„Juwelen des Universums“ von Rhodri Evans

Das Buch ist ganz schön groß, cir­ca 25 x 30 Zentimeter. Es hat fast 200 Seiten aus hoch­wer­ti­gem Papier, einen fes­ten Einband und einen Schutzumschlag – ein Bildband, der zugleich robust ist und die Bilder aus dem All ange­mes­sen groß­ar­tig prä­sen­tiert. Die Aufnahmen von Planeten, Sternen, Galaxien usw. neh­men meist eine Seite ein, hin und wie­der auch eine Doppelseite. Auf dem Cover grüßt Pluto, auf­ge­nom­men von der Raumsonde New Horizons, und wenn man genau­er hin­schaut, erkennt man unten rechts das gro­ße Herz von Pluto. Was es mit die­sem Herz auf sich hat, steht natür­lich im Buch.

Das Buch und damit die Fotosammlung ist in fünf Teile geglie­dert: Sonnensystem, Milchstraße, Lokale Gruppe der Galaxien, Jenseits der Lokalen Gruppe und Am Rande des Universums. Die Texte zu den Bildern fal­len umfang­rei­cher aus als bei einem Bildband viel­leicht erwar­tet, jedoch nicht zu lang, dabei sehr infor­ma­tiv. Man erfährt:

  • mit wel­chem Teleskop oder wel­cher Raumsonde das Bild abge­lich­tet wur­de: von Hubble, Herschel, Cassini, Curiosity usw. Alle Teleskope und Raumsonden, die im Buch auf­tau­chen, sind gleich nach dem Vorwort auf­ge­lis­tet, mit kur­zen Steckbriefen.
  • bei wel­chem Licht bzw. wel­cher Strahlung die Bilder auf­ge­nom­men wur­den, z. B. sicht­ba­res Licht, Röntgenstrahlung, Ultraviolett, Radiowellen.
  • außer­dem Geschichtliches, Technisches und was über das jewei­li­ge Objekt bekannt ist, inklu­si­ve neu­es­ter Forschungsergebnisse.

Das liest sich auch für Laien gut, wird aber manch­mal doch etwas spe­zi­ell. Praktisch, dass es am Ende des Buches ein Glossar gibt, in dem Begriffe wie Absorptionsspektrum, Dunkelnebel und Kosmischer Mikrowellenhintergrund erläu­tert wer­den. Und was man dort nicht fin­det, kann man immer noch goo­geln. Autor des Buches ist Dr. Rhodri Evans, Astrophysiker an der Cardiff University in Wales. Der Übersetzer des Buches, Michael Vogel, ist eben­falls Physiker, mit Schwerpunkt Astronomie.

193 Fotos sind in dem Buch. Manche Motive hat man wahr­schein­lich schon gese­hen, z. B. die Säulen der Schöpfung. Hubble mach­te das Bild von einem Teil des Adlernebels 1995, und im Buch gibt es dane­ben ein neu­es von 2014 – ver­gleicht man die bei­den, sind Unterschiede zu erken­nen, die Rhodri Evans kom­men­tiert. Um nur ein paar wei­te­re beein­dru­cken­de Aufnahmen her­aus­zu­grei­fen: der Orion-Nebel, der Pferdekopfnebel, die Kleine Magellansche Wolke, die Feuerradgalaxie … die Bilder gehen weit über das hin­aus, was man bes­ten­falls mit blo­ßem Auge am Himmel sich­ten kann, eine frem­de, fas­zi­nie­ren­de Welt.

Rhodri Evans: Juwelen des Universums. Die spek­ta­ku­lärs­ten Bilder aus dem All
Aus dem Englischen von Michael Vogel, Titel der Originalausgabe: Astrophotography
192 Seiten
Kosmos Verlag 2016
ISBN: 978–3‑440–15277‑5
39,90 Euro

Peter Schmidt: „Der Straßensammler“

Für Peter Schmidt ist wirk­lich der Weg das Ziel, denn er „sam­melt“ nicht Orte oder Länder, son­dern Straßen. Die Straßen, die er sam­melt, befin­den sich aller­dings in aller Welt, sodass er ziem­lich viel her­um­kommt. Um die 110 Länder hat er schon bereist – und alle Routen, die er als 14-Jähriger mit blau­em Kuli im Atlas mar­kier­te. Die ein­ge­sam­mel­ten Routen mar­kiert er rot.

