„Hallo, ist hier hinten? Warteschlangengeschichten“ von Lena Hesse

Ich kann gar nicht genau sagen, wie oft ich das Buch schon durch­ge­blät­tert habe, aber so viel ist sicher: Ein Mal anschau­en reicht nicht. Dabei ist es bloß eine ein­zi­ge Warteschlange, die sich von vor­ne nach hin­ten durch das Buch win­det, Umschlag inklu­si­ve, aber die­se eine hat es in sich und bie­tet x-ver­schie­de­ne Geschichten, ohne dafür all­zu vie­le Worte zu benö­ti­gen. Leute, Tiere und Außerirdische (!), die in der Schlange an ver­schie­de­nen Positionen, auf ver­schie­de­nen Buchseiten war­ten, haben etwas mit­ein­an­der zu tun, mal ist das offen­sicht­li­cher, mal nicht auf den ers­ten Blick zu sehen, und das Umfeld wird auch mit einbezogen.

So tele­fo­niert zum Beispiel ein gelas­se­ner Klempner mit einem auf­ge­reg­ten Kunden, und eine Doppelseite wei­ter sieht man, dass dem armen Anrufer das Wasser wirk­lich bis zum Hals steht. Oder an einer Laterne wird per Abreißzettel ein Pinguin gesucht, ein paar Seiten spä­ter klebt eine Frau einen eben­sol­chen Zettel an eine Litfaßsäule, und wie­der­um ein paar Seiten wei­ter sitzt ein Pinguin auf einer Bank und schreibt der Zoodirektorin einen Brief, er schaue sich ein wenig die Welt an und kom­me bald heim.

Illustratorin und Autorin Lena Hesse hat ein wun­der­ba­res Buch geschaf­fen. Die Bilder sind unauf­ge­regt und über­sicht­lich, dabei span­nend und detail­reich, ange­nehm bunt und freund­lich und auch in der Darstellung der Menschen viel­fäl­tig, alle mög­li­chen Haar- und Hautfarben, Köpfe und Beine mit und ohne Haare, dick, dünn, klein, groß, jung, alt, mit Brille, Hut, Mütze, im Kinderwagen, im Rollstuhl, mit Handy, alle eher som­mer­lich geklei­det, aber den­noch sehr ver­schie­den, allein des­halb macht das Anschauen schon Spaß.

Die Leute und Tiere reden mit ande­ren, tele­fo­nie­ren, chat­ten, auch ihre Kleidung und Dinge, die sie bei sich haben, geben Hinweise, mit wel­chen ande­ren Personen oder Dingen sie zu tun haben könn­ten. Das Buch ist eine gro­ße Einladung zum Rätseln, zum Reden, zum Geschichtenausdenken. Eigentlich bräuch­te man ein Lösungsblatt, damit man am Ende weiß, ob man alles her­aus­be­kom­men hat, aber wie­der­um ist es natür­lich schö­ner, wenn man da nach Lust und Laune kom­bi­nie­ren kann.

Früher oder spä­ter dürf­te die Frage auf­tau­chen, wofür die Leute und Tiere eigent­lich anste­hen. Die Antwort gibts zum Schluss hin und sie passt per­fekt zum Buch, so viel sei schon mal ver­ra­ten. Mehr nicht, denn die­ses Buch soll­te man selbst anschau­en und lesen, sonst hat man was verpasst.

Lena Hesse: Hallo, ist hier hin­ten? Warteschlangengeschichten
32 Seiten
ab 4 Jahren
2020 Nilpferd
ISBN: 978-3-7074-5234-1
14,95 Euro

„Klein, schlau, Gogo!“ von Georg Karipidis und Maria Karipidou

Helle, freund­li­che Farben, kla­re Linien und Formen, ein über­sicht­li­cher Aufbau der Seiten und sehr süße Tierkinder: So könn­te man die Bilder auf den Punkt brin­gen. Held des Buches ist Gogo, ein klei­ner Esel. Mit sei­ner Mama lebt er auf einem Bauernhof. Eines Tages wird es ihm dort lang­wei­lig und er macht einen Ausflug in den Wald, wo er auf ein Schmetterlingsmädchen namens Lilo trifft, genau­er die „schö­ne Lilo“, denn alle Waldtiere haben zu ihrem Namen noch ein Eigenschaftswort. Gogo muss sich spon­tan eins über­le­gen, ihm fällt „schlau“ ein. Lilo und Gogo tref­fen noch fünf wei­te­re Tierkinder, zusam­men spie­len und wan­dern sie im Wald her­um, bis ihnen auf­fällt, dass sie sich ver­lau­fen haben. Und jetzt ist es an Gogo, zu zei­gen, dass er tat­säch­lich schlau ist …

