’s Raachermannel

Was ein Räuchermann, Räuchermännchen, Raachermannel ist, hat sich, glau­be ich, mitt­ler­wei­le her­um­ge­spro­chen. Es gibt sie hand­ge­macht aus dem Erzgebirge und bil­lig aus China. Fußball spie­len soll­te man mit bei­den nicht, aber damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.

Das Raachermannel war ursprüng­lich männ­lich, es rauch­ten Bergleute, Hausierer, Förster und ande­re grund­ehr­li­che Berufsgruppen. Heute gibt es auch rau­chen­de Frauen und Tiere. Sie lau­fen eben­falls unter dem Titel „Räuchermännchen“, so dass das Männchen sozu­sa­gen ent­mannt und ver­säch­licht wur­de. Während das gute alte Raachermannel, das tat­säch­lich ein Mann war, nur in der Adventszeit das Licht der Stube erblick­te und erblickt, gibt es jetzt Modelle, die so weit weg sind von Weihnachten, dass man sie getrost mit Räucherkerzen aus dem Eine-Welt-Laden füt­tern und auch im Sommer anwer­fen kann.

Ein sol­ches säch­li­ches Räuchermännchen, ein Räuchertier, nen­ne ich mein eigen (es war ein Geschenk!) – einen Räucherdrachen. So abwe­gig ist ein Räucherdrachen nicht, denn schließ­lich haben damals die Drachen durch­aus geraucht, bevor sie Ritter Georg vom Felsen war­fen oder eine Jungfrau ver­speis­ten. Vielleicht roch ihr Rauch sogar nach Weihrauch, wer weiß das schon.

Räucherkerzen sind ja auch so ein Thema. Die ech­ten rie­chen nach Weihrauch, bas­ta. Aber weil schwarz und Weihrauch irgend­wann zu lang­wei­lig wur­de, gibt es nun Räucherkerzen in allen mög­li­chen Farben und Düften. Damit soll­te man aber vor­sich­tig sein, man­che sind wirk­lich umwer­fend. (Nie wieder …)

Natürlich gibt es Lieder zum Räuchermännel, eins stammt von Erich Lang und heißt „s Raachermannel“. Das ist ein schö­nes Lied (kei­ne Ironie), und wenn man einen Interpreten erwischt, der nicht so furcht­bar hoch singt, ist das eine wun­der­ba­re Melodie zum Advent.

’s Raachermannel

Gahr fer Gahr gieht’s zen Advent of’n Buden nauf, werd a Mannel
auf­ge­weckt: „Komm, nu stist de auf!“ Is es unten in der Stub,
rührt sich’s net von Flack; ’s stieht, wu’s stieht. Doch ball gieht’s lus: ’s bläst de Schwoden
wag. Wenn es Raachermannel naa­belt un es sogt kaa Wort derzu
un der Raach steigt an der Deck nauf, sei mer alle­zamm su
fruh. Un schie ruhig is in Stübel, steigt der Himmelsfrieden
ro, doch in Herzen lacht’s un jubelt’s: Ja, de Weihnachtszeit is do!

Unzustellbar zugestellt

Wenn man sich über die Post unter­hält, kommt sie oft schlecht weg, denn dann wird ordent­lich Negatives her­aus­ge­kramt. Wozu soll­te man es auch hono­rie­ren, dass die meis­ten Briefe dort lan­den, wo sie hin­ge­hö­ren, das ist ja schließ­lich der Job der Postmenschen …

Aber manch­mal wun­dert man sich doch, was alles so ankommt. Ein Beispiel? Bitte schön:

Erläuterung: Es gibt kei­nen Ort bzw. kei­ne Stadt namens Schwarzenbeck. Dafür ein Schwarzenbek. Wo ich aller­dings nicht woh­ne. Dennoch lag der Brief in mei­nem Briefkasten. Nanu?

„Lauter süße Sachen“

Adventszeit. Nikolaus ist über­stan­den, die Schokoladenvorräte sind auf­ge­stockt, (zu) viel davon ist bereits im Magen gelan­det. Wie gut, dass es zur Abwechslung mal um Schokolade auf Papier gehen soll: Auf mei­nem Schreibtisch liegt, noch ein­ge­schweißt, Jana Männigs „Lauter süße Sachen – Von Brockensplittern, Bambina & Hallorenkugeln. Die Schokoladenseite der DDR“. Das aus­ge­pell­te Buch riecht appe­tit­lich nach Papier und Druck. Mein Eindruck nach einem ers­ten Durchblättern: ange­neh­me, hel­le Farben, die Seiten sind luf­tig und über­sicht­lich gestal­tet, sehr vie­le Bilder, auf jeder Seite min­des­tens eins. Außerdem: gute, fes­te Papierqualität, Hardcover.

