„Rowan & Ash“ von Christian Handel

Im Inselkönigreich Iriann lebt der jun­ge Rowan, der zwar kein Königssohn, aber der Königstochter Alyss ver­spro­chen ist. Schon als sie noch Kinder waren, wur­de die Verbindung von den Eltern beschlos­sen, und die bei­den ken­nen und mögen sich. Aber Rowan steht auf Männer – was nie­mand außer ihm weiß und auch nicht erfah­ren soll, denn Liebe zwi­schen Männern ist geäch­tet. Dazu kommt, dass Rowan eigent­lich ein „guter Sohn“ sein und das machen will, was sein Vater, ein Herzog, sich für ihn vor­stellt, also Alyss hei­ra­ten und König wer­den. Seine Familie reist für den Sommer in die Hauptstadt. Dort soll Rowan Zeit mit sei­ner zukünf­ti­gen Frau ver­brin­gen und sich als neu­es Mitglied im Rat des Königreichs bei der Entscheidung über das Schattenlabyrinth ein­brin­gen. Das Schattenlabyrinth ist die Quelle der Magie auf der Insel. Wenig über­ra­schend hat die Magie zwei Seiten, eine gute und eine schlech­te: Die Menschen nut­zen sie in Form von magi­schen Artefakten, mit denen sie han­deln. Aber die Magie bringt auch Schattenkreaturen und die Krankheit Hexenbrand her­vor, wes­we­gen zur Debatte steht, das Schattenlabyrinth end­gül­tig zu versiegeln.

In der Hauptstadt ange­kom­men trifft Rowan gleich auf Ash, der ihm seit ihrer ers­ten Begegnung vor einem Jahr nicht mehr aus dem Kopf gegan­gen ist. Das Buch heißt „Rowan & Ash“, und dies ist also ihre Geschichte. Erzählt wird sie aus­schließ­lich aus Rowans Perspektive, ihm folgt man die gan­ze Zeit, sei­ne Gedanken und Gefühle erfährt man. Rowan ist kein schil­lern­der Held, er ist sehr nah­bar, stellt sein Licht eher unter den Scheffel, als dass er mit irgend­et­was pran­zen wür­de. Seine bes­te Freundin ist eine Bürgerliche, Raven, die an der Akademie der Magier in der Hauptstadt stu­diert. Rowans Vater ist besorgt, dass Gerüchte auf­kom­men könn­ten, wenn Rowan zu viel Zeit mit Raven ver­bringt, denn natur­ge­mäß wird am Königshof gemun­kelt und sicher auch intri­giert. Doch an Rowan scheint das alles abzu­per­len, sei­ne ein­zi­ge „Schwachstelle“ ist Ash, den er des­halb mög­lichst mei­den will, was ihm nicht gelingt – und schließ­lich stellt Ash ihn vor eine Entscheidung und eine Aufgabe im Schattenlabyrinth, für die Rowan muti­ger sein muss als je zuvor …

Wer eine dra­ma­ti­sche, schil­lern­de Liebesgeschichte und lau­te, über­wäl­ti­gen­de Fantasy erwar­tet, ist bei „Rowan & Ash“ falsch, in der Hinsicht ähnelt das Buch sei­nem Hauptcharakter. Es ist gut, wenn man sich für das Lesen Zeit nimmt und Sätze nicht nur über­fliegt bzw. ver­schlingt, wie das bei einem aus­schwei­fen­den Fantasyschmöker ja durch­aus mal pas­siert. Die Gespräche, Zwischentöne wol­len beach­tet sein, erst dann ent­fal­tet das Buch sei­ne, man könn­te sagen: Magie. Manches mag ver­traut erschei­nen, durch­aus gegen­wär­tig. So haben Rowans Eltern zwar bestimm­te Vorstellungen für ihn, aber sie wol­len auch, dass er glück­lich ist. Seine Verlobte Alyss könn­te er lie­ben, wenn er denn sol­che Gefühle für Frauen haben wür­de. Selbst bei sei­ner bes­ten Freundin ist er sich nicht sicher, wie sie reagie­ren wird, wenn er ihr offen­bart, dass er einen Mann liebt. Unsicherheiten, Zweifel, Fragen, die etli­che Jugendliche umtrei­ben dürf­ten, wenn sie rea­li­sie­ren, dass sie schwul oder les­bisch sind. Interessant ist unter dem „rea­lis­ti­schen“ Aspekt auch die Art von Magie, die Autor Christian Handel schil­dert, sie erscheint wie eine Strahlung, die schä­di­gen und gar zer­stö­ren kann, da mag eini­ger Raum für Interpretation sein.