Einsammeln heißt, dass er sie abfährt oder abläuft, über­flie­gen oder nur an man­chen Punkten auf­kreu­zen zählt also nicht. Man kann sich den­ken, dass das eine eher aben­teu­er­li­che Art des Reisens ist, alles ande­re als Pauschaltourismus. Nichts mit Flieger, Hotel, Strand, dafür pla­nen, orga­ni­sie­ren, Zeitpuffer nicht ver­ges­sen und hof­fen, dass so weit alles klappt. Das ist inso­fern bemer­kens­wert, als Peter Schmidt „anders“ ist: dass sei­ne Pläne auf­ge­hen und alles sei­ne Ordnung hat, ist für ihn wich­ti­ger als für ande­re, und was bei Gesprächen und Kontakt mit ande­ren über die Sachebene hin­aus­geht – wie Emotionen, Mimik, Gestik usw. –, ist für ihn ein Buch mit sie­ben Siegeln – erst mit 41 Jahren bekam er die Erklärung für die­ses Anderssein, er ist Asperger-Autist.

In sei­nem Buch „Der Straßensammler“ prä­sen­tiert er nun eini­ge der Straßen, die er gesam­melt hat, in Superlativen: die pan­nen­reichs­te, die mon­digs­te, die ziga­ret­ten­reichs­te, die eisigs­te, die sonn­tags­lo­ses­te, die legen­därs­te, die mos­ki­to­r­eichs­te Straße usw. Man merkt schon an die­sen Beispielen, dass der Autor gern mit Sprache spielt und auch mal neue Wörter bil­det, regel­mä­ßig tau­chen im Buch Ausdrücke auf, die so nicht im Duden ste­hen, die aber sofort ver­ständ­lich und dazu tref­fend sind.

Die Kapitel sind mal län­ger, mal kür­zer, aber nie lang­at­mig. Man kann das Buch von der ers­ten bis zur letz­ten Seite hin­ter­ein­an­der­weg lesen oder durch­ein­an­der, nach Lust und Laune, da die Kapitel in sich geschlos­sen sind, kaum auf­ein­an­der auf­bau­en. Die Kapitel pas­sen zur Überschrift, wenn die pan­nen­reichs­te Straße ange­kün­digt ist, geht es auch um Pannen. Erwähnung fin­den natür­lich gleich­falls Begegnungen, Besonderheiten des Landes und wie der weit gereis­te Autor mit Unwägbarkeiten zurecht­kommt – oder eben nicht.

In Österreich geht er allein und ohne Ausrüstung spon­tan auf Gletschertour, besteigt in nor­ma­len Straßenschuhen die 3774 Meter hohe Wildspitze. In Äthiopien erlebt er im Vulkan Erta Ale die Erdkruste als „brü­chig und fra­gil“, in Alaska auf dem Dalton-Highway sieht er einen Grizzly, aber viel bedroh­li­cher und nerv­tö­ten­der sind die Mücken, die sich wie Piranhas in Schwärmen auf jeden stür­zen, der sich aus dem Auto wagt. Städte kom­men vor, doch viel wich­ti­ger sind Landschaften und die Natur: Wüsten und Vulkane vor allem. Naturphänomene erklärt der Autor, der pro­mo­vier­ter Geophysiker ist, manch­mal, und dann kurz und einfach.

Peter Schmidt reist allein, aber auch mit sei­ner Frau und den zwei Kindern. Wie es die­sen auf den Straßensammelreisen als Reisebegleiter geht, spielt kei­ne Rolle im Buch, hät­te mich aber zuwei­len inter­es­siert. Das Buch macht neu­gie­rig auf fer­ne Länder und Landschaften, eine Nebenwirkung kann sein, dass man Lust aufs Reisen bekommt. Mich hat es auch neu­gie­rig auf die ande­ren Bücher des Autors gemacht, drei wei­te­re gibt es bereits. Und wer gleich mal schau­en will, wer Peter Schmidt ist und wo er aktu­ell her­um­reist: Website und Facebook.

