Michael Dudok de Wit: „Vater und Tochter“

Dieses Buch braucht nicht vie­le Worte. Man könn­te auch sagen: Jedes Wort sitzt. Keine über­flüs­si­gen Erklärungen, kein Wort zu viel. Das ist sel­ten, den­ke ich. Pro Seite meist nur ein kur­zer Satz, höchs­tens drei. Die Bilder dazu sind ruhig, in Sepia gehal­ten, eine Farbgebung fast wie bei alten Fotos. Die Kleidung der Menschen auf den Bildern wirkt ent­spre­chend aus der Zeit gefal­len, viel­leicht 1920er, viel­leicht 1950er?

Vater und Tochter fah­ren mit dem Fahrrad an den Deich, der Vater setzt sich in ein Boot und rudert fort. Und kommt nicht zurück. Die Tochter kehrt immer wie­der zum Deich zurück. Sie wird erwach­sen, hei­ra­tet, bekommt Kinder, wird alt. Die Bäume am Deich wer­den grö­ßer, das Wasser ver­schwin­det, Schilf wächst, kurz­um: Die Zeit ver­geht. Damit ist das Buch nicht zu Ende, es geschieht noch etwas, aber das möch­te ich hier nicht verraten.

Mit weni­gen Sätzen und ein­fa­chen Bildern schafft Michael Dudok de Wit eine sehr berüh­ren­de Geschichte über eine inni­ge Beziehung, das Abschiednehmen und den Lauf des Lebens. Dabei bleibt viel Raum für eige­ne Gedanken – das Buch gibt kei­ne Antworten, son­dern Fragen.

Michael Dudok de Wit: Vater und Tochter
Aus dem Niederländischen von Arnica Esterl, Originaltitel: Vader en dochter
30 Seiten
ab 5 Jahren
2015, Verlag Freies Geistesleben
ISBN: 978–3‑7725–2697‑8
15,90 Euro

Vor dem Bilderbuch war der Kurzfilm da, „Father and Daughter“ ist im Jahr 2000 erschie­nen und erhielt zahl­rei­che Preise, unter ande­rem 2001 einen Oscar als „Bester ani­mier­ter Kurzfilm“. Das Buch kam 2002 auf Niederländisch und 2003 auf Deutsch her­aus, 2015 schließ­lich eine Neuausgabe.

„Wie Rebekka beinahe Weihnachten verschlief“ von Sandra Salm und Elli Bruder

Rebekka ist sechs Jahre alt, ihre gro­ße Schwester ist schon erwach­sen – und heißt Maria. Im Laufe der Geschichte kommt her­aus, dass es die Maria ist, die Jesus zur Welt bringt, in „Wie Rebekka bei­na­he Weihnachten ver­schlief“ geht es also um das ers­te Weihnachten.

Rebekka erzählt aus ihrer kind­li­chen Sicht, die Illustrationen dazu sind hell und freund­lich. Wort und Bild ver­mit­teln, dass die Handlung in einem fer­nen Land spielt – in dem Palmen wach­sen, die Menschen anders geklei­det sind und ande­re Dinge essen und trin­ken. Aber fremd erscheint einem das Ganze nicht. Zum einen, weil die Beziehungen zwi­schen den Menschen die glei­chen sind, und zum andern, weil es eben die Weihnachtsgeschichte ist, wenn auch aus einer neu­en Perspektive.

Rebekka ist dabei, als Maria in der Nacht der Engel erscheint, sie freut sich auf das Baby und weint, als Maria und Josef nach Bethlehem auf­bre­chen. Mit ihrem Hund Strubbel folgt sie den bei­den heim­lich, trifft sie wie­der und ist schließ­lich mit ihnen im Stall …

Ein schö­nes Bilderbuch und über­haupt eine schö­ne Idee: die Weihnachtsgeschichte für Kinder von einem Kind berich­ten zu lassen.

Wie Rebekka bei­na­he Weihnachten verschlief
Text: Sandra Salm, Illustrationen: Elli Bruder
24 Seiten
ab 3 Jahren
2015 Patmos Verlag
ISBN: 978–3‑8436–0631‑8
12,99 Euro

„Mondschein hin, Mondschein her“ von Adelheid Dahimène und Verena Ballhaus

Dieses Buch ist zufäl­lig bei mir gelan­det, eigent­lich woll­te ich ein ande­res rezen­sie­ren. Ich wun­der­te mich also kurz, als es in der Post war, schau­te es mir dann aber neu­gie­rig an. Der Einband ist ganz schön spe­zi­ell für ein Bilderbuch für Kinder, dun­kel­b­lau­schwarz mit son­der­ba­ren bun­ten Blumen und eini­gen ande­ren Formen und Gestalten. Blumen – wie lang­wei­lig, könn­te man sagen. Aber sol­che hat man noch nie gese­hen. Und so bleibt es auch im Buch: Es stellt sich quer gegen gewohn­te Bilder- und Farbwelten und lässt einen wirk­lich in eine frem­de, bizar­re Welt eintauchen.

In die­ser Welt sucht der Mond ein Quartier für die Nacht und fin­det es beim Seewächter, der dafür einen Schein (und kei­ne Münzen!) ver­langt. Nacht für Nacht bezahlt der Mond einen Schein, bis er „blank“ ist. Nun bie­tet er dem Seewächter an, für ihn ein Luftschloss über den Wolken zu bau­en, dafür nimmt er jede Nacht einen Schein zurück, bis er alle wie­der zusam­men hat – und so geht das immer hin und her, über Jahre, in denen der Seewächter und der Mond dicke Freunde werden …

Bei den Bildern ist schwer zu sagen, wo Wasser, Land, Himmel begin­nen und enden, selbst oben und unten las­sen sich nicht ohne Weiteres zuord­nen, alles fließt und schwebt und berührt sich. Orientierungspunkte sind der Mond(-mann) und der Seewächter, außer­dem schwir­ren Fische, Frösche und eine Nixe her­um, manch­mal Blumen und diver­se Gebrauchsgegenstände wie Schere, Glühbirne und Kämme, die ein Eigenleben ent­wi­ckeln. Kämme pas­sen viel­leicht auch zur Maltechnik, die Illustrationen wir­ken, als wäre Wachs im Spiel.

Wenn man (gleich ob Kind oder erwach­se­ne Person) sich auf das Buch ein­lässt – auf den Text, auf die Bilder, auf bei­des zusam­men –, wird man es sehr oft anschau­en kön­nen, ohne dass einem lang­wei­lig wird. Und von wel­chem Bilderbuch kann man das schon behaupten?

Mondschein hin, Mondschein her
Text: Adelheid Dahimène, Illustrationen: Verena Ballhaus
ab 4 Jahren
2015 G&G Verlag, Nilpferd
ISBN: 978–3‑7074–5171‑9
19,99 Euro