Buch auf, los gehts. (Räusper.) Noch ein Schokoladenbuch! Was soll das? Kommt hier wenigs­tens was Neues? Antwort im Buch: „Hier und jetzt geht es um Schokoladenproduktion auf deut­schem Boden – bes­ser noch auf Deutschem Demokratischem Boden! Nehmen Sie sich eine Tüte Knusperflocken mit und las­sen Sie uns weit zurückgehen!“

Knusperflocken. Alles klar? Das sind die­se klei­nen Spritzberge von Zetti, die ein Beweis dafür sind, wie lecker Ausschuss sein kann – denn neben Kakao gehört in die Knusperflocken auch Knäckebrot, das in Form von Knäckebrotbruch von der Burger Knäckebrotfabrik gelie­fert wur­de. Irgendwann reich­te der Bruch nicht mehr aus, so dass man zusätz­lich intak­tes Knäckebrot neh­men musste.

Geschichten wie die­se fin­det man nicht bei Wikipedia und im Web. Sie sind auch ein Grund dafür, war­um sich das Buch bes­tens in einem Rutsch lesen lässt. Wer lie­ber her­um­blät­tert und irgend­wo mit Schmökern anfängt, kann das eben­falls pro­blem­los tun, denn in den Kapiteln wird jeweils in sich geschlos­sen eine Schokofabrik (VEB Rotstern, VEB Halloren, VEB Zetti usw.) vor­ge­stellt oder ein Thema behan­delt, z. B. Werbung, Süßes für Diabetiker und Verpackungsgestaltung.

Was ich nicht wuss­te, nicht wis­sen konn­te, ist, wie breit­ge­fä­chert das Angebot an Süßigkeiten war, die in der DDR pro­du­ziert wur­den: Neben den heu­te noch bzw. wie­der bekann­ten Marken sind da Namen wie „Datschi“ (Vollmilchpralinen), „Honey“ (Schokoriegel), „Mon Plaisir“ (Pralinen) und „Roxe“ (Bonbons). Von Gummitieren über Schokoladenhohlkörpern bis Nougatriegel gab es eigent­lich alles – theo­re­tisch. Praktisch war vie­les nur für den Export bestimmt, lan­de­te nicht in den Kaufhallen, son­dern in Exquisit-Läden oder konn­te auf­grund Rohstoffmangels oder Produktionsvorgaben immer mal nicht pro­du­ziert werden.

Kakao war nicht nur in den Anfangsjahren der Produktion eine Mangelware, die gegen Devisen impor­tiert wer­den muss­te. Aber man war ja erfin­de­risch! So wur­de der Kakaogehalt in Schokoladen nach unten gedrückt und man such­te nach kakao­frei­en Alternativen. Das war die Geburtsstunde von Vitalade und Schlager-Süßtafel, Experimenten aus Erdnüssen, Mehl, Pflanzenfetten usw.

„Legionen von Jugendforscherkollektiven ver­dien­ten sich ihre Sporen bei der Erfindung von Ersatzstoffen, die die Herstellung von preis­wer­ten und den­noch lecke­ren Süßigkeiten ermög­li­chen soll­ten. Gelungen ist ihnen das nicht immer, aber im Falle der legen­dä­ren ‚Fruchtigen 12‘ schon!“

Was es im Buch noch zu erfah­ren gibt: Wie teu­er die Süßigkeiten waren, was es mit der lila Kuh des Ostens auf sich hat, was Nougatstangen mit Zigarrenpackmaschinen zu tun haben, seit wann es in der DDR Kaugummi und wei­ße Schokolade gab, was ein „Stielbonbon“ ist und vie­les mehr.

Fazit: Eine infor­ma­ti­ve und kurz­wei­li­ge Lektüre! Kleinkritelei: Manchmal hät­te es ein wenig aus­führ­li­cher sein kön­nen. Wie war das z. B. mit Zusatzstoffen, also Aromen und Co.? Was bedeu­te­te das Warenzeichen für Diabetikersüßigkeiten? Für mei­ne Begriffe gibt es zu vie­le Ausrufesätze, stel­len­wei­se ist der Stil etwas salopp („Weltkrieg Nummer Zwo“). Die Tabellen im Anhang mit gepunk­te­ten Linien sind auch leicht gewöh­nungs­be­dürf­tig, aber lang­wei­lig wir­ken sie dadurch schon mal nicht!

Wie der VEB Zetti zu sei­nem Namen kam, stand nicht im Buch, des­we­gen wen­de ich mich mal an Euch: Habt Ihr eine Idee? Für die über­zeu­gends­te (lus­tigs­te? krea­tivs­te?) Antwort gibt es eine Tafel Bambina (die auch aus dem Hause Zetti kommt) von mir.

Steckbrief:

„Lauter süße Sachen – Von Brockensplittern, Bambina & Hallorenkugeln. Die Schokoladenseite der DDR“
Jana Männig (Mitarbeit Uwe Hessel)
BuchVerlag für die Frau
November 2009
136 Seiten
14,90 Euro