Gogo hat Kulleraugen, lan­ge Ohren, die meist senk­recht in die Luft ste­hen, manch­mal aber auch nicht, und sein lan­ger, gera­der Pony ver­stärkt das Kindliche noch. Esel haben ja sowie­so ziem­lich vie­le mensch­li­che Fans, und Gogo ist ein­fach ent­zü­ckend. Die ande­ren Tierkinder aller­dings auch: neben Schmetterling Lilo sind das Igel Ingrid, Rehkitz Rita, Wiesel Willie, Kaninchen Karl und Eichhörnchen Steffi. Die Namen woll­te ich mal erwäh­nen, da ich sie ziem­lich homo­gen und leicht alt­mo­disch fin­de. Wobei sie zur­zeit wahr­schein­lich sogar eine Renaissance erle­ben. Nichtsdestotrotz hät­ten sie auch biss­chen bun­ter aus­fal­len kön­nen. Aber zumin­dest der Held hat einen Namen, der so gar nicht deutsch klingt, aus wel­cher Sprache er stammt, zeigt sich am Ende der Geschichte.

Die Texte im Buch sind nicht all­zu lang, es wird viel gere­det. Manchmal steht das dann in Wortblasen, die auch direkt zum Text gehö­ren – wenn man sie über­liest, feh­len einem Infos. Das lockert das Ganze auf, was ganz gut ist, da der Text an eini­gen weni­gen Stellen etwas schwer­fäl­lig ist, Stichwort zu lan­ge Sätze und Ausdrücke, die für Kinder ab drei Jahren viel­leicht noch nicht so sinn­voll sind.

„Klein, schlau, Gogo!“ ist ein fröh­li­ches Buch mit wun­der­schö­nen Illustrationen und einer stim­mi­gen Geschichte, die für Kinder sogar einen rich­tig prak­ti­schen Tipp parat hält, falls sie sich auch mal ver­lau­fen. Und Gogo ist ein Held, mit dem man sich vie­le wei­te­re Bücher vor­stel­len kann.

Klein, schlau, Gogo!
Text: Georg Karipidis
Illustrationen: Maria Karipidou
32 Seiten
ab 3 Jahren
2019 Nilpferd
ISBN 978-3-7074-5226-6
14,95 Euro

„Ein Hauptgewinn ist immer drin!“ von Saskia Hula und Ina Hattenhauer

Es reg­net und reg­net, und das aus­ge­rech­net in den Sommerferien, wie blöd für Winnie das Mädchen und Banane den Elefanten. Banane fischt im Hof eine bun­te Karte aus dem Regenwasser: Bei einem Preisausschreiben kann man ein Riesen-Trampolin gewin­nen. Die bei­den sind Feuer und Flamme und fül­len die Karte aus, tra­gen Bananes Adresse ein.

Und dann war­ten sie. Und es reg­net wei­ter. Und dann kommt Post, jede Menge Post: alles Werbung. An Banane per­sön­lich. So viel Werbung, dass bald das Wohnzimmer, das sie für das Trampolin leer­ge­räumt haben, bis oben hin voll ist. War es also dumm, die Adresse rauszugeben?

Man soll­te mei­nen, die Antwort wäre logisch und ein­deu­tig: Ja, es ist dumm, die eige­ne Adresse für so etwas raus­zu­ge­ben. Aber Saskia Hula und Ina Hattenhauer, von denen Text und Bilder stam­men, geben kei­ne kla­re Antwort. Denn Winnie und Banane neh­men sich schließ­lich die gan­zen Werbeprospekte und Werbebriefe und bau­en dar­aus im Wohnzimmmer eine super Weltraumstation. Und als sie damit fer­tig sind, wird auch noch das Riesen-Trampolin gelie­fert, sie haben tat­säch­lich gewonnen.

Und jetzt? Was soll uns die Geschichte sagen? Dass es okay ist, die Adresse raus­zu­ge­ben? Dass man gewinnt, wenn man bei selt­sa­men Preisausschreiben mit­macht? Ein wenig ver­wir­rend ist das schon. Oder ein­fach eine Quatschgeschichte?

Auf jeden Fall ist „Ein Hauptgewinn ist immer drin!“ kurz­wei­lig und ver­gnüg­lich zu lesen, der Text macht Spaß. Ebenso die Bilder, die mit kla­ren Linien und ein­fa­chen Farben pri­ma zu den Worten pas­sen. Besonders nett fin­de ich, dass es wie in den Pettersson-und-Findus-Büchern klei­ne Wesen gibt, die eine Parallelwelt bzw. -geschich­te schaf­fen: gel­be Küken, eine wei­ße Maus, ein win­zi­ger Fuchs, Frösche usw. Die Liebe zum Detail zeigt sich auch sonst in den Bildern, zum Beispiel im Elefanten-Schlafzimmer, in das Winnie und Banane alle Wohnzimmermöbel geräumt haben, damit Platz für das Trampolin ist – im Bücherregal ste­hen Titel wie „Rüsseln für Anfänger“, „Schwergewicht – na und“, „Von der Mücke zum Elefanten“, „Dicke Haut“ …

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Ein Hauptgewinn ist immer drin!
Text: Saskia Hula, Illustrationen: Ina Hattenhauer
40 Seiten
ab 5 Jahren
Nilpferd 2016
ISBN: 978-3-7074-5172-6
14,99 Euro