„Poppy Poppington. Tiersprechstunde im Muffinhaus“ von Michaela Holzinger

Penelope Poppington, genannt Poppy, ist zehn Jahre, hat maus­brau­nes Haar mit einer roten Strähne – und kann Tiere nicht lei­den. Damit ist sie in ihrer Familie eine Ausnahme, denn ihre Eltern und ihre Großeltern sind Tierforscher, Zoologen, und zwar mit Begeisterung und vol­lem Einsatz. Ständig sind Poppys Eltern in der gan­zen Welt unter­wegs, um Tiere zu ret­ten. Wenn Ferien sind, muss Poppy mit und kann sich dann kaum die Tiere vom Leibe hal­ten, alle schei­nen es auf sie abge­se­hen zu haben. Weswegen sie sogar vor süßen Welpen und Babybonobos Angst hat und das Weite sucht.

Als ihre Eltern kurz­fris­tig in den Sommerferien wie­der auf eine Tierrettungsmission gehen sol­len, streikt Poppy und ver­reist allein zu ihrer Granny Alfreda, die sess­haft gewor­den ist und ihr Cottage in Uigmorlie reno­viert hat, dass es aus­sieht wie ein Vanillemuffin. Dort hofft sie auf mög­lichst tier­freie Ferien, aber da ihre Granny auch Tierforscherin ist, ste­hen die Chancen dafür wohl doch nicht so gut …

Dass Poppys Verhältnis zu Tieren sich frü­her oder spä­ter deut­lich bes­sert, ver­ra­ten ja bereits das fabel­haf­te Cover und der Titel. Der Grund dafür ist ein biss­chen zau­ber­haft: Poppy ent­deckt, dass sie mit Tieren spre­chen kann. Und schon ist sie mit­ten­drin in einem Abenteuer, zusam­men mit dem Nachbarsmädchen Nelly, Kater Sesam, Eichhörnchen Grinsemaul, Exmoor-Pony Harry Potter und noch etli­chen Tieren mehr.

Kurzum: „Poppy Poppington. Tiersprechstunde im Muffinhaus“ ist ein ein­falls­rei­ches, span­nen­des und lus­ti­ges Buch für alle ab acht Jahren, die Geschichten über Familiengeheimnisse (Kann nur Poppy mit Tieren spre­chen? Wo ist ihr Grandpa abge­blie­ben?), Freundschaft und Tiere mögen.

Michaela Holzinger: Poppy Poppington. Tiersprechstunde im Muffinhaus
Illustrationen: Monika Parciak
Lektorat: Emily Huggins
160 Seiten
ab 8 Jahren
ueber­reu­ter 2017
ISBN: 978-3-7641-5113-3
12,95 Euro

„Almost a Fairy Tale. Verwunschen“ von Mara Lang

Mit einem Märchen ver­bin­den vie­le wahr­schein­lich vor allem drei Dinge: Es ist glas­klar, wer gut und wer böse ist; es kom­men Wesen und Gegenstände vor, die magisch sind – und es gibt ein Happy End. Mara Lang hat ihr Buch „Almost a Fairy Tale“ genannt und hält sich damit so man­ches Hintertürchen offen. Schauen wir mal: Wer gut und wer böse ist, scheint von Anfang an fest­zu­ste­hen, aber bei man­chen Figuren ist es doch nicht so ein­deu­tig – zum Glück, denn sonst wird ein Buch ja schnell langweilig.

Die Heldin ist die sieb­zehn­jäh­ri­ge Natalie, eine mensch­li­che Magische. Sie lebt in einem moder­nen, etwas zukünf­ti­gen Deutschland, in dem Magisches nor­mal, aber bei vie­len nicht gut gelit­ten ist. Das gilt weni­ger für magi­sche Gegenstände als viel­mehr für die Lebewesen: Zwerge, Trolle, Riesen, Einhörner und Co. sind ein­ge­sperrt, ent­we­der im Zoo oder im Gefängnis. Zauberer und Hexen dür­fen nur mit Lizenz zau­bern und wer­den zu Menschen zwei­ter (drit­ter, vier­ter usw.) Klasse abge­stuft, sobald sie aus der Reihe tan­zen. Alles Magische und alle Magischen wer­den über­wacht, zustän­dig dafür ist die OMB, die Organisation für magi­sche Belange, an deren Spitze ein mäch­ti­ger Zauberer steht.

Los geht es idyl­lisch mit einem Zoobesuch von Natalie und ihrer bes­ten Freundin Jolly, bei dem sie Prinz Kilian tref­fen, Agent bei der OMB und seit Kurzem Natalies Freund. Dass Natalie eine Magische ist, weiß Kilian noch nicht, doch das ändert sich, als Natalie in einer gefähr­li­chen Situation zau­bert. Und zwar ohne Lizenz zum Zaubern und zudem läuft es schief, sodass ein Riese aus sei­nem Zoogehege aus­bre­chen kann und auf sei­nem Weg durch die Stadt eine Spur der Verwüstung hinterlässt.

Das ist ja schon dra­ma­tisch, aber es kommt noch schlim­mer: Für Natalie beginnt ein Albtraum, Schlag auf Schlag wird ihr Leben kom­plett auf den Kopf gestellt, denn die Flucht des Riesen war nur der Auftakt zu einem Aufstand der Magischen unter Führung der Hexe Raikun, die enorm bös­ar­tig ist und es auch auf Natalie abge­se­hen hat. Ob es ein mär­chen­haf­tes Happy End gibt, kann man nach die­sem Buch noch nicht sagen, da im Februar 2018 ein zwei­ter (und letz­ter) Band folgt. Aber da es ein Jugendbuch, laut Verlag ab vier­zehn Jahren, ist, kann man wohl davon aus­ge­hen, dass am Schluss Natalie, Kilian und ihre Verbündeten über die böse Hexe Raikun triumphieren.

