„Retter der verlorenen Bücher – Mission Robin Hood“ von Rüdiger Bertram

In die vier­te Klasse gehen Emma, Maya und Oskar, und nach der Schule sind sie immer sofort in der Bücherei. Zum einen, weil sie Bücher lie­ben und Lesen ihr ein­zi­ges Hobby ist, zum andern, weil sie dort Ruhe vor den Jungen und Mädchen aus ihrer Schule haben, von denen sie schi­ka­niert wer­den. Bloß mon­tags kön­nen sie nicht in die Bücherei, denn da ist Ruhetag. Die Geschichte beginnt an einem Dienstag, und Emma, Maya und Oskar wol­len in die Bücherei, ste­hen jedoch vor einer ver­schlos­se­nen Tür. Um her­aus­zu­fin­den, was los ist, besu­chen sie die Bibliothekarin Frau Müller-Liebelein. Die eröff­net ihnen, dass der fie­se Bürgermeister die Bücherei geschlos­sen hat und die Bücher wahr­schein­lich weg­schmei­ßen wird.

Emma, Maya und Oskar hel­fen Frau Müller-Liebelein beim Bücherretten, und qua­si als Belohnung gibt sie ihnen ein altes Buch, „kein gewöhn­li­ches“, wie sie sagt, „son­dern ein magi­sches“, und zwar „Die Abenteuer von Robin Hood“. Es soll Emma, Maya und Oskar vor den ande­ren Kindern schüt­zen, und wie das funk­tio­niert, mer­ken die drei ziem­lich schnell, denn auf der Flucht vor zwei Mitschülern lan­den sie mit­ten im Buch. Ein Abenteuer mit Robin Hood, Little John, Lady Marian und dem bösen Sheriff von Nottingham, wie cool! Bloß ist Robin Hood nicht der tol­le, edle Held, als den man ihn kennt, und die Geschichte läuft irgend­wie falsch – bis Emma, Maya und Oskar das in die Hand nehmen …

So ist das also: Drei Bücherwürmer, die sonst nur für sich in der Bücherei lesen, erle­ben auf ein­mal „in echt“ etwas zusam­men und mer­ken, dass das auch Spaß macht. Dass ihnen all die Bücher, die sie schon geschmö­kert haben, in kniff­li­gen Situationen hel­fen. Und nicht zuletzt, dass sie ein pri­ma Team sind. Die Bibliothekarin Frau Müller-Liebelein ist in guter alter Tradition als Büchermensch etwas kau­zig, aber herz­lich, und hat offen­bar eine Doppelgängerin im Sherwood Forest. Das Ganze liest sich kurz­wei­lig und wit­zig, und neben­bei erfährt man noch eini­ges über das (eng­li­sche) Mittelalter.

„Retter der ver­lo­re­nen Bücher – Mission Robin Hood“ ist für alle ab acht Jahren. Die Schrift auf den rund 180 Seiten ist schön groß, mit Freiraum zwi­schen den Zeilen, dazu hin und wie­der ein Bild. Ein net­tes Detail: Die Seiten, auf denen Emma, Maya und Oskar im Buch bei Robin Hood sind, haben einen illus­trier­ten „Rahmen“ pas­send zur Geschichte, aus Elementen wie Pfeil, Geldsack und Robin Hoods Hut. So etwas lie­ße sich in einer Reihe ja gut for­füh­ren, und tat­säch­lich gibt es bald Neues von den drei Kindern, der Bibliothekarin und den geret­te­ten Büchern: Band 2 mit einem neu­en Abenteuer erscheint im Februar 2019.

