„Becoming Elektra“ von Christian Handel

Drei Wochen im Jahr 2083, die Isabels Leben auf den Kopf stel­len. Isabel ist ein „Mensch zwei­ter Klasse“, eine Klonin. Sie lebt in einem Institut, aus dem sie nie raus­darf, sie und die ande­ren Kloninnen und Klone sind Ersatzteillager für die Menschen, deren Kopien sie sind. Als Isabels Original, Elektra Hamilton, stirbt, wird Isabel aus dem Institut geholt und soll Elektra erset­zen. Sie lan­det in einem herr­schaft­li­chen Haus, in einer Familie, die sie alles ande­re als mit offe­nen Armen emp­fängt, Ausnahme: Elektras Vater, der um jeden Preis will, dass sie eine arran­gier­te Verlobung in Sack und Tüten bringt. Frei ist Isabel somit auch jetzt nicht, und noch dazu in gro­ßer Gefahr. Denn Elektra ist kei­nes natür­li­chen Todes gestor­ben und nie­mand sagt Isabel, was wirk­lich gespielt wird …

Es ist nicht leicht, bei Kinder- und Jugendbüchern halb­wegs fri­sche Themen zu fin­den bzw. sie so umzu­set­zen, dass sie noch frisch rüber­kom­men. Christian Handel ist das gelun­gen, sein Buch über Klone, über ihre Rolle und den Umgang mit ihnen, ist packend von der ers­ten bis zur letz­ten Seite. Er erzählt so, dass es die Leserin, den Leser in die Geschichte zieht, sie ist nach­voll­zieh­bar und nah, obwohl sie etli­che Jahre in der Zukunft spielt. Im Mittelpunkt ste­hen Menschen und ihr Beziehungsgeflecht, auch die Nebenfiguren wir­ken authen­tisch und leben­dig, sie sind nicht nur Statistinnen und Statisten. Die Geschichte ist nicht kom­pli­ziert, aber alles ande­re als sim­pel, sie hält ein paar Überraschungen parat und macht süch­tig, man kann gar nicht auf­hö­ren zu lesen. Sie lädt zum Abtauchen in eine ande­re Welt ein, hat aber mit dem Klonen ein Thema, über das man durch­aus ins Grübeln kom­men kann.

Ein Hingucker ist das tol­le Cover, das Motiv wie­der­holt sich auf dem Buchrücken, „Becoming Elektra“ macht sich also auch pri­ma im Regal. Etwas über 400 Seiten hat das Buch, das Ende bie­tet Stoff für eine Fortsetzung, die aber, so der Autor im Nachwort, nicht geplant ist. Ich finds gut, dass die Geschichte nicht bis zum Letzten aus­ge­walzt wird, dann spinnt man sie eben selbst wei­ter – und freut sich auf eine gänz­lich neue, die hof­fent­lich nicht all­zu lang auf sich war­ten lässt.

Christian Handel: Becoming Elektra. Sie bestim­men, wer du bist
Lektorat: Emily Huggins
Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski
416 Seiten
ab 14 Jahren
2019 ueberreuter
ISBN: 978-3-7641-7094-3
17,95 Euro

„Die abenteuerliche Reise des Leopold Morsch“ von Gregor Wolf

Leopold Morsch ist ein Einsiedler, sein klei­nes Haus ist das ein­zi­ge in sei­nem Tal. Einsam ist er nicht, Bäume und Tiere genü­gen ihm als Gesellschaft. Ein Baum ist ihm sogar ein rich­ti­ger Freund, der wan­deln­de und spre­chen­de Baum Hainwart. Ab und zu kommt auch sein alter Freund Landrich vor­bei, ein Händler, der mit sei­nem Eselfuhrwerk durch die Weltgeschichte fährt. Als Landrich wie­der bei Leopold Morsch vor­bei­schaut, schenkt er ihm eine wei­ße Muschel, die wie ein Horn geformt ist. Leopold Morsch hält sie ans Ohr und hört Wellenrauschen, dann den Gesang eines Vogels, wie er ihn noch nie gehört hat. Nach und nach ver­steht er Worte, Strophen eines Liedes. Es scheint sich an ihn zu rich­ten, ein Hilferuf, den Morsch nicht igno­rie­ren kann. Er macht sich zusam­men mit Hainwart auf den Weg, um das Geheimnis der Muschel zu ergründen.

Bald schlie­ßen sich ihnen zwei neue Gefährten an: Ritter Griesbert, der kein Ritter mehr ist, aber wie­der sein will, und der Junge Tisal, der ent­führt wur­de und zurück in sei­ne fer­ne Heimat möch­te. Morsch, Hainwart und Griesbert beglei­ten ihn, und natür­lich erle­ben sie auf ihrer Reise etli­che Abenteuer, unter ande­rem bekom­men sie es mit Räubern, einem Drachen, skru­pel­lo­sen Wissenschaftlern und Piraten zu tun.