Der Weg dahin ist aller­dings schon im ers­ten Band ein zuwei­len ziem­lich bru­ta­ler und etwas ver­wor­re­ner. So ver­folgt man die Geschehnisse, indem man sich an die Fersen von Natalie, Kilian sowie Jollys Stiefschwester Paige hef­tet. Gerade Paige hat ihre ganz eige­ne Geschichte, was vor allem mit ihrem Job und ihrem Exfreund zusam­men­hängt, der sie vor zwei Jahren sang- und klang­los ver­ließ und nun in all den Wirren wie­der auf­taucht. Die Namen von Familienmitgliedern, Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen, Feinden usw. bal­len sich beson­ders zum Ende hin, sodass man da auch mal den Faden ver­lie­ren kann.

Märchen zum Beispiel der Gebrüder Grimm sind ja zuwei­len auch grau­sam, wenn die Hexe im Ofen lan­det und die böse Königin Schneewittchen mit Gift usw. um die Ecke brin­gen will. Insofern bleibt „Almost a Fairy Tale“ einer gewis­sen Tradition treu – aber die alten Märchen zogen sich eben nicht über 400 Seiten. Bei ein paar hun­dert Seiten wären eini­ge ech­te Atempausen für die geplag­te Heldin, ein paar idyl­li­sche Auszeiten nett gewe­sen. Davon abge­se­hen ist das Buch abso­lut lesen­wert und zu kei­ner Zeit lang­wei­lig, Mara Lang hat eine fas­zi­nie­ren­de magisch-rea­le Welt und einen fes­seln­den Plot erschaf­fen, zu dem das schö­ne Cover per­fekt passt.

Mara Lang: Almost a Fairy Tale. Verwunschen
Lektorat: Angela Iacenda
400 Seiten
ab 14 Jahren
ueber­reu­ter 2017
ISBN: 978-3-7641-7068-4
17,95 Euro

„Imagine“ von John Lennon und Jean Jullien

Im Herbst 1971 wur­de John Lennons „Imagine“ ver­öf­fent­licht, und das Lied hat seit­dem nichts an Strahlkraft ein­ge­büßt. Leider auch nicht an Aktualität. Damals war unter ande­rem Vietnamkrieg und Kalter Krieg, heu­te, 46 Jahre spä­ter, herrscht ver­mut­lich nicht weni­ger Krieg und Elend auf der Welt.

Das Bilderbuch „Imagine“ hat als Text aus­schließ­lich den Liedtext von John Lennon. Die Illustrationen sind von Jean Jullien. Er zeich­net mit dicken, schwar­zen Konturen und kolo­riert mit ein­fa­chen, eher mat­ten Farben, was an Straßenmalkreide erin­nert. Wir fol­gen einer Taube, einer Friedenstaube, die nicht nur mit einem Zweig im Schnabel unter­wegs ist, son­dern eine Tasche (mit Peace-Symbol) vol­ler Zweige dabei­hat, die sie an ande­re Vögel verteilt.

Zum Beispiel an zwei Möwen, die sich um einen Fisch strei­ten („Nothing to kill or die for, and no reli­gi­on too“), und an zwei Kolibris, die sich um eine Blüte zan­ken („Imagine no pos­ses­si­ons … No need for greed or hun­ger“). Am Schluss, als es dun­kel wird, lan­det die Taube erschöpft auf einem Baum, die Tasche ist leer, kein Zweig ist mehr drin. Doch dann kom­men alle Vögel ange­flo­gen, die sie im Laufe des Tages getrof­fen hat, jeder sieht anders aus, in Farbe und Form – „You may say I’m a drea­mer, but I’m not the only one. I hope some day you’ll join us, and the world will live as one“.

Unter den eng­li­schen Liedzeilen steht immer direkt die deut­sche Übersetzung von Richard Rosenstein. Er über­setzt nicht wört­lich, was zunächst viel­leicht etwas irri­tiert. Aber die Übersetzung hat Klasse und ist etwas Eigenes, am bes­ten wirkt sie, wenn man sie als Ganzes liest, auf der letz­ten Seite ste­hen sowohl der kom­plet­te Originaltext als auch die Übersetzung.

Vielleicht zwei Beispiele: „A brot­her­hood of man“ über­setzt Rosenstein mit „Die Menschheit ganz ver­eint“. Das ist natür­lich tau­send­mal bes­ser als „Bruderschaft der Menschen“, was man tat­säch­lich auch fin­det, wenn man nach Übersetzungen von „Imagine“ Ausschau hält. Im Lied wird zwi­schen „hea­ven“ und „sky“ unter­schie­den, „Imagine there’s no hea­ven“ und „Above us only sky“, Rosenstein macht dar­aus „Wie wär es ohne Himmel?“ und „Über uns Blau allein“. Schön gelöst, fin­de ich!

Und schön ist das Buch ins­ge­samt, das eben kei­ne Bilder von Hunger, Krieg und Elend zeigt, son­dern mit John Lennons Worten wirkt und mit Illustrationen, die bereits für klei­ne Kinder geeig­net sind, die man so an das Thema her­an­füh­ren kann.

Imagine
Text: John Lennon, Illustrationen: Jean Jullien
Mit einem Vorwort von Yoko Ono Lennon
Aus dem Englischen von Richard Rosenstein
32 Seiten
Freies Geistesleben 2017
ISBN: 978-3-7725-2800-2
16 Euro