Ein wahrer Held: „Fred, der furchtlose Abenteurer“ von Matthias Weinert

Meine Güte, Fred legt ein Tempo vor! Er hüpft über Krokodile, rei­tet auf Nashörnern, schubst fie­se Piraten vom Schiff, zähmt wil­de Tiger, heilt ver­letz­te Elefanten, ret­tet Prinzessinnen und Enten – und das ist längst noch nicht alles. Auf zwei­und­drei­ßig Seiten bringt Matthias Weinert, von dem die Illustrationen und die Texte sind, Stoff genug für meh­re­re Filme unter. Oder Stoff aus diver­sen Filmen? Könnte auch sein, denn da sind sin­ken­de Luxusdampfer, wüten­de Einhörner, fie­se Saurier …

Ach, Fred ist schon ein Held, ein ech­ter! Hat kei­ne Angst, ist neu­gie­rig auf alles und dabei auch noch nett. Erstaunlich, wie viel Abenteuer auf eine Doppelseite pas­sen kann – eine neh­me ich mal als Beispiel: Fred schwimmt vor einem Riesenhai davon, wird im Geländewagen von einem Cowboy ange­grif­fen, star­tet in einer Rakete, krallt sich an einem sin­ken­den Dampfer fest, fliegt vor einem Eisbären davon – und rei­tet auf einem Nashorn. Sechsmal Fred auf einer Doppelseite! Dass das nicht schreck­lich unru­hig oder ein­fach nur chao­tisch wirkt, liegt an der klu­gen Aufteilung der Seiten, dar­an, wie alles in einem Gesamtbild ver­eint wird – und an den eher gedeck­ten Farben. Die Gesichter sind auch so gemalt, dass man bei Mensch und Tier von Charakterköpfen spre­chen kann. Ein per­ple­xer Krake, ein hung­rig-lau­ern­der Löwe, ein trau­ri­ger Elefant – es ist fas­zi­nie­rend, wie sich Striche und Farben, Tupfer und Schattierungen zu ganz eige­nen Figuren fügen!

Als Fred sich zum Schluss hin in eine „sähr gefär­li­che“ Höhle wagt, scheint es, als hät­te er doch mal Angst, kein Wunder, denn auf ein­mal sieht er sich drei Monstern gegen­über. Doch nichts da, auch mit denen kommt Fred klar. Mitten im Monsterplausch geht dann eine Tür auf und eine Frau (die nur von den Füßen bis zu den Schultern zu sehen ist) erscheint, die auf die Uhr tippt und „Weißt du eigent­lich, wie spät es ist?“ fragt. Es macht „Paff“, „Piff“, „Puff“ und „Poff“ – und aus den Monstern wer­den klei­ne Spielzeugmonster, und Fred sitzt plötz­lich im Schlafanzug da. Schluss mit Spielen, ab ins Bett!

Auf der letz­ten Doppelseite liegt Fred im Bett und schläft, der Mond scheint ins Zimmer, sodass man alles noch gut erken­nen kann. Ja, das ist ein ech­tes Kinderzimmer, mit Spielzeug auf dem Boden, wo man hin­schaut. Und wenn man sich das genau­er anschaut, erkennt man Tiere, Gefährte und Gegenstände aus Freds Abenteuern wie­der. Eine ziem­lich umwer­fen­de Idee! Jetzt kann man sich den Spaß machen und die Kinderzimmersachen auf den vori­gen Seiten suchen …

„Fred, der furcht­lo­se Abenteurer“ ist ein ideen­sprü­hen­des und abwechs­lungs­reich gezeich­ne­tes Buch, mit kur­zen Texten (kein Wort zu viel, genau rich­tig), ab etwa vier Jahren, für Abenteurer, Träumer und Fantasiereisende. Bei Fred kann kind sich Ideen zum Spielen abgu­cken, wirklich!

Matthias Weinert: Fred, der furcht­lo­se Abenteurer
Lappan Verlag 2012
32 Seiten
ISBN: 978–3‑8303–1187‑4
12,95 Euro

Mein unsichtbarer Freund: „Das war ich nicht – das war der Drache!“ von Jodi Moore und Howard McWilliam

Dieses Buch ist so lang wie breit und ganz schön abwechs­lungs­reich: Die Doppelseiten sind immer unter­schied­lich auf­ge­teilt, mal ist auf ihnen nur eine Szene dar­ge­stellt, mal drei, mal sechs. Die Bilder wir­ken fil­misch – das Äußere der Menschen, ihre Mimik, die Darstellung von Bewegung, das Mattzeichnen des Hintergrunds … Und das namen­lo­se Knäbchen, das wir durch die Seiten beglei­ten, hat auch ein ordent­li­ches Tempo drauf.