Den Verlauf der Reise kann man auf einer Landkarte im Inneneinband des Buches nach­ver­fol­gen. Ansonsten hat das Buch noch Randillustrationen, der Text ist auf jeder Doppelseite pas­send zum Ort, an dem die Handlung gera­de spielt, ein­ge­rahmt mit der Silhouette eines Waldes, einer Stadt usw. Das wirkt hoch­wer­tig und passt sehr gut zur fan­tas­ti­schen, mär­chen­haf­ten Geschichte, genau­so wie die schö­ne Umschlagillustration. Die Seiten fas­sen sich gut an, sie sind rela­tiv dick, sodass das Buch mit sei­nen über 300 Seiten und fes­tem Einband auch nicht gera­de dünn ist. Die Schrift ist ange­nehm groß, die Kapitelüberschriften sind klar abge­setzt und leicht verspielt.

Die Gestaltung eines Buches ist zwar wich­tig, aber wich­ti­ger ist die Geschichte. Und die ist eine run­de Sache. Sie ist wie ihre Hauptfigur Leopold Morsch: in sich ruhend, ernst­haft, fein­füh­lig. Überstürzt wird hier nichts, obwohl die vier Gefährten durch­aus in brenz­li­ge Situationen gera­ten und Ritter Griesbert im Gegensatz zu Morsch eher spon­tan und leicht auf­brau­send ist. Konflikte wer­den nicht mit schnel­len Kämpfen gelöst, son­dern mit Grips ange­gan­gen, Klischees im Großen und Ganzen erfolg­reich umschifft. Wobei man fra­gen könn­te, war­um alle vier zen­tra­len Figuren männ­lich sein müs­sen. Ein biss­chen mehr Leichtigkeit und Tempo hät­te ich nicht schlecht gefun­den, aber so ist es auch in Ordnung. Morschs Welt ist über­schau­bar und gut durch­dacht, sie mutet mit­tel­al­ter­lich an mit Drachen, Rittern, und Königen, ist aber zugleich irgend­wie zeit­los. Ein Einsiedler, den es in die wei­te Welt ver­schlägt, der mit Gefährten Abenteuer erlebt und sich wacker schlägt – das ist kei­ne neue Idee, aber in „Die aben­teu­er­li­che Reise des Leopold Morsch“ schön und fes­selnd umgesetzt.

Gregor Wolf: Die aben­teu­er­li­che Reise des Leopold Morsch
Umschlag- und Innenillustrationen: Cornelia Haas
Lektorat: Angela Iacenda
320 Seiten
ab 10 Jahren
2019 ueberreuter
ISBN: 978-3-7641-5150-8
14,95 Euro

„Eine Leiche zum Tee“ von Alexandra Fischer-Hunold

„Eine Leiche zum Tee“ spielt in guter alter Krimimanier in England, im Dorf Ashford-on-Sea. Hier lebt Amy bei ihrer vier­und­sieb­zig­jäh­ri­gen Großtante Clarissa, die mal Lehrerin war und nun den Little Treasures Tearoom betreibt. Bei der Fünfhundertjahrfeier des Ortes sind die bei­den für den Kuchenstand zustän­dig, aber vor allem will Amy bei der Gelegenheit end­lich Finn anspre­chen, in den sie unheim­lich ver­liebt ist.

Dummerweise kommt ihr ihre Klavierlehrerin dazwi­schen: Rubinia Redcliff wird am Strand tot auf­ge­fun­den. Ein Unfall, ist der Dorf-Sergeant über­zeugt, ein Mord, glaubt dage­gen Tante Clarissa, die ein Faible für Krimis hat und seit ihrer Pensionierung die Anlaufstelle im Dorf ist, wenn etwas geklaut wur­de oder sonst­wie ermit­telt wer­den muss. Sie legt also sofort los, und aus­nahms­wei­se ist Amy mit von der Partie, da Finn irgend­wie in der Sache drin­zu­hän­gen scheint.

Auf 320 Seiten webt die Autorin ein Netz aus Verdächtigungen und Verdächtigen, fast jede und jeder im Dorf hat­te mit Rubinia Redcliff zu tun, die zwar berühmt, aber nicht gera­de beliebt war. Viel Arbeit für Amy, die güns­ti­ger­wei­se Sommerferien hat und ihre Rolle als Detektivin immer span­nen­der fin­det. Stets an ihrer Seite ist Percy, ein Irish Terrier, und ziem­lich oft auch Finn …

Die Geschichte wirkt ein biss­chen aus der Zeit gefal­len, obwohl sie im Jetzt spielt, mit Handys und WhatsApp. Vielleicht weil es ein eng­li­sches Dorf ist, inklu­si­ve herr­schaft­li­chem Anwesen sowie Lady und Lord Ashford, viel­leicht weil es eine recht hei­le, über­schau­ba­re Buchwelt ist, wie in Kinderkrimiklassikern von Enid Blyton, viel­leicht auch, weil Amy eine Spur zu hef­tig und irgend­wie alt­mo­disch für Finn schwärmt. Macht aber nichts, denn der klei­ne eng­li­sche Dorfkosmos ist wit­zig und kurz­wei­lig beschrie­ben und die Suche nach Täter oder Täterin nicht so gerad­li­nig, wie es zunächst erscheint.

Alexandra Fischer-Hunold: Eine Leiche zum Tee
Lektorat: Emily Huggins
320 Seiten
ab 12 Jahren
2019 ueberreuter
ISBN 378-3-7641-7082-0
14,95 Euro