„Der weltbeste Detektiv“ von Caroline Carlson

Toby Montrose ist die letz­ten drei Jahre von einem Verwandten zum ande­ren gereicht wor­den, um zuletzt bei sei­nem Onkel Gabriel zu lan­den, der Privatdetektiv ist und in der Schnüfflergasse in Colebridge lebt. Dort woh­nen nur Detektive, dar­un­ter der gro­ße und berühm­te Hugo Abercrombie, der vor Jahren den berüch­tig­ten Halsabschneider stell­te und längst der Held sei­ner eige­nen Detektivzeitschrift „Sphinx“ ist.

Seit sei­ne Eltern vor drei Jahren ver­schwun­den sind und für tot erklärt wur­den, fühlt Toby sich vom Unglück ver­folgt. Da Onkel Gabriel kaum Aufträge hat und die Rechnungen sich sta­peln, sieht Toby sich schon im Waisenhaus, gibt es doch kei­nen Verwandten mehr, zu dem er noch abge­scho­ben wer­den könn­te. Als Onkel Gabriel einen Brief von Hugo Abercrombie bekommt, eine Einladung zu einem Wettbewerb, bei dem in einer klei­nen Runde Abercrombies Nachfolger als „welt­bes­ter Detektiv“ ermit­telt wer­den soll, hat Toby wie­der Hoffnung, denn die Person, die den gestell­ten Fall zuerst löst, soll auch 10 000 Pfund bekom­men. Genug Geld, um alle Rechnungen zu bezahlen!

Onkel Gabriel nimmt die Einladung nicht an, da er Abercrombie nicht aus­ste­hen kann und an dem Wochenende sowie­so im Ausland ist. Toby setzt also alles dar­an, selbst nach Coleford Manor zu kom­men, wo Hugo Abercrombies Detektivwettbewerb statt­fin­den soll. Es gelingt ihm zwar, aber in dem rie­si­gen Anwesen wird aus dem Spiel schnell Ernst und es gibt eine ech­te Leiche. Wer ist der Mörder? Das ver­su­chen die ein­ge­la­de­nen Detektive her­aus­zu­be­kom­men, Toby eben­so. Leicht ist das nicht, da qua­si jede und jeder unter Verdacht steht. Zum Glück ermit­telt Toby nicht allein, son­dern hat eine „Partnerin in Crime“ an sei­ner Seite, das Mädchen Ivy …

Beim Lesen stellt sich so ein ver­trau­tes Gefühl ein, wie bei Kinderbüchern von Erich Kästner oder Krimis von Agatha Christie: „Der welt­bes­te Detektiv“ spielt in deren Zeit (sie­he Buchcover!), und Caroline Carlson hat die Geschichte – Figuren, Handlung und Schauplätze – ein­fach rich­tig gut hin­be­kom­men: kniff­lig, span­nend, über­ra­schend. Wer nach die­sem Buch noch nicht genug hat von Toby, Ivy und Co. (also ver­mut­lich jede und jeder), kann sich freu­en: Wie’s aus­sieht, geht es wei­ter, denn nach dem Happy End klopft auf der letz­ten Seite schon der nächs­te Fall an die Tür …

Caroline Carlson: Der welt­bes­te Detektiv
Aus dem Amerikanischen von Emily Huggins
Lektorat: Kathleen Neumann
320 Seiten
ab 10 Jahren
ueber­reu­ter 2017
ISBN: 978-3-7641-5130-0
14,95 Euro

„Das Wunderreich von Nirgendwo“ von Ross MacKenzie

Der Anfang erin­nert an „Die unend­li­che Geschichte“: Ein Junge ist auf der Flucht vor einer Bande und schlüpft in einen Laden, in dem es vie­le wun­der­ba­re Dinge zu bestau­nen gibt, ein Mann ihn kri­tisch mus­tert und ein altes Buch ihn magisch anzieht. Der Junge ist Waise, lebt in einem Kinderheim in Glasgow und heißt Daniel Holmes. Der Mann ist Lucien Silver, ein Magier, und das Buch ist das „Buch der Wunder“, mit dem Lucien Silver Tag für Tag neue Räume im Wunderreich von Nirgendwo erschafft, in dem die Schausteller Blut aus Tinte haben und der Fantasie fast kei­ne Grenzen gesetzt sind.