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Peter Schmidt: Der Straßensammler. Die unglaub­li­chen Erlebnisse eines autis­ti­schen Weltreisenden
288 Seiten
Patmos Verlag 2016
ISBN: 978–3‑8436–0832‑9
19,99 Euro

„Miranda Lux“ von Oliver Schlick

Miranda Lux ist fünf­zehn und lebt mit ihrer Tante Trudi, der älte­ren Schwester ihres Vaters, in einem höchst unge­wöhn­li­chen gro­ßen Haus, bei dem sich außen Elemente ver­schie­dens­ter Baustile tref­fen und das auch innen so man­che Überraschung parat hält. Das Haus passt per­fekt zur Lux-Familie, denn Mirandas Eltern waren sozu­sa­gen Experten fürs Ungewöhnliche, UFOs und Außerirdische inklu­si­ve. „Waren“ des­halb, da sie vor Jahren bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kamen. Was Miranda aller­dings bezwei­felt, sie ist der Meinung, dass ihre Eltern seit­dem nur ver­schwun­den sind.

„Zweifeln“ ist ein gutes Stichwort, das spielt für Miranda und für das gan­ze Buch eine gro­ße Rolle. So ist Miranda Mitglied in einer gehei­men Organisation, dem „Zweifelwerk“, dem Menschen ange­hö­ren, die alles, was als „die Wahrheit“ ver­kauft wird, hin­ter­fra­gen und der Meinung sind, dass es von einem Geschehnis immer min­des­tens zwei Versionen bzw. Geschichten gibt. Das Zweifelwerk beschäf­tigt sich unter ande­rem mit einer Reihe von Todesfällen, die durch sieb­zehn Zeilen der anti­ken Tragödie „Ajax“ von Sophokles mit­ein­an­der ver­bun­den sind. Und bei den „Ermittlungen“ zu die­sen Todesfällen kommt Mirandas Geschichts- und Klassenlehrer Viktor Carelius ins Spiel, des­sen Weltbild dabei gehö­rig erschüt­tert wird – kein Wunder bei dem, was ihm alles so pas­siert und begegnet …

Die Geschichte ist aus Mirandas und Viktor Carelius‘ Sicht erzählt, und zwar so, dass man die knapp 400 Seiten am liebs­ten in einem Rutsch lesen möch­te. Sie ist rund und kom­plex gestrickt, humor­voll, zuwei­len leicht ver­rückt, und sie nähert sich dem Thema Außerirdische, UFOs, Verschwörungstheorien auf eine unver­krampf­te, fes­seln­de und span­nen­de Art. Ihr größ­ter Pluspunkt ist wahr­schein­lich das Figurenensemble. Denn nicht nur die zwei Hauptpersonen Miranda und Viktor Carelius sind rich­ti­ge Charaktere, son­dern auch die Personen um sie her­um: Tante Trudi mit ihrer Vorliebe für kit­schi­ge Serien und ihrer bedin­gungs­lo­sen Liebe zu Miranda, Viktor Carelius‘ Vermieter Frizzi, ein Alt-Punk mit Ordnungsfimmel, der win­di­ge Esoterik-Verleger Weirdo Wunderlich … sogar der Opa, der auf der Bank am Markt sitzt und nur ein ein­zi­ges Mal erwähnt wird, ist nicht ein­fach nur ein Opa, son­dern bekommt ein Stückchen Individualität. Das macht das Buch echt und leben­dig, und was will man von einem Buch mehr?

Na ja, viel­leicht eine Fortsetzung. Denn die­se eine Geschichte ist am Ende zwar mehr oder weni­ger abge­hakt, aber so ganz dann doch nicht …

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Oliver Schlick: Miranda Lux – Denken heißt zwei­feln oder war­um jede Geschichte zwei Seiten hat
400 Seiten
ab 12 Jahren
ueber­reu­ter 2016
ISBN: 978–3‑7641–7059‑2
16,95 Euro