Kate Frey: „Cat Deal. Die Kunst zu stehlen“

Cat lebt in London, ist sech­zehn, Waise und Diebin. Keine Taschendiebin, son­dern ein-zwei Nummern grö­ßer: Sie steigt gezielt in Gebäude ein, knackt Tresore und bringt die Ware dann ihrer Hehlerin. Das macht sie stets allein, abge­se­hen von Simon, ihrer Ratte. Ja, eine Ratte, die bei Cat im Hausboot wohnt und alles zu ver­ste­hen scheint, was Cat sagt, aber reden kann sie immer­hin nicht.

Als ein Bruch schief­geht, hat Cat ein Problem, und auch sonst wird ihr Leben auf ein­mal ziem­lich auf den Kopf gestellt: Der rei­che eng­li­sche Adlige Lord Peter will sie als Diebin in sein Kunstraub-Team holen und sie trifft einen Jungen, der sie nicht kalt­lässt. Zudem ste­hen in der Schule Prüfungen an und Cat weiß nicht, wie es danach wei­ter­geht, College oder nicht?

Das sind ja schon mal gute Zutaten für eine kurz­wei­li­ge Story, aber, Überraschung: „Cat Deal“ bie­tet mehr. So will Lord Peter die Kunstwerke nicht für sich oder zu Geld machen, son­dern – nun ja, das ver­ra­te ich jetzt nicht. Fand ich jeden­falls eine gute Idee, und sie ver­leiht der Geschichte etwas Tiefe. Interessante Infos sind außer­dem ein­ge­baut zu ganz ver­schie­de­nen Themen, zum Beispiel Einbrechen, Kunstmarkt, Beutekunst, Darknet, Selbstverteidigung für Frauen … Und das meist so, dass es locker rüberkommt.

Falls ich hier Sternchen ver­ge­ben wür­de, bekä­me „Cat Deal“ ziem­lich vie­le, aber nicht alle, da das ein oder ande­re etwas schwä­cher umge­setzt ist als der Rest, und das Ende fand ich eine Spur zu abrupt, auf ein­mal stand da: „to be con­tin­ued“. Ja, eine Sache wird im Buch schon ordent­lich ange­teasert, doch die Lösung gibt’s (wahr­schein­lich) erst im nächs­ten Band. Um noch mal auf die vie­len Sternchen zurück­zu­kom­men: Ich hat­te eine net­te, ein­fach nur unter­halt­sa­me Story erwar­tet und war dann ange­nehm über­rascht – von der Heldin, dem Erzählstil, den Inhalten, den Infos … Im Großen und Ganzen also: ein pri­ma Buch.

Kate Frey: Cat Deal. Die Kunst zu stehlen
Lektorat: Emily Huggins
320 Seiten
ab 12 Jahren
ueber­reu­ter 2017
ISBN: 978–3‑7641–7066‑0
14,95 Euro

Ava Reed: „Wir fliegen, wenn wir fallen“

Manche sei­ner Wünsche und Träume konn­te der alte Phil nicht mehr ver­wirk­li­chen, bevor er starb, und zehn davon ste­hen auf einer Liste, die er sei­nem Enkel Noel und dem Mädchen Yara hin­ter­lässt. Sein letz­ter Wunsch ist, dass sie die­se Liste abar­bei­ten, das Geld dafür bekom­men sie von ihm. Was prak­tisch ist, da eini­ge Punkte auf der Liste doch kos­ten­in­ten­siv sind, zum Beispiel Nordlichter beob­ach­ten und im Louvre alle Bilder ansehen.

Mehr als die Liste an sich macht Noel und Yara zunächst zu schaf­fen, dass sie sie gemein­sam umset­zen sol­len, denn sie ken­nen sich nicht und fin­den sich auf den ers­ten Blick eher ner­vig als nett. Zudem haben bei­de ein ziem­li­ches Päckchen zu tra­gen, die Vergangenheit lässt sie nicht ohne Weiteres los. Und so ist „Wir flie­gen, wenn wir fal­len“ die Geschichte einer Reise, aber auch einer Annäherung.

Passend dazu kom­men Yara und Noel abwech­selnd zu Wort, und in wel­che Richtung sie sich bewe­gen, ver­rät eigent­lich schon das Coverbild, das ich abge­se­hen davon sehr gelun­gen fin­de, Farbe und Motive glei­cher­ma­ßen. Nicht nur der Schutzumschlag ist ein Hingucker, son­dern auch der Bucheinband selbst, weiß mit Pusteblumenschirmchen in die­sem schö­nen Magentaton.

