„Kleiner Fuchs, großer Himmel“ von Brigitte Werner und Claudia Burmeister

In „Kleiner Fuchs, gro­ßer Himmel“ trau­ert der klei­ne Fuchs um sei­nen Opa, der gestor­ben ist. Die Bilder sind sehr anspre­chend und freund­lich, abwechs­lungs­reich mit schö­nen Farben. Wenn man nur die Bilder anschaut und nicht den Text liest oder hört, kommt eher kei­ne run­de Geschichte zusam­men, die Bilder bezie­hen sich sehr auf den Text, der wie­der­um rela­tiv kom­plex bzw. abs­trakt ist. Die Bilder, immer eins pro Doppelseite, zei­gen sich als eine Art Zwiegespräch, erst ein Bild vom klei­nen Fuchs, dann eins von sei­nem Opa. Dass der Fuchsopa tot ist, geht aus den Bildern nicht hervor.

Der Text ist für ein Bilderbuch sehr umfang­reich. Der klei­ne Fuchs begeg­net nach­ein­an­der ver­schie­de­nen Tieren, er erzählt ihnen, dass sein Opa tot ist, die Tiere wol­len ihn trös­ten und sagen ihm, sein Opa sei im Himmel und der GroßeLiebeFuchs, das GroßeLiebeEichhörnchen, die GroßeLiebeSchnecke usw. pas­se auf ihn auf. In der Nacht träumt der klei­ne Fuchs dann jeweils von sei­nem Opa im Himmel, um den sich der GroßeLiebeFuchs, das GroßeLiebeEichhörnchen usw. küm­mert. So kommt also oben erwähn­tes „Zwiegespräch“ der Bilder zustan­de, erst der klei­ne Fuchs im Gespräch mit dem jewei­li­gen Tier, dann der Fuchsopa im Traum, im Himmel.

Etwas anstren­gend fand ich, dass sich die­se Gespräche und die Träume so ähneln, die Sätze sind zum gro­ßen Teil gleich und nur an das jewei­li­ge Tier ange­passt. Ein ein­zi­ges Gespräch und ein Traum wären im Prinzip schon genug Stoff für ein Bilderbuch gewe­sen. Das kann man natür­lich auch so sehen, dass man meh­re­re Geschichten in einem Band hat. Man könn­te zum Beispiel jeden Abend zwei Doppelseiten vor­le­sen, ein Gespräch, ein Traum.

Für den klei­nen Fuchs ist es ein wenig ver­wir­rend, dass sich im Himmel so vie­le GroßeLiebeTiere tum­meln. Am Ende begeg­net er des­we­gen der wei­ßen wei­sen Eule, die über die­ses Problem nach­denkt und sagt, dass der Himmel über­all und das GroßeLiebeWesen alles und in allem sei. Der klei­ne Fuchs träumt danach, dass im Himmel Platz für alle ist und dass das GroßeLiebeWesen alle liebt – sei­nen Opa, ihn und „dich“, also den Leser oder die Leserin.

Die Geschichte dreht sich dar­um, wie der klei­ne Fuchs Trost fin­det. Trost scheint der Himmel und die Existenz eines GroßenLiebenWesens zu bie­ten. Doch tat­säch­lich – so mei­ne Interpretation – fin­det der klei­ne Fuchs doch Trost dar­in, dass er mit den ande­ren Tieren über sei­nen Opa redet, immer wie­der, über des­sen Vorlieben, Eigenheiten usw. Wozu der Himmel und das GroßeLiebeWesen? Mein Fazit: schö­ne Illustrationen, aber mit dem Text wer­de ich nicht so recht warm.

Die Geschichte gibt es auch als Hörbuch, gespro­chen von Nina Petri, mit Musik von Sebastian Hoch.

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Kleiner Fuchs, gro­ßer Himmel
Text: Brigitte Werner, Illustrationen: Claudia Burmeister
ab 5 Jahren
48 Seiten
2015, Verlag Freies Geistesleben
ISBN: 978–3‑7725–2793‑7
16,90 Euro

Hörbuch: Text von Brigitte Werner, Musik von Sebastian Hoch, Sprecherin Nina Petri, 45 Minuten Spielzeit, ab 5 Jahren, ISBN 9–783-7725–2794‑4, 12,90 Euro

Oliver Schlick: „So kalt wie Eis, so klar wie Glas“

Nach die­sem Buch sieht man Schneekugeln ver­mut­lich mit ande­ren Augen bzw. man schaut sie sich über­haupt erst mal rich­tig an. Denn Schneekugeln, also die­se Glaskugeln mit Innenleben, in denen Schnee rie­selt, wenn man sie schüt­telt, sind der Dreh- und Angelpunkt von „So kalt wie Eis, so klar wie Glas“. Die Geschichte um die­se ori­gi­nel­le Idee ist dicht und span­nend geschrie­ben, nach dem Lesen hat­te ich Lust auf mehr Bücher die­ses Autors, Oliver Schlick. Ich hof­fe also, da kommt bald Nachschub. ;)

