„Ich bin etwas schüchtern“ von Elisabeth Longridge

Da ist jemand schüch­tern, ein Tier, von dem man zunächst nur den Kopf und den (nicht ganz kur­zen) Hals sieht, aber ver­mut­lich wis­sen sogar schon klei­ne­re Kinder sofort, dass das ein Pfau ist. Ein ande­rer Pfau will von ihm wis­sen, war­um er sich ver­steckt. Die Antwort: Er ist schüch­tern, da alle immer auf sei­nen gro­ßen, lan­gen Schweif schau­en wür­den. Der ande­re Pfau nimmt ihn mit zu vier Freunden: dem Schwan mit dem super­lan­gen Hals, der Eule mit den super­gro­ßen Augen, dem Flamingo mit den super­lan­gen Beinen und dem Tukan mit dem super­gro­ßen Schnabel. Alle vier fin­den Hals, Augen, Beine und Schnabel super, so wie sie sind. Daraufhin fasst der schüch­ter­ne Pfau Mut und zeigt sich so, wie er ist. Man kann sagen: in all sei­ner Pracht. Und die Moral von der Geschicht steht am Schluss: „Es gibt kei­nen Grund, schüch­tern zu sein – wir sind alle beson­ders, ob groß oder klein.“

Tatsächlich ist man­ches im Buch gereimt, aber bei Weitem nicht alles. Es ist ziem­lich wenig Text, pro Doppelseite maxi­mal vier Zeilen, und die Buchstaben sind recht groß. Das passt zu den schö­nen Illustrationen, die jeweils über eine Doppelseite gehen. Sie sind ruhig, klar und redu­ziert, auf eine sehr anspre­chen­de Weise. Das Cover ist ein gutes Beispiel: viel freie wei­ße Fläche, die Tiere mit einer pas­sen­den, cha­rak­te­ris­ti­schen Umgebung – und auf jedem Bild immer klei­ne, zar­te Schmetterlinge, die ja unter ande­rem ein Symbol für Wandel sind, für Hoffnung und Leichtigkeit.

Durch die zeit­lo­sen Illustrationen und die ein­fa­che, star­ke Botschaft ist das Buch etwas für Kinder wie für Erwachsene. Vermutlich füh­len sich von dem Titel auch mehr Menschen ange­spro­chen, als man den­ken würde …

Elisabeth Longridge: Ich bin etwas schüchtern
Aus dem Englischen von Anne Brauner
32 Seiten
ab 4 Jahren
2023 Verlag Freies Geistesleben
ISBN 978–3‑7725–3121‑7
16 Euro

„Im Garten von Monet“ von Kaatje Vermeire

Sicher gibt es ziem­lich vie­le Biografien von Claude Monet, dies ist nun eine in Bilderbuchform, mit  wenig Text und gro­ßen Doppelseitenbildern. Das ers­te Bild: Monet als Kind am Meer. Das zwei­te Bild: als jun­ger Mann in der Malschule. Ab dem drit­ten Bild: älter wer­dend inmit­ten meist üppi­ger Natur, umge­ben von Bäumen, Blumen, am Fluss, im Garten. Monet ist auf jedem Bild zu sehen, sonst nur weni­ge ande­re: sei­ne Frau Camille, sei­ne zwei­te Frau Alice, die Kinder, ein Malerkollege. Der Stil der Bilder erscheint ver­traut, Kaatje Vermeire hat sich ver­mut­lich lang und län­ger mit Monets Werk aus­ein­an­der­ge­setzt, dann Abstand genom­men und schließ­lich etwas Eigenes geschaf­fen, das jedoch Monet „atmet“ und auch ver­schie­de­ne Stadien sei­nes Schaffens aufgreift.

Die Bilder sind alle fas­zi­nie­rend und laden zum Verweilen ein. Ob der vor Farben und Formen schier explo­die­ren­de Park im Frühling, die herbst­li­che Landschaft am Fluss in leuch­ten­dem Rot und Gelb oder der Seerosenteich mit Schilf, Bäumen und Brücke mit zer­lau­fen­den Farben, so wie der Maler, des­sen Augen schwä­cher wer­den, sie nun sieht. Bilder und Texte machen neu­gie­rig auf das Leben und Werk des Künstlers, sie rei­ßen nur an, ver­su­chen gar nicht erst, mehr als einen Bruchteil abzu­bil­den. Und genau das kann eine Biografie leis­ten, nicht mehr und nicht weniger.

Kaatje Vermeire: Im Garten von Monet
Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart
32 Seiten
ab 5 Jahren
2020 Verlag Freies Geistesleben
ISBN 978–3‑7725–2925‑2
18 Euro

„Pass auf!“ von Silvia Borando

Die Geschichte kommt tat­säch­lich gänz­lich ohne Worte aus, nie­mand sagt etwas, nie­mand erzählt etwas. Man sieht es auf dem Cover: Die Farben und Formen sind ein­fach und klar, die Bilder über­sicht­lich und schnell zu erfas­sen. Es gibt bloß zwei Szenarien: den Blick von drau­ßen auf ein klei­nes Haus, genau­er: auf ein hell erleuch­te­tes Fenster – und den Blick von drin­nen auf einen klei­nen, kah­len Baum im Schnee. Es schneit, und am Fenster sit­zen zwei Kinder und schau­en hin­aus zum Baum. Im Wechsel sieht man die Gesichter der Kinder und den Baum. Am Baum tut sich was, ein Vogel taucht auf. Und dann noch ande­re Tiere. Klingt lang­wei­lig? Ist es nicht. Es ist qua­si Fenstertheater, fast ein Fensterkrimi. Was sich drau­ßen abspielt, darf natür­lich nicht ver­ra­ten wer­den. Nur so viel: Wie sich mit weni­gen gestal­te­ri­schen Mitteln und, wie bereits erwähnt, ganz ohne Worte eine fes­seln­de Bildergeschichte ent­wi­ckelt, ist echt faszinierend.

Das Buch hat natür­lich doch eini­ge weni­ge Worte, und zwar die, die auf dem Einband ste­hen – Autorin, Titel, Verlag, Klappentext. Es ist klein und fein, wun­der­bar für den Winter.

Silvia Borando: Pass auf!
Originaltitel: Guarda fuori
44 Seiten
ab 3 Jahren
2019 Verlag Freies Geistesleben
ISBN 978–3‑7725–2921‑4
14 Euro