer auf Lumpensand“ von Ina Rometsch und Martin Verg

„Krabbentaucherkacke!“ spielt in den Sommerferien auf einer Insel in der Nordsee, auf Lumpensand, und ja, ich habe gegoo­gelt und – Überraschung! – eine Insel die­sen Namens gibt es nicht. Überhaupt haben auch man­che Personen im Buch lus­ti­ge Namen, Dark Dönnerschlach und Arfst Okke Labersen, um nur zwei zu nen­nen. Die Hauptperson ist der zwölf­jäh­ri­ge Max Lüders, der auf Lumpensand lebt und in der Vogelschutzstation auf der Insel in den Ferien ein Praktikum macht. Leiter der Vogelschutzstation ist bereits erwähn­ter Dark Dönnerschlach, und ein aktu­el­les Forschungsprojekt dreht sich um eine Kolonie von Krabbentauchern (nied­li­che Vögel!), die mehr­mals täg­lich die Insel, Gebäude wie Menschen, mit „Schietstürmen“ überziehen.

Max sam­melt also in den Ferien Vogelkacke und fin­det das sogar toll. Er bekommt bald Gesellschaft von sei­nem Freund Nicola Mustermann aus Hamburg, der in einer Band singt und stän­dig Songs schreibt und damit leben muss, dass sich alle Welt über sei­nen ver­meint­li­chen Mädchen-Vornamen lus­tig macht. Wenig spä­ter kommt noch Dark Dönnerschlachs Nichte Valentine Uhudel aus Wien dazu. Gut, dass Max die bei­den zur Seite hat, denn in der Vogelschutzstation pas­sie­ren merk­wür­di­ge Dinge und der Inselblogger Arfst Okke Labersen ver­däch­tigt Max …

„Krabbentaucherkacke!“ ist eine run­de Sache, von der ers­ten bis zur letz­ten Seite, innen wie außen. Schmissiger Titel, ein hel­les, wit­zi­ges Cover und eine span­nen­de Geschichte – unter ande­rem mit einem Songwettbewerb, einem geheim­nis­vol­len Aufsatz, einem ver­schwun­de­nen Testament und kri­mi­nel­len Erwachsenen. Alles greift inein­an­der, die Figuren sind gut gezeich­net, die 224 Seiten lesen sich weg wie nichts. Viele Bücher schwä­cheln zum Ende hin, „Krabbentaucherkacke!“ nicht. Ein super Buch!

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Ina Rometsch & Martin Verg: Krabbentaucherkacke! Oder: Ein Sommer auf Lumpensand
Illustrationen von Ina Hattenhauer
224 Seiten
ab 10 Jahren
ueber­reu­ter 2016
ISBN: 978–3‑7641–5080‑8
12,95 Euro

„Anna, Anton, Augenstern“ von Kristina Dumas und Ina Worms

Ein Buch zum Thema Namenswahl, wo fängt man da an und wo hört man auf? Nicht ganz leicht, fin­de ich, aber Kristina Dumas und Ina Worms ist das in „Anna, Anton, Augenstern“ wun­der­bar gelun­gen. Los geht es mit zwei Babys, die gera­de auf die Welt gekom­men sind und einen Namen brau­chen, ein Mädchen und ein Junge. Die Eltern ent­schei­den sich für Anna und Anton, und die bei­den Kinder tau­chen dann immer wie­der im Buch auf. Ebenso ein Hund namens Kito, der kom­men­tiert, Fragen stellt oder auch mal nichts sagt.

Die Texte sind eher kurz und in gro­ßer Schrift, die Bilder wir­ken gar nicht sach­buch­mä­ßig, son­dern sehen nach Wimmelbuch aus, sind aber des­we­gen nicht weni­ger auf­schluss­reich. Ganz ver­schie­de­ne Aspekte wer­den beleuch­tet, war­um der Vorname so ein Schwergewicht ist, wer bei der Namenswahl alles sei­nen Senf dazu­gibt, woher die Vornamen stam­men kön­nen, dass sie sich nach Mode und Geschmack rich­ten, Bezug zu einer Region, zur Religion usw. haben können …

Erwähnung fin­den außer­dem Spitznamen und die Tatsache, dass in Deutschland, Österreich und der Schweiz man­che Vornamen nicht erlaubt sind. Der Untertitel „… wie man auf der gan­zen Welt zu sei­nem Namen kommt“ ver­rät schon, dass der Blick über den Tellerrand geht – mit Namensvorbildern aus aller Welt und der Namensfindung kon­kret bei den Inuit, den Lakota und in Island.

„Anna, Anton, Augenstern“ ist infor­ma­tiv, aber nicht über­la­den, die Bilder sind über­sicht­lich und ein­fach schön anzu­schau­en, kurz­um: Das Buch ist eine sehr gute Wahl, wenn Kinder mehr über Vornamen erfah­ren wollen.

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Anna, Anton, Augenstern
oder wie man auf der gan­zen Welt zu sei­nem Namen kommt

Text: Kristina Dumas, Illustrationen: Ina Worms
32 Seiten
ab 5 Jahren
annet­te betz 2016
ISBN: 978–3‑219–11676‑2
12,95 Euro