Dass Daniel den magi­schen Laden betre­ten konn­te, obwohl ein Geschlossen-Schild an der Tür hing, ist schon etwas Besonderes. Doch dass er am nächs­ten Tag zurück­kehrt, ist außer­ge­wöhn­lich, und so kommt es, dass Lucien Silver ihn als Lehrling auf­nimmt. Mit dem Laden rei­sen sie durch Raum und Zeit und Daniel erfährt, was es mit dem Buch der Wunder auf sich hat und wer das geis­ter­haf­te Mädchen namens Ellie ist. Natürlich kommt auch die­se Geschichte nicht ohne Bösewicht aus, ein Mann aus Silvers Vergangenheit ver­folgt sie und wird zur töd­li­chen Gefahr für sie und das Wunderreich …

Die Buchidee ist nicht neu, aber gut, so viel steht fest. Die Umsetzung ist aller­dings eher soli­de, Ross MacKenzie lässt die Fantasie nicht wirk­lich vom Zaum, ein letz­ter Funke fehlt, dazu pas­send ist die Sprache recht sprö­de. Doch viel­leicht ist genau das eine Einladung, die eige­ne Fantasie flie­ßen zu las­sen und jenen Funken zu lie­fern – um ein Feuerwerk zu ent­fa­chen, wie es auf dem schö­nen, anspre­chen­den Cover des Buches zu sehen ist.

Ross MacKenzie: Das Wunderreich von Nirgendwo
Aus dem Englischen von Anne Brauner
366 Seiten
ab 11 Jahren
Verlag Freies Geistesleben, 2017
ISBN: 978-3-7725-2799-9
19 Euro

„Der Lügenbaum“ von Frances Hardinge

England, 19. Jahrhundert. Faiths Familie ver­lässt über­stürzt das Zuhause in Kent und reist zur Insel Vane, wo der Vater an einer Fossilienausgrabung teil­neh­men wird. Faith hat das Gefühl, sie wären auf der Flucht, doch Genaues weiß sie nicht, da ihre Eltern ihr nichts sagen. Ihre Eltern, das sind Reverend Erasmus Sunderly, der auch Naturwissenschaftler ist, und zwar Paläontologe, und Myrtle Sunderly, deren Job es ist, ihrem Ehemann den Rücken frei­zu­hal­ten, sie ist für die Kinder, den Haushalt, die Dienstboten zuständig.

Eine Zukunft wie ihre Mutter will die 14-jäh­ri­ge Faith nicht, sie inter­es­siert sich für die Forschungen ihres Vaters, assis­tiert ihm und sam­melt über­haupt Wissen. Ihr Vater scheint sie einer­seits zu unter­stüt­zen, ande­rer­seits ver­weist er sie in ihre Schranken. Die Schranken, die die­se Zeit den Mädchen und Frauen zuweist, sind für Faith immer gegen­wär­tig, egal was sie denkt und tut. Doch sie ist nicht nur intel­li­gent und neu­gie­rig, son­dern auch vor­sich­tig – dann, wenn sie die Schranken überwindet.

Und das muss sie in der Geschichte, in die sie ver­wi­ckelt wird, öfter, denn bei der Ausgrabung auf Vane pas­siert erst ein Unfall und dann ein Mord. Das Opfer ist Faiths Vater, und zunächst weist alles auf Selbstmord hin, eine Sünde in jener Zeit, mit schlim­men Folgen für die Familie. Doch Faiths Vater benahm sich auf Vane selt­sam und auch ande­re Dinge fie­len und fal­len Faith auf, dar­un­ter ein Forschungsobjekt ihres Vaters, der Lügenbaum. Eine licht­scheue Pflanze, die zu wach­sen scheint, wenn man sie mit Lügen füt­tert. Faith will die Wahrheit über den Tod ihres Vaters her­aus­fin­den und nimmt den Baum zuhil­fe – doch damit und mit ihren Nachforschungen bringt sie sich selbst in gro­ße Gefahr …

Dicht gewebt und ein biss­chen düs­ter ist die­ses Buch von Frances Hardinge. Die Personen, deren Beziehungen und die Handlung sind kom­plex, es gibt kei­ne simp­len Antworten. Faith bewun­dert ihren Vater und will als Wissenschaftlerin in sei­ne Fußstapfen tre­ten. Doch Reverend Sunderly steht in Verdacht, bei sei­nen Forschungen betro­gen zu haben – Verleumdung oder nicht? Auf ihre Mutter schaut Faith eher her­ab, aber ist Myrtle Sunderly wirk­lich ein­fach gestrickt und nur auf ihren Vorteil bedacht? Aus einer Fülle von Jugendbüchern, die gut unter­hal­ten, aber eher flach blei­ben, sticht „Der Lügenbaum“ ganz klar her­aus. Weil er die­se ver­gan­ge­ne Zeit nicht nur schil­dert, son­dern auf­le­ben lässt. Weil sei­ne Heldin, Faith, mit ihrer Vielschichtigkeit fes­selt. Und nicht zuletzt: weil das Buch so span­nend ist.

Frances Hardinge: Der Lügenbaum
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst
Umschlagillustration: James Fraser
440 Seiten
ab 14 Jahren
Verlag Freies Geistesleben 2017
ISBN: 978-3-7725-2798-2
22 Euro