Rüdiger Bertram: Retter der ver­lo­re­nen Bücher – Mission Robin Hood
Mit Illustrationen von Horst Hellmeier
Lektorat: Emily Huggins
185 Seiten
ab 8 Jahren
ueber­reu­ter 2018
ISBN: 978–3‑7641–5116‑4
12,95 Euro

„Quendel“ von Caroline Ronnefeldt

Eigentlich hat das Buch ja „nur“ 448 Seiten, aber die Schrift ist ziem­lich klein, sodass es schon etwas dau­ert, bis man durch ist. Es geht sehr ruhig und gemäch­lich los an einem ent­spann­ten Spätsommertag im Hügelland, das sicher nicht nur mich an das Auenland erin­nert. Die Hobbits hei­ßen in Caroline Ronnefeldts Buch Quendel, sie sind klei­ne Leute, essen gern, rau­chen hin und wie­der ein Pfeifchen (die Männer), pfle­gen ihre Gärten, sind zumeist gesel­lig und haben jede und jeder so ihre Eigenarten.

Der Quendel Bullrich Schattenbart, der allein lebt, sei­nem Neffen Karlmann frü­her oft alte Geschichten erzähl­te, sei­ner Nachbarin Hortensia auch mal aus dem Weg geht und der vor allem Kartenschreiber ist, beschließt nach einem aus­gie­bi­gen Frühstück mehr oder weni­ger spon­tan, etwas Ungeheuerliches zu tun: Er will in den Finster, den gro­ßen, düs­te­ren, unheim­li­chen Wald gleich neben­an, der von allen Quendeln tun­lichst gemie­den wird. Auf Bullrich Schattenbars schö­nen, detail­rei­chen Karten der Gegend ist der Finster ein wei­ßer Fleck, und das soll sich nun ändern.

Der Quendel begibt sich also allein und ohne jeman­dem etwas davon zu sagen in den Finster. Und kehrt am Abend nicht zurück nach Hause. Seine Freunde und Nachbarn mer­ken das bald, und vier von ihnen bre­chen zusam­men auf, um ihn zu suchen. Es wird eine lan­ge Nacht. Denn etwas stimmt nicht im Hügelland, an ver­schie­de­nen Stellen sind uner­klär­li­che hel­le Lichter zu sehen, leuch­ten­der Nebel und Löcher, die in ein ande­res, wüs­tes Land zu füh­ren schei­nen, außer­dem gru­se­li­ge Erscheinungen, die all­zu real wirken.

Caroline Ronnefeldt nimmt sich mit dem Erzählen ihrer Geschichte Zeit. Sie sagt mit vie­len Worten, was man auch deut­lich kür­zer hät­te hal­ten kön­nen, aber so zieht es einen beim Lesen auch wirk­lich in die­se ande­re Welt, in die Geschehnisse die­ses Tags oder bes­ser: die­ser Nacht. Die Quendel blei­ben nicht nur Namen, son­dern Persönlichkeiten ent­ste­hen, jede und jeder für sich. Es sind noch mehr Quendel in die­ser Nacht unter­wegs, aber man ver­liert nie den Überblick. Und es baut sich eine gespann­te, durch­aus dunk­le Stimmung auf, geht es für die vier Quendel, die Bullrich Schattenbart suchen, doch bald um Leben und Tod.

Was geschieht im Hügelland, wohin ist Bullrich Schattenbart ver­schwun­den, wird er wie­der auf­tau­chen? Nicht auf alle Fragen gibt es am Ende des Buchs eine Antwort, eine Fortsetzung dürf­te also fol­gen. Die Umschlagillustration und die Karte vom Hügelland im Umschlag sind von der Autorin, die mit „Quendel“ ihren ers­ten Roman vor­legt. Sie greift alte Sagen unse­rer Welt auf und schwelgt in Worten und in ihrer Geschichte. Zauberer, Elben und ande­re fan­tas­ti­sche Wesen aus dem Hobbit-Universum tau­chen übri­gens nicht auf und Menschen sind nur mehr eine (ziem­lich nega­ti­ve) Erinnerung. Der Schrecken der lan­gen Nacht löst sich auch mit dem neu­en Morgen nicht auf, es ist nicht ein­fach alles wie­der gut. Die Quendel haben ein Problem und müs­sen es ange­hen. Wie, das wird ein wei­te­res Buch zeigen.