Die Geschichte ist packend und mit viel Gefühl erzählt, sie zeigt zwei jun­ge Menschen in einer Ausnahmesituation, nach dem Tod eines gelieb­ten Menschen und fast non­stop auf auf­re­gen­den Reisen, was natür­lich ein dank­ba­res Setting ist – Alltag und ande­re (wich­ti­ge) Menschen kön­nen ein­fach aus­ge­blen­det wer­den, im Prinzip gibt es nur die­se zwei, Yara und Noel. Was ich zu wenig und ins­ge­samt manch­mal etwas flach umge­setzt fin­de, aber das stört letzt­end­lich kaum und die meis­ten Teenager, für die die­ses Buch gedacht ist, wahr­schein­lich über­haupt nicht.

Ava Reed: Wir flie­gen, wenn wir fallen
Lektorat: Emily Huggins
300 Seiten
ab 12 Jahren
ueber­reu­ter 2017
ISBN: 978–3‑7641–7072‑1
16,95 Euro

„Miranda Lux“ von Oliver Schlick

Miranda Lux ist fünf­zehn und lebt mit ihrer Tante Trudi, der älte­ren Schwester ihres Vaters, in einem höchst unge­wöhn­li­chen gro­ßen Haus, bei dem sich außen Elemente ver­schie­dens­ter Baustile tref­fen und das auch innen so man­che Überraschung parat hält. Das Haus passt per­fekt zur Lux-Familie, denn Mirandas Eltern waren sozu­sa­gen Experten fürs Ungewöhnliche, UFOs und Außerirdische inklu­si­ve. „Waren“ des­halb, da sie vor Jahren bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kamen. Was Miranda aller­dings bezwei­felt, sie ist der Meinung, dass ihre Eltern seit­dem nur ver­schwun­den sind.

„Zweifeln“ ist ein gutes Stichwort, das spielt für Miranda und für das gan­ze Buch eine gro­ße Rolle. So ist Miranda Mitglied in einer gehei­men Organisation, dem „Zweifelwerk“, dem Menschen ange­hö­ren, die alles, was als „die Wahrheit“ ver­kauft wird, hin­ter­fra­gen und der Meinung sind, dass es von einem Geschehnis immer min­des­tens zwei Versionen bzw. Geschichten gibt. Das Zweifelwerk beschäf­tigt sich unter ande­rem mit einer Reihe von Todesfällen, die durch sieb­zehn Zeilen der anti­ken Tragödie „Ajax“ von Sophokles mit­ein­an­der ver­bun­den sind. Und bei den „Ermittlungen“ zu die­sen Todesfällen kommt Mirandas Geschichts- und Klassenlehrer Viktor Carelius ins Spiel, des­sen Weltbild dabei gehö­rig erschüt­tert wird – kein Wunder bei dem, was ihm alles so pas­siert und begegnet …

Die Geschichte ist aus Mirandas und Viktor Carelius‘ Sicht erzählt, und zwar so, dass man die knapp 400 Seiten am liebs­ten in einem Rutsch lesen möch­te. Sie ist rund und kom­plex gestrickt, humor­voll, zuwei­len leicht ver­rückt, und sie nähert sich dem Thema Außerirdische, UFOs, Verschwörungstheorien auf eine unver­krampf­te, fes­seln­de und span­nen­de Art. Ihr größ­ter Pluspunkt ist wahr­schein­lich das Figurenensemble. Denn nicht nur die zwei Hauptpersonen Miranda und Viktor Carelius sind rich­ti­ge Charaktere, son­dern auch die Personen um sie her­um: Tante Trudi mit ihrer Vorliebe für kit­schi­ge Serien und ihrer bedin­gungs­lo­sen Liebe zu Miranda, Viktor Carelius‘ Vermieter Frizzi, ein Alt-Punk mit Ordnungsfimmel, der win­di­ge Esoterik-Verleger Weirdo Wunderlich … sogar der Opa, der auf der Bank am Markt sitzt und nur ein ein­zi­ges Mal erwähnt wird, ist nicht ein­fach nur ein Opa, son­dern bekommt ein Stückchen Individualität. Das macht das Buch echt und leben­dig, und was will man von einem Buch mehr?

Na ja, viel­leicht eine Fortsetzung. Denn die­se eine Geschichte ist am Ende zwar mehr oder weni­ger abge­hakt, aber so ganz dann doch nicht …

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Oliver Schlick: Miranda Lux – Denken heißt zwei­feln oder war­um jede Geschichte zwei Seiten hat
400 Seiten
ab 12 Jahren
ueber­reu­ter 2016
ISBN: 978–3‑7641–7059‑2
16,95 Euro