Bei dieser Kälte kuscheln die Wörter und bringen ausgefallene Wortbabys zur Welt

Wenn Vermietung und Vermeidung mit­ein­an­der kuscheln, kommt Vermeitung dabei her­aus. Was soll das hei­ßen? Wahrscheinlich das: Jemand will etwas ver­mie­ten, ob ein Haus, eine Wohnung, ein Zimmer, Gewerberäume. Aber eigent­lich macht er das nur, weil er das muss und Geld braucht, viel lie­ber wür­de er sich selbst dort breit­ma­chen und sei­ne Nerven scho­nen, sich läs­ti­ge Mieter sozu­sa­gen spa­ren. Doch man­ches lässt sich eben nicht ver­mei­den. Und dann pas­siert so was. Freud lässt grüßen!

Klüpfel und Kobr: „Schutzpatron“

Letztes Jahr bin ich Kluftinger ver­fal­len. Zuerst war das Cover, das fand ich frisch und anspre­chend. Dann klang der Klappentext nicht schlecht, also Buch aus der Bibliothek aus­ge­lie­hen und bald ange­fan­gen zu lesen. Ich weiß gar nicht  mehr, wel­ches Buch der Reihe es war – die Krimibranche macht es den Lesern ja auch schwer mit die­sen Ein-Wort-Buchtiteln. Wer soll sich denn da zurecht­fin­den, wer soll sich das mer­ken? Und es liegt nicht nur an den Titeln, dass man die Kluftinger-Bücher schnell mal ver­wech­selt, auch die Geschichten ähneln sich. Im Mittelpunkt steht Kluftinger, der Kommissar ohne Vornamen, auf der einen Seite sei­ne Familie, die Erika, der Sohn und des­sen Freundin, auch die Eltern, auf der ande­ren Seite der Job inklu­si­ve Kollegen und den „Bösen“, die es zu fin­den und auf­zu­grei­fen gilt.

Die Fälle haben mich eigent­lich nie vom Hocker geris­sen – die sind nicht lang­wei­lig geschrie­ben, aber am Laufen hält das Ganze doch der Herr Kluftinger mit sei­nem Verhalten und sei­nen Macken. Man soll­te nicht zu vie­le Kluftinger-Bücher zu dicht auf­ein­an­der lesen, sonst wird einem das schnell zu viel: die Hassliebe zu Dr. Langhammer, die Angst davor, Männern zu nah zu kom­men, die Klo‑, Ess‑, Schlaf- und ande­ren Gewohnheiten, das Sandy-Nerven usw. Was Überraschendes wird es von Kluftinger ver­mut­lich auch in Zukunft nicht geben, die bei­den Autoren Volker Klüpfel und Michael Kobr fah­ren mit ihrem Konzept ja bes­tens, erstaun­lich bis bewun­ders­wert, was sie mit ihrer Kluftinger-Welt alles auf die Beine gestellt haben, so gibt es mitt­ler­wei­le ein Kochbuch und ein Lesereisenbuch.

Im „Schutzpatron“ spielt das Essen kei­ne so gro­ße Rolle, Kluftinger hat Pech und bekommt z. B. bei einem Kurztripp nach Österreich kei­ne Wiener Leckereien vor­ge­setzt, son­dern muss bei einem Kollegen über­nach­ten, der ein Messie ist und nur ekli­ge Sachen im Kühlschrank hat. Das ist auch so über­trie­ben geschil­dert, dass es fast wie­der wahr sein muss. Der Fall selbst: eine alte, unbe­lieb­te Frau wird ermor­det, ein Kunstschatz kehrt nach Altusried (Kluftingers Heimatdorf) zurück und es gibt Hinweise, dass eine hoch­pro­fes­sio­nel­le Truppe unter Leitung des „Schutzpatrons“ ihn steh­len will, außer­dem ist Kluftingers Auto geklaut wor­den, was ihm so pein­lich ist, dass er es nie­man­dem erzählt.

Hat wie­der Spaß gemacht, das Buch zu lesen, auch wenn das Übertriebene, Karikaturhafte manch­mal doch nervt. Aber ein Mal im Jahr ist das okay und gute Unterhaltung. Natürlich wird es wei­ter­ge­hen, und Kluftinger wird irgend­wann ein­mal wie­der auf den Schutzpatron tref­fen, das ver­kli­ckern Klüpfel und Kobr den Lesern über­aus deut­lich. Na denn, bis bald!

Cornelia Funke: „Geisterritter“

Wenn ich alle Bücher, die ich lesen möch­te, kau­fen wür­de, bräuch­te ich meh­re­re Zimmer vol­ler Bücherregale. Aus die­sem Grund schaue ich seit mitt­ler­wei­le Jahrzehnten (!) regel­mä­ßig in der Bibliothek vor­bei – auch des­we­gen, weil eine gute Bibliothek eine Fundgrube ist, die neben Bestsellern Bücher bie­tet, die nicht so im Rampenlicht stehen.

„Geisterritter“ von Cornelia Funke ist natür­lich ein Buch mit den bes­ten Startbedingungen: die Autorin, der Verlag (Cecilie Dressler Verlag), das Thema. Neulich bekam ich es in der Bibliothek end­lich in die Hände und las es in einem Rutsch durch. Es ist ab 10 Jahren und erin­nert mich von der Erzählweise, von der Stimmung her ein wenig an „Reckless“. Etwas Traumhaftes, leicht Melancholisches. Im „Geisterritter“ ist das zwar nicht so vor­der­grün­dig, wird aber durch die Bilder verstärkt.

Mit dem Maler und Buchillustrator Friedrich Hechelmann hat Cornelia Funke zum ers­ten Mal zusam­men­ge­ar­bei­tet. Seine Bilder sind unge­wohnt für Funke-Leser. Sie haben Tiefe, man kann sie sich rie­sen­groß vor­stel­len, die Natur und die Menschen sind mit Liebe zum Detail dar­ge­stellt, das Gras, die Blätter an den Bäumen, die wuchern­de Blütenhecke. Die Menschen ste­hen irgend­wie auf der Kippe zwi­schen „rea­lis­tisch“ und sur­rea­lis­tisch (eins fand ich wirk­lich grus­lig bis absto­ßend), und die Geisterszenen sind leicht ver­schwom­men, als wabe­re Nebel durch das Bild, so ein dif­fu­ses Strahlen von irgend­wo­her, ein blau­grü­nes Licht. Das sind kei­ne nied­li­chen Geister, kei­ne Karikaturen – und die­se Darstellung beein­flusst auch die Art und Weise, wie der Text auf den Leser wirkt.

Jon Whitcroft, die Hauptfigur, kommt in ein Internat in Salisbury und sieht Geister – die ihm Böses wol­len. Das Mädchen Ella rät Jon, den Geisterritter William Longspee um Hilfe zu bit­ten. Und so geht es in dem Buch um einen rit­ter­li­chen Kampf zwi­schen Gut und Böse, um Freundschaft und Liebe. Aber auch um die Konkurrenz zwi­schen Jon und dem neu­en Freund sei­ner Mutter, einem Zahnarzt, den er „Vollbart“ nennt. Die Geschichte ist wun­der­bar erzählt und fes­selnd, ein schö­nes Buch.

Auf Cornelia Funkes Website gibt es einen sehr aus­führ­li­chen und span­nen­den Bericht über die Entstehung der Bilder: „Zu Besuch beim Geisterritter-Illustrator Friedrich Hechelmann“