Caroline Ronnefeldt: Quendel
Lektorat: Emily Huggins
448 Seiten
ab 14 Jahren
ueber­reu­ter 2018
ISBN: 978–3‑7641–7077‑6
19,95 Euro

„Wortwächter“ von Akram El-Bahay

Auch das neue Kinderbuch von Akram El-Bahay führt auf direk­tem Weg in die Welt der Fantasie. Beziehungsweise in eine Welt wie unse­re, in der aller­dings fan­tas­ti­sche Dinge gesche­hen. Man bekommt schon einen ziem­lich kon­kre­ten Einblick, wenn man sich das schö­ne, sehr anspre­chen­de Buchcover genau­er anschaut: Die Helden sind zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, schät­zungs­wei­se elf, zwölf Jahre alt. Die Aufmachung des Covers ver­rät, dass die­se bei­den ein Abenteuer erle­ben, und dabei spie­len Bücher, eine gol­de­ne Feder und beschrie­be­ne Seiten eine Rolle. Das Abenteuer führt nach London zum Big Ben, nach Ägypten zur Sphinx, nach Paris in den Louvre zur Mona Lisa und nach Amerika zu den Präsidentenköpfen. Vielleicht sind das etwas zu vie­le Informationen? Vielleicht aber auch nicht, denn natür­lich pas­siert auf den 384 Seiten des Buches noch viel, viel mehr und die Frage ist sowie­so, wie das alles zusammenhängt.

Der Held des Buches ist Tom, zwölf Jahre alt, aus Deutschland, der die Sommerferien in England in Stratford-upon-Avon bei sei­nem Onkel David ver­brin­gen soll, den er vor­her noch nie getrof­fen hat. Seine Eltern holen in den sechs Wochen ihre Flitterwochen in Paris nach, sind also nicht vor Ort. Gleich am ers­ten Tag geht es mit Merkwürdigkeiten los, so ist das alte Häuschen in der Shakespeare-Stadt vol­ler Bücher und hat dafür weder Internet noch Computer noch Fernseher. Onkel David kann mit Tom nichts anfan­gen und hat einen selt­sa­men Diener, der Tom mit „gnä­di­ger Herr“ anspricht. Tom befürch­tet das Schlimmste, aber wenig über­ra­schend wer­den die­se Ferien das glat­te Gegenteil von langweilig.

Unter ande­rem, weil Onkel David ver­schwin­det, das Mädchen Joséphine auf­taucht und Tom eine Buchseite fin­det, die sich von selbst voll­schreibt mit Dingen, die gera­de erst pas­sie­ren oder die Tom denkt. Die Seite wird zu Toms stän­di­gem Begleiter bei der Suche nach einem magi­schen Gegenstand, den er für Onkel Davids Rettung benö­tigt. Auf der aben­teu­er­li­chen Reise um die hal­be Welt trifft Tom jede Menge inter­es­san­te bis fan­tas­ti­sche Leute und Wesen, die ihm hel­fen, bekommt es aber auch mit mäch­ti­gen Gegnern zu tun …

Ja, es geht um Bücher und Wörter, wel­che Welten sie eröff­nen und Macht sie (in fan­tas­ti­schen Geschichten) haben kön­nen. Dabei ist Tom kein Leser, er liest höchs­tens mal Sportzeitungen, heißt es am Anfang, ganz anders Joséphine, die Bücher ver­schlingt und all die bekann­ten Autoren (und Autorinnen) kennt. Tom hat es umge­ben von Lesebegeisterten stre­cken­wei­se nicht leicht, trägt das aber mit Fassung, was sym­pa­thisch ist, und auch sonst folgt man ihm gern bei die­sem span­nen­den, dicht geschrie­be­nen Abenteuer, bei dem ins­be­son­de­re Toms fan­tas­ti­sche Buchseite für das ein oder ande­re Grinsen sorgt. Ein schö­nes Buch, das Spaß beim Lesen und Lust aufs Lesen macht.

Akram El-Bahay: Wortwächter
Umschlagillustration: Maximilian Meinzold
Lektorat: Emily Huggins
384 Seiten
ab 11 Jahren
ueber­reu­ter 2018
ISBN: 978–3‑7641–5118‑8
14,95 Euro