Zur Geschichte: Cora, acht­zehn Jahre, erfährt erst nach dem Tod ihrer Mutter, dass sie noch Familie hat, im idyl­li­schen Ort Rockenfeld, wo seit Generationen exakt fünf Männer bzw. Frauen Schneekugeln fer­ti­gen dür­fen. Das sind kei­ne simp­len Schneekugeln, son­dern wah­re Kunststücke, ech­te Handarbeit. Cora zieht nach Rockenfeld und muss sich erst mal ein­le­ben: lau­ter neue Menschen, neue Schule – und wegen einer ganz spe­zi­el­len Schneekugel gesche­hen mit Einbruch des Winters selt­sa­me Dinge in Rockenfeld, Dinge, die nicht ratio­nal zu erklä­ren sind.

Das Buch hat eine sym­pa­thi­sche Heldin, mit der man mit­fie­bert, Nebenpersonen mit Macken, Ecken und Kanten, aber vor allem viel Herz, Gegenspieler sowie undurch­sich­ti­ge Charaktere, einen Unbekannten, des­sen Augen Cora nicht ver­ges­sen kann – sie alle sind in einem Beziehungsnetz ver­wo­ben, das die Geschichte trägt, gleich ob es um eine Wirklichkeit geht, wie wir sie ken­nen, oder eine mit fan­tas­ti­schen Elementen, die Spannung und ein wenig Grusel rein­brin­gen – mit blau­en Lichtern, über­ir­di­schen Erscheinungen und viel Kälte. Die fan­tas­ti­sche Ebene hat mini­ma­le Schwächen, aber unterm Strich ist das Buch von der ers­ten bis zur letz­ten Seite wun­der­ba­res Lesefutter.

Oliver Schlick: So kalt wie Eis, so klar wie Glas
384 Seiten
ab 14 Jahren
2015 ueberreuter
ISBN: 978–3‑7641–7043‑1
16,95 Euro

Erna Sassen: „Das hier ist kein Tagebuch“

Das Buch ist schwarz, ganz schwarz, bis auf die Wörter, die auf einem Cover eben ste­hen müs­sen. Die bei­den Buchdeckel sind ziem­lich dick und sie sind an den Kanten nicht abge­run­det, so hat das Buch etwas von einer Kladde, einem Notizheft. Das fasst sich gut an.

Wenn man das Buch auf­schlägt, sieht man drei Wörter in Schwarz auf wei­ßem Untergrund: „Für Unbefugte ver­bo­ten“. Ich lese trotz­dem. Erna Sassens Buch heißt „Das hier ist kein Tagebuch“. Es ist natür­lich doch eins, das Anfang Februar beginnt und Ende April auf­hört. Tag für Tag schreibt Bou, fast sech­zehn Jahre alt, und zwar nicht frei­wil­lig, son­dern auf Anweisung sei­nes Vaters. Jeden Tag soll er schrei­ben, was er gedacht, gefühlt, gemacht hat, außer­dem eine Klassik-CD hören.

Vor fünf Jahren hat sei­ne Mutter sich vor einen Zug gewor­fen. Fünf Jahre nach ihrem Tod hat Bou eine Art Kurzschluss, der ihn außer Gefecht setzt, er ist immer müde, ihm ist alles egal, er will nichts machen und nichts essen, er ver­lässt das Haus und größ­ten­teils sein Bett nicht mehr. Bis sein Vater ihn zwingt, Tagebuch zu schreiben.

So schreibt er alles auf, sei­ne Wut, Erinnerungen, über sich, über sei­ne Mutter und ihre Krankheit – bipo­la­re Störung –, über sei­ne Ängste, über sei­ne klei­ne Schwester Fussel, die er sehr liebt, über sei­ne Mitschülerin Pauline, die er sehr mag, über Dinge, die schief­ge­lau­fen sind.

Das liest sich sehr unmit­tel­bar, das ist berüh­rend, dabei gut aus­zu­hal­ten, weil Bou durch das Schreiben wie­der auf­taucht. Es gibt eine posi­ti­ve Entwicklung, was schon wich­tig ist, da das Buch ab vier­zehn gedacht ist.

Nun hat das Buch kein Jugendlicher geschrie­ben, son­dern eine erwach­se­ne Frau, eine Autorin. Aber mir erscheint es recht authen­tisch, außer­dem weder zu schwer noch zu seicht, und das ist bei die­sem Thema – wie ein Kind bzw. Jugendlicher mit der psy­chi­schen Krankheit und dem Selbstmord eines Elternteils umgeht – wahr­lich nicht leicht.

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Erna Sassen: Das hier ist kein Tagebuch
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf, Originaltitel: Dit is geen dagboek
183 Seiten
ab 14 Jahren
2015, Verlag Freies Geistesleben
ISBN: 978–3‑7725–2861‑3
17,90 Euro