Mit sei­ner Familie ver­bringt der Junge einen Tag am Strand und baut natür­lich eine über­aus genia­le Sandburg. Wie gut, denn: „Wenn du eine tol­le Sandburg baust, kommt ganz sicher ein Drache und zieht ein“. Hier ist es ein äußerst coo­ler Drache, rot und groß, mit gelb­li­chen Kulleraugen und einem klei­nen brau­nen Koffer – auf dem Aufkleber sind, unter ande­rem von der „Route 66“. Dieser Drache sieht erstaun­li­cher­wei­se auf kei­nem Bild auch nur ein klit­ze­klei­nes biss­chen bedroh­lich aus, er hat nicht den bösen, son­dern den lie­ben Blick. Aber er hat es auch faust­dick hin­ter den Ohren, und so haben der Junge und er einen herr­li­chen Tag: Sie spie­len, schwim­men, ver­trei­ben älte­re Jungs, die am Strand her­um­zie­hen und klei­nen Kindern die Sandburgen kaputt­ma­chen, sie bra­ten Marshmallows …

Mit so einem Superdrachen, einem genia­len Freund, will man natür­lich ein wenig ange­ben, und so lässt der Junge den Drachen laut brül­len, zeigt eine Drachenfeder und die schar­fen Zähne – doch Mutter, Vater und gro­ße Schwester hören und sehen kei­nen Drachen. Als dann die beleg­ten Brote ver­schwin­den, der Schokoladenkuchen ange­knab­bert ist und die Schwester mit Sand voll­ge­schmis­sen wird, meint unser Held: „Das war ich nicht – das war der Drache!“ Ganz recht hat er damit zwar nicht, denn die Buchanschauer sehen ja, dass die bei­den, der Junge und der Drache, alles zusam­men machen: fut­tern und stänkern.

Es ist also die alte Geschichte vom unsicht­ba­ren Freund, doch die­se ist – gera­de von den Bildern her – wun­der­bar frisch umge­setzt. Meist spie­gelt der Drache den Gesichtsausdruck des Jungen, von aus­ge­las­sen-fröh­lich über frech bis zer­knirscht. Und für die, die es gern ratio­nal haben, gibt es immer noch eine garan­tiert dra­chen­lo­se Lesart: die Drachenfeder ist eine Möwenfeder, die sand­bur­gen­räu­be­ri­schen Jungs flüch­ten vor dem Drachen und/oder vor dem Vater des Jungen, der ihnen mit der Grillzange droht, die Schwester sieht kei­ne Drachenzähne, son­dern nur zer­bro­che­ne Muscheln, die ja auch weiß und scharf­kan­tig sind.

Am Schluss haben Mutter, Vater und Schwester genug von dem „Drachenzeug“, und der Junge stimmt ihnen zu – der Drache muss aus­zie­hen, die Sandburg wird zer­stört, und das ist doch kein schö­nes Ende für solch ein Buch, nicht wahr? Also blät­tern wir um zur letz­ten Seite und da gibt es ja einen neu­en Tag und wer kommt da, ist das nicht …?

„Das war ich nicht – das war der Drache!“ ist ein Buch, das vor Lebendigkeit sprüht, ein­fach schön für Kinder ab fünf Jahren. Und was ich noch sagen woll­te: Es besteht die Gefahr, dass Eltern, wenn das Kind für­der­hin „Das war ich nicht!“ sagt, mit „Ach, klar, das warst nicht du, das war der Drache!“ ant­wor­ten. Hahaha …

Das war ich nicht – das war der Drache!
von Jodi Moore
illus­triert von Howard McWilliam
Lappan Verlag 2012
40 Seiten
ISBN: 978–3‑8303–1188‑1
12,95 Euro

Ganz in Grün: „Die Froschkönigin“ von Heinz Janisch und Barbara Korthues

Die Froschkönigin, ein Bilderbuch von Heinz Janisch und Barbara Korthues, ist im Januar 2012 erschie­nen. Los geht es mit einer wüten­den Prinzessin – sie ist unglück­lich, weil sie so allein ist und end­lich einen Prinzen haben will. Doch es gibt kaum noch Prinzen, eigent­lich nur einen, der nicht im Krieg, tot oder ver­hei­ra­tet ist – und die­ser Prinz ist schüch­tern und lebt in einem win­zi­gen grü­nen Schloss mit­ten im Wald. Die Prinzessin schreibt dem Prinzen, dass er sofort zu ihr kom­men sol­le, ihre Boten über­brin­gen den Brief. Aber der Prinz denkt nicht dar­an, zu gehor­chen, er will sei­ne Ruhe haben und blei­ben, wo er ist. So schickt schließ­lich die Prinzessin einen ros­ti­gen Ritter los, der den Prinzen holen soll.

Doch der ros­ti­ge Ritter wech­selt den Beruf, und anstel­le des Prinzen geht sein Freund, der Frosch, zur Prinzessin – und dort fügt sich alles ganz wun­der­bar. Ohne väter­li­chen Zwang (es gibt kei­nen König in die­sem Buch), auch ohne Frosch an der Wand. Dafür mit einer glück­li­chen Prinzessin, die erst Froschkönigin und dann nur noch Fröschin, ohne Krone, ist. „Die bei­den beka­men vie­le Kinder, und eines von ihnen wur­de viel­leicht spä­ter der Frosch, der als Froschkönig im Märchen berühmt wur­de.“ Ja, viel­leicht, wer weiß das schon?