Das Ende kommt ein wenig zu früh, zwar gibt es eine Entscheidung, aber man wür­de schon ger­ne erfah­ren, wel­che Konsequenzen sie hat und wie es danach wei­ter­geht. So muss man den Faden selbst wei­ter­spin­nen, was irgend­wie auch okay ist. Und der letz­te Satz des Buches: Der ist wunderbar.

Christian Handel: Rowan & Ash. Ein Labyrinth aus Schatten und Magie
Lektorat: Emily Huggins
416 Seiten
ab 14 Jahren
2020 ueberreuter
ISBN: 978-3-7641-7105-6
17,95 Euro

„Becoming Elektra“ von Christian Handel

Drei Wochen im Jahr 2083, die Isabels Leben auf den Kopf stel­len. Isabel ist ein „Mensch zwei­ter Klasse“, eine Klonin. Sie lebt in einem Institut, aus dem sie nie raus­darf, sie und die ande­ren Kloninnen und Klone sind Ersatzteillager für die Menschen, deren Kopien sie sind. Als Isabels Original, Elektra Hamilton, stirbt, wird Isabel aus dem Institut geholt und soll Elektra erset­zen. Sie lan­det in einem herr­schaft­li­chen Haus, in einer Familie, die sie alles ande­re als mit offe­nen Armen emp­fängt, Ausnahme: Elektras Vater, der um jeden Preis will, dass sie eine arran­gier­te Verlobung in Sack und Tüten bringt. Frei ist Isabel somit auch jetzt nicht, und noch dazu in gro­ßer Gefahr. Denn Elektra ist kei­nes natür­li­chen Todes gestor­ben und nie­mand sagt Isabel, was wirk­lich gespielt wird …

Es ist nicht leicht, bei Kinder- und Jugendbüchern halb­wegs fri­sche Themen zu fin­den bzw. sie so umzu­set­zen, dass sie noch frisch rüber­kom­men. Christian Handel ist das gelun­gen, sein Buch über Klone, über ihre Rolle und den Umgang mit ihnen, ist packend von der ers­ten bis zur letz­ten Seite. Er erzählt so, dass es die Leserin, den Leser in die Geschichte zieht, sie ist nach­voll­zieh­bar und nah, obwohl sie etli­che Jahre in der Zukunft spielt. Im Mittelpunkt ste­hen Menschen und ihr Beziehungsgeflecht, auch die Nebenfiguren wir­ken authen­tisch und leben­dig, sie sind nicht nur Statistinnen und Statisten. Die Geschichte ist nicht kom­pli­ziert, aber alles ande­re als sim­pel, sie hält ein paar Überraschungen parat und macht süch­tig, man kann gar nicht auf­hö­ren zu lesen. Sie lädt zum Abtauchen in eine ande­re Welt ein, hat aber mit dem Klonen ein Thema, über das man durch­aus ins Grübeln kom­men kann.

Ein Hingucker ist das tol­le Cover, das Motiv wie­der­holt sich auf dem Buchrücken, „Becoming Elektra“ macht sich also auch pri­ma im Regal. Etwas über 400 Seiten hat das Buch, das Ende bie­tet Stoff für eine Fortsetzung, die aber, so der Autor im Nachwort, nicht geplant ist. Ich finds gut, dass die Geschichte nicht bis zum Letzten aus­ge­walzt wird, dann spinnt man sie eben selbst wei­ter – und freut sich auf eine gänz­lich neue, die hof­fent­lich nicht all­zu lang auf sich war­ten lässt.

Christian Handel: Becoming Elektra. Sie bestim­men, wer du bist
Lektorat: Emily Huggins
Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski
416 Seiten
ab 14 Jahren
2019 ueberreuter
ISBN: 978-3-7641-7094-3
17,95 Euro