„Unsere einzige Erde“ von Franz Alt mit Fotografien von Helfried Weyer

Vor etli­chen Wochen hat­te ich schon ein­mal begon­nen, das Buch zu lesen. Aber irgend­wie war nicht der rich­ti­ge Zeitpunkt dafür. „Unsere ein­zi­ge Erde“ von Franz Alt mit Fotografien von Helfried Weyer hat Bildbandformat und einen fes­ten Einband, man kann es nicht unbe­dingt über­all mit hin­schlep­pen und lesen, man muss sich, fin­de ich, schon Zeit dafür neh­men. Und die rich­ti­ge Zeit für mich war jetzt.

Wenn man das Buch will­kür­lich auf­schlägt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man eine Seite mit Foto erwischt. Die Aufnahmen zei­gen zum gro­ßen Teil Naturlandschaften, von Fluss über Wüste und Felsgruppe bis Eisberg zu ver­schie­de­nen Tageszeiten. Es sind wun­der­ba­re Bilder, in denen man sich ver­lie­ren kann. Diese Formen und Farben, das Licht. Ein Stück hei­le Welt. Fotografien mit Tieren und Menschen gibt es auch, alle­samt wir­ken sie recht idyl­lisch, zei­gen nicht die Zerstörung, son­dern die Schönheit.

Doch ein­fach so zum Durchblättern ist das Buch nicht, denn da ist noch der Text von Franz Alt, in drei Teile geglie­dert: „Die Herausforderung der Gegenwart“, „Die Lehren der Vergangenheit“ und „Liebeserklärung an die Zukunft“. Der Inhalt lässt sich zum Beispiel so zusam­men­fas­sen: Die Menschen zer­stö­ren die Erde. Indem die Menschen die Erde zer­stö­ren, zer­stö­ren sie ihre Lebensgrundlage und letzt­end­lich auch sich selbst. Die Menschen kön­nen das noch ändern, unter ande­rem, indem sie viel mehr auf erneu­er­ba­re Energien – vor allem Sonnenenergie – set­zen und nicht wei­ter gegen die Natur anar­bei­ten, son­dern „Frieden mit der Natur“ schlie­ßen. Das ver­bin­det der Autor mit der Bibel, der Schöpfungsgeschichte und vor allem Jesus, dem „öko­lo­gi­schen Jesus“.

Der Vorteil einer sol­chen Zusammenfassung ist, dass sie etwas auf den Punkt bringt. Der Nachteil besteht dar­in, dass etwas auf den Punkt gebracht wird, was doch recht viel­ge­stal­tig und kom­plex ist und was Franz Alt so in Worte fasst, dass es berührt und anregt, sich Gedanken zu machen oder viel­leicht sogar etwas anzu­pa­cken. Wir wis­sen ja alle, dass es um die Welt nicht zum Besten steht, und ver­mut­lich ist es der leich­tes­te Weg, den Kopf in den Sand zu ste­cken und das so gut es geht zu igno­rie­ren. Der Autor schaut nicht weg, und den­noch bleibt er opti­mis­tisch: „Alle Probleme, die Menschen geschaf­fen haben, sind auch von Menschen lös­bar. Das ist ein­fach logisch, schöp­fungs­lo­gisch“, schreibt er. Wenn das kein gutes Schlusswort ist …

Unsere ein­zi­ge Erde. Eine Liebeserklärung an die Zukunft
Text: Franz Alt, Fotografien: Helfried Weyer
144 Seiten
2019 Patmos Verlag
ISBN 978-3-8436-1140-4
28 Euro

