Ein ganzes Buch zum Thema Selbstwertgefühl – ich schätze, ich hatte mit einigen allgemeinen Infos und jeder Menge Tipps gerechnet. Tipps gibt es auch, aber irgendwie anders als erwartet. Gleich in der Einleitung erfährt man, welchen Stellenwert Autor Heinz-Peter Röhr dem Selbstwertgefühl beimisst: „Für nahezu alle psychischen Probleme und Krankheiten, die keine biologischen oder organischen Hintergründe haben, ist ein gestörtes Selbstwertgefühl die eigentliche Ursache.“
Kurz geht er darauf ein, wie sich das Selbstwertgefühl entwickelt, das geschehe maßgeblich während der ersten sechs Lebensjahre und die Gene würden dabei eine wichtige Rolle spielen. Das Selbstwertgefühl werde von „inneren Programmen“ bzw. Glaubenssätzen gesteuert, wie zum Beispiel: „Ich lerne leicht“, „Ich habe immer Glück“, „Ich habe es schwer“, „Keiner mag mich“ usw.
Von entscheidender Bedeutung für das Selbstwertgefühl seien drei Fragen: 1. „Bin ich willkommen?“, 2. „Genüge ich?“ und 3. „Bekomme ich genügend Liebe und Zuwendung?“ Wenn die Antworten auf diese drei Fragen positiv ausfallen, habe man in der Regel „eine stabile Grundlage für sein Selbstwertgefühl“.
Das Selbstwertgefühl leide jedoch, wenn negative innere Programme laufen, „geheime Programme“ nennt Heinz-Peter Röhr sie, da man sie verstecke bzw. sie einem gar nicht bewusst seien. Mit den geheimen Programmen „Ich bin nicht willkommen“, „Ich genüge nicht“ und „Ich bin zu kurz gekommen“ setzt er sich näher auseinander. Wenn man sich beispielsweise nicht willkommen fühle, versuche man, dem mit verschiedenen Strategien bzw. Gegenprogrammen zu begegnen, wie Anpassung, Verhaltensstörungen, Suchtmitteln. Diese Gegenprogramme würden jedoch nicht helfen, das könne einzig die Installation des Gegenprogramms „Ich bin willkommen“.
Direkt einfach und allgemein ist das Buch also nicht. Der Autor hat ein System entwickelt, das im Prinzip gut nachvollziehbar ist, auch dank etlicher Fallbeispiele. Egal ob einen dieses System, dieser Ansatz überzeugt oder nicht, in jedem Fall kann man etliche Denkanstöße, Impulse aus der Lektüre mitnehmen, zum Verstehen von bestimmten Verhaltensweisen, zur Beziehung zwischen Eltern und Kind und dazu, wie man das Selbstwertgefühl von Kindern konkret fördern kann. Es geht auch beileibe nicht „nur“ um das Kind, sondern ebenfalls um die Erwachsenen, um die Eltern, die sich fragen sollten, welche geheimen Programme bei ihnen womöglich ablaufen und wie sich das auf das Kind auswirken könnte.
Kurzum: Auf 176 Seiten mit relativ kleiner Schrift hat Heinz-Peter Röhr viel Expertenwissen und Erfahrung zusammengetragen – er ist Pädagoge und hat über 30 Jahre an einer Fachklinik für Suchtmittelabhängige gearbeitet. Die eine leichte Antwort auf die Frage „Wie ich meinem Kind zu einem starken Selbstwertgefühl verhelfe“ gibt es sicher nicht, aber das Buch bietet dazu die ein oder andere Antwort und zahlreiche Anregungen.
Heinz-Peter Röhr: Wie ich meinem Kind zu einem starken Selbstwertgefühl verhelfe
176 Seiten
Patmos 2017
ISBN: 978–3‑8436–0995‑1
16 Euro