Die Geschichte ist schön und lie­be­voll erzählt, mit hel­len, freund­li­chen Bildern; emp­foh­len wird das Buch für Kinder ab vier Jahren, und das stimmt so. Die Prinzessin sieht nett aus, auch wenn sie wütend ist, man merkt, dass sie nicht böse ist, son­dern unglück­lich … Ganz allein liegt sie ein­mal in einem rie­sen­gro­ßen Bett, in einem unheim­lich hohen Raum. Sie hat möh­ren­ro­tes Haar und eine expe­ri­men­tier­freu­di­ge Zweiturmfrisur; der schüch­ter­ne Prinz ist klein und dick, der ros­ti­ge Ritter hat so gar nichts Beängstigendes. Und am Schluss sind alle glück­lich, ob Mensch oder Tier, ein rich­ti­ges Happy End.

Die Illustrationen von Barbara Korthues gefal­len mir sehr: Die Menschen und Tiere sind deut­lich her­aus­ge­zeich­net, das Schloss, der Wald, die Umgebungen also, sind wie Kulissen im Theater, eher redu­ziert, mit schnel­len Strichen und flä­chi­gem Farbauftrag, sodass sie auch wirk­lich im Hintergrund blei­ben. Und die lie­bens­wer­ten Details! Ein Handspiegel mit Krönchen, Schmetterlinge, die über einer dick­gel­ben Sonne aus dem Bild her­aus­flat­tern, die blau­weiß­ka­rier­ten Decken der Botenpferde …

Also, ein Buch, das man gern anschaut und vor­liest. Und das eine gute Gelegenheit ist, das Märchen der Brüder Grimm her­vor­zu­ho­len und nach­zu­le­sen, wie das war mit dem Froschkönig und dem treu­en Heinrich …

Die Froschkönigin
von Heinz Janisch
illus­triert von Barbara Korthues
32 Seiten
Verlag Annette Betz, 2012
14,95 Euro
ISBN: 978–3‑219–11509‑3

Ja, wie war das noch mal mit dem Froschkönig? Dieses Märchen gibt es in etli­chen Varianten. Die, die ich ken­ne, geht so:

Es war ein­mal ein König, des­sen jüngs­te Tochter wun­der­schön war. Wenn es heiß war, ging die Königstochter in den nahen Wald, der groß und dun­kel war. Dort gab es einen Brunnen, auf des­sen Rand sich die Prinzessin setz­te und mit einer gol­de­nen Kugel spiel­te. Eines Tages fiel die Kugel jedoch in den Brunnen, der unheim­lich tief war, nichts war mehr von dem Spielzeug zu sehen. Da wein­te und schrie die Königstochter und konn­te gar nicht damit aufhören.

Bis jemand sie frag­te, was denn sei. Die Prinzessin schau­te sich um und sah einen Frosch. Sie erzähl­te ihm von der Kugel und er sag­te, er wol­le sie ihr her­auf­ho­len – wenn sie ihn lieb­ha­ben wer­de und er von ihrem Tellerlein essen, aus dem Becherlein trin­ken und in ihrem Bettlein schla­fen dür­fe. Die Prinzessin wil­lig­te ein, schließ­lich war es doch nur ein Frosch. Er hol­te ihr die Kugel, sie freu­te sich, rann­te weg und ließ den Frosch, der ihr nach­rief, zurück. Am nächs­ten Tag klopf­te der Frosch an die Schlosstür, die Prinzessin bekam einen Schreck und ließ den Frosch nicht her­ein. Ihr Vater, der König, frag­te nach; sie erzähl­te ihm alles und er sag­te: Was man ver­spro­chen hat, muss man halten.

Und so muss­te die Prinzessin mit dem Frosch Essen und Trinken tei­len. Schließlich woll­te der Frosch auch in ihr Bett, wor­auf­hin sie ihn vol­ler Ekel und Wut an die Wand warf – und dabei wur­de aus dem Frosch ein Königsohn. Eine Hexe hat­te ihn in einen Frosch ver­wan­delt, und er muss­te von einer Prinzessin erlöst wer­den. Die bei­den hei­ra­te­ten und fuh­ren in der Kutsche des Königsohns in sein Königreich, beglei­tet vom Diener des Prinzen, dem treu­en Heinrich. Während der Fahrt krach­te es drei­mal laut, und das waren die drei eiser­nen Bande, die sich Heinrich um das Herz hat­te legen las­sen, damit es ihm nicht vor Kummer über das Schicksal sei­nes Herrn zer­sprang – nun zer­spran­gen die eiser­nen Bande also, aber vor Glück.

Und wenn sie nicht gestor­ben sind, dann leben sie noch heute.

(Nacherzählt nach „Der Froschkönig oder der eiser­ne Heinrich“ in „Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm“, Kinderbuchverlag Berlin 1963)