„Abschied von meiner Oma“ von Stephan Sigg

Das Buch ist schön anzu­se­hen, anspre­chen­des Cover, fes­ter Einband, Lesebändchen. Es hat knapp über 130 Seiten und den Titel kann man wört­lich neh­men: In „Abschied von mei­ner Oma“ geht es um den Abschied des Autors, Stephan Sigg, von sei­ner Oma, die mit über acht­zig Jahren nach län­ge­rer Krankheit gestor­ben ist. Aufgezogen ist das wie ein Brief oder wie ein (ein­sei­ti­ges) Gespräch mit der Großmutter, also „du warst …“, „ich war …“ und „wir waren …“. Dieses „du“ kann irri­tie­ren oder gera­de Nähe und Unmittelbarkeit sug­ge­rie­ren. Der Autor ver­wen­det zum Großteil Präteritum, ein­zel­ne Szenen ste­hen im Präsens. Dieses „du“ in Kombination mit Verben im Präteritum liest sich stre­cken­wei­se etwas anstren­gend, auf Seite 96 zum Beispiel: „du wirk­test“, „du lie­ßest“, „du nipp­test“, „du gönn­test“, „du ermun­ter­test“. Es ist nicht auf allen Seiten so extrem, aber das hät­te man viel­leicht doch lese­freund­li­cher lösen können.

Es ist also die Geschichte einer bestimm­ten Oma und ihres Enkels, der Enkel erzählt, was die Oma für ihn aus­mach­te, was er von ihr wuss­te und was er im Nachhinein gern gewusst hät­te, was sie mit ihm unter­nom­men hat, wel­che Rolle sie für ihn gespielt hat. Und wenn der Enkel sei­ner Oma zum Abschied ein Buch wid­met, kann man sich schon den­ken, dass das eine beson­de­re Beziehung war. Eine enge und eine sehr posi­ti­ve, es gibt kei­ne Brüche, kei­ne Missklänge, bloß viel Liebe und schö­ne Erinnerungen. Was nicht heißt, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen war im Leben der Oma, auch nicht in den Augen des Enkels – aber das hat­te kei­nen Einfluss auf die Zeit, die sie mit­ein­an­der ver­brach­ten, auf die Oma-Enkel-Beziehung.

Hatte oder hat die Leserin, der Leser eine ähn­lich exklu­si­ve, rund­her­um posi­ti­ve Beziehung zu den eige­nen Großeltern, dürf­te die Lektüre Erinnerungen wecken und auch rüh­ren. Selbst wenn die Großeltern ganz ande­re Lebensläufe als die Oma des Autors hat­ten oder haben, so gibt es doch mit gro­ßer Wahrscheinlichkeit bestimm­te Gemeinsamkeiten: dass das Enkelkind das Größte ist, dass es bei Oma und Opa mehr darf als bei den Eltern, dass es ver­wöhnt wird und bedin­gungs­los geliebt. Und dass die Großeltern und ihre Liebe nach ihrem Tod wei­ter­le­ben in der Erinnerung des Enkelkinds. Über die­se Liebe kann man ruhig viel reden und schrei­ben und lesen, ich den­ke, davon zehrt man ein Leben lang.

Stephan Sigg: Abschied von mei­ner Oma. Wie es ist, wenn Großeltern gehen
136 Seiten
2019 Patmos Verlag
ISBN 978-3-8436-1164-0
15 Euro

„Männer trauern anders“ von Thomas Achenbach

Wie trau­ern Männer denn, tat­säch­lich „anders“? Anders meint hier: anders als Frauen. Thomas Achenbach, Redakteur und Trauerbegleiter, hat dazu ein gan­zes Buch geschrie­ben, das aller­dings nicht pri­mär für trau­ern­de Männer gedacht ist, son­dern für Menschen, die mit trau­ern­den Männern zu tun haben. Entsprechend lau­tet der Untertitel des Buches: „Was ihnen hilft und gut­tut“, und im Klappentext steht unter ande­rem: „Ein Buch, das hilft, trau­ern­de Männer bes­ser zu ver­ste­hen und zu begleiten.“

Gleich vor­ab: Mich über­zeugt der Ansatz „Männer trau­ern anders“, so wie er in die­sem Buch umge­setzt ist, nicht. An etli­chen Stellen ver­sucht der Autor gar zu kramp­fig, Unterschiede zu Frauen oder ver­meint­li­che Besonderheiten bei Männern her­aus­zu­strei­chen, das macht das Lesen etwas anstren­gend. Meines Erachtens las­sen sich Männer von 18 bis 100+ Jahren nicht in einen Topf wer­fen, da die Lebenswelten gar zu ver­schie­den sind. Und selbst inner­halb der Altersgruppen dürf­ten die Unterschiede in der Trauer sehr groß sein, genau­so wie übri­gens bei Frauen. Ich fin­de es nicht hilf­reich, Männer auf eine Art Trauerpodest zu heben und sie als etwas Besonderes dar­zu­stel­len. Das Paradoxe ist ja, dass der Autor von sei­nem Ansatz selbst nicht so rich­tig über­zeugt zu sein scheint, lau­ten die letz­ten Sätze im letz­ten Kapitel doch: „Die Männertrauer, die eine, mess­ba­re, mus­ter­gül­ti­ge – die gibt es den­noch nicht. Denn Männer sind auch nur Menschen. Und immer anders. Das ist ja gera­de so span­nend an ihnen.“

Da fra­ge ich mich schon, war­um der Autor nicht gleich ein Buch zum Beispiel mit dem Titel „Männer trau­ern“ geschrie­ben hat. Wozu das „anders“? Dann hät­te er sich auf Männer in Trauer kon­zen­trie­ren und dar­auf ver­zich­ten kön­nen, Frauen als Gegenpol, als eine ein­zi­ge, homo­ge­ne „Masse“ zu insze­nie­ren. Schade drum, denn wenn der Autor über Trauerarbeit und -beglei­tung schreibt, wird es durch­aus inter­es­sant. Das Buch hat neun Kapitel, stark fand ich Kapitel 7, in dem es um trau­ern­de Menschen und Musik geht. Konkret natür­lich um trau­ern­de Männer, aber gut.

Ich den­ke, das Buch ist etwas für Laien bzw. Menschen ohne Erfahrung in der Trauerbegleitung, der Autor behan­delt unter ande­rem fol­gen­de Themen: Ohnmacht, Reden, Extreme, Alltag, Arbeiten. In einem Extra-Kapitel gibt er Tipps, wie man einen guten Trauerbegleiter fin­det. Im Trauerprozess möch­te er lie­ber nicht von den übli­chen „Phasen“ reden, son­dern von „Aufgaben“, wobei er den Begriff „Aufgaben“ wie­der­um auch nicht für unpro­ble­ma­tisch hält, da Trauer „nicht ein­fach ‚mach­bar‘ “ sei. Was ich wie­der­um etwas beschränkt fin­de, da „Aufgabe“ ein rela­tiv wei­ter Begriff ist, nicht umsonst gibt es auch Wörter wie „Lebensaufgabe“. Aber „Aufgaben“ statt „Phasen“ gefällt dem Autor natür­lich bes­ser, da die Idee „etwas zutiefst Männliches“ sei, Trauer nicht als „pas­si­ves Durchleben“, son­dern als „akti­ves (Mit-)Steuern“ zu sehen. Am Ende des Buchs schreibt er, er habe ver­sucht, Klischees zu ver­mei­den, aber da muss ich sagen: Das ist ihm durch­gän­gig eher nicht gelun­gen. Dennoch: Das Buch bie­tet Gedankenanstöße und Ideen, wie man mit Trauer umge­hen oder ande­re dabei unter­stüt­zen kann. Insofern hat sich die Lektüre doch gelohnt.

Thomas Achenbach: Männer trau­ern anders. Was ihnen hilft und guttut
Lektorat: Andrea Langenbacher
168 Seiten
2019 Patmos Verlag
ISBN 978-3-8436-1